C7
Fehlschläge sozialer Selbstkontrolle
Das übergeordnete Ziel des SFB besteht darin, die kognitiven und neuronalen Mechanismen zu erforschen, die der willentlichen Kontrolle über unsere Handlungen und Gefühle zugrunde liegen. Der Mensch ist eine soziale Spezies, und viele unserer Handlungen stehen in direktem Zusammenhang mit anderen Menschen um uns herum, und - wie bei der Selbstkontrolle im Allgemeinen - versagt die Selbstkontrolle in sozialen Situationen häufig. Ziel des Projekts C7 ist es, solche "Fehler sozialer Selbstkontrolle" zu erforschen. Welches sind die Mechanismen, die eine erfolgreiche soziale Selbstkontrolle ermöglichen? Und unterscheiden sich diese von den Mechanismen, die Selbstkontrolle im Allgemeinen ermöglichen? Die sozial-neurowissenschaftliche Literatur legt nahe, dass Simulationsmechanismen für soziales Verhalten entscheidend sind. Die Fähigkeit, die Emotionen, Wünsche, Absichten und Ziele einer anderen Person zu simulieren, führt zu einem unmittelbaren Verständnis des Zustands der anderen Person und ermöglicht eine entsprechende Verhaltensanpassung. Diese Simulationsprozesse wurden als Empathie (Teilhabe an den Gefühlen anderer) und Perspektivenübernahme (Schlussfolgerungen über die mentalen Zustände anderer) untersucht. Im Rahmen des SFB-Projekts A6 wurde ein vergleichbarer, aber selbstbezogener Simulationsprozess untersucht, nämlich die Fähigkeit, die eigenen zukünftigen Emotionen zu antizipieren, was mit einer verbesserten Selbstkontrolle verbunden ist. Darüber hinaus wurde die episodische Prospektion, die Fähigkeit, zukünftige Ereignisse mental zu simulieren, ebenfalls mit einer besseren Selbstkontrolle in Verbindung gebracht. In allen Fällen kann der Kern der Simulationsprozesse - die unmittelbare Darstellung eines zeitlich oder sozial entfernten Zustands - die Überwindung aktueller Triebe zugunsten langfristiger (sozialer) Ziele unterstützen. Während Empathie und Emotionsantizipation mit Aktivitäten im Salienznetzwerk verbunden sind, aktivieren Perspektivübernahme und episodische Prospektion Regionen im sogenannten „Default Mode“-Netzwerks. Aufbauend auf diesen Arbeiten sind die Hauptziele des hier vorgeschlagenen Projekts (1) die Vorhersage von sozialem und nicht-sozialem Selbstkontrollversagen und (2) die Untersuchung der Spezifität der Simulationsmechanismen, die die Überwindung von Selbstkontrollversagen auf neuronaler Ebene unterstützen können. Zu diesem Zweck planen wir eine kombinierte Studie mit bildgebenden Verfahren (fMRT) und Smartphonebefragungen (EMA). Wir werden die Fähigkeit zur Simulation fremder und eigener zukünftiger affektiver und kognitiver Zustände mit Hilfe etablierter experimenteller Paradigmen bewerten und die Verhaltens- und Neuroimaging-Daten aus diesen Aufgaben mit sozialen und nicht-sozialen Selbstkontrollversagern, die im Alltag gemessen werden, in Verbindung bringen. Außerdem werden wir im Labor soziales und nicht-soziales Versagen der Selbstkontrolle induzieren, um zu testen, ob die neuronale Aktivierung, die mit der Umsetzung der Selbstkontrolle zusammenhängt, (teilweise) mit der simulationsbezogenen neuronalen Aktivität übereinstimmt. Schließlich könnte eine auf multivariater Musteranalyse basierende aufgabenübergreifende Vorhersage deutliche Hinweise auf gemeinsame Prozesse zwischen selbst- und fremdbezogenen affektiven und kognitiven Simulationsprozessen liefern, d. h. ob es dieselben Simulationsprozesse sind, die Sie in Ihre Zukunft oder in das Gehirn einer anderen Person transportieren. Das Projekt steht in engem Zusammenhang mit den anderen Projekten des SFB, die sich mit Prozessen der Selbstkontrolle befassen, insbesondere A6, und mit den Projekten, die ökologische Momentaufnahmen verwenden, hier insbesondere C1.
Projektbeteiligte
Projektleitung
Prof. Dr. Philipp Kanske
Professor für Klinische Psychologie und Behaviorale Neurowissenschaft
Phone: +49 (0)351 463-42225
E-Mail:
Dr. Emanuel Jauk
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc) an der Universität Graz
Email:
Mitarbeiter
Alexander Giesche
Doktorand
Phone: +49 (0)351 - 463 42274
E- Mail:
Lara Maliske Doctoral researcher Phone: +49 (0)351463 42464 E-Mail:
Dr. Michael Höfler
Statistician
Phone: +49 351 463 36921
E-Mail:
Andere Mitarbeiter
Prof. Dr. Anita Tusche
+1 613 533-2351
Dr. Benoit Roland
+49 341 9940-114
Projektbezogene Veröffentlichungen
Jauk, E., & Kanske, P. (2019). Perspective change and personality state variability: An argument for the role of self-awareness and an outlook on bidirectionality (Commentary on Wundrack et al., 2018). J Intell, 7, 10
https://doi.org/10.3390/jintelligence7020010
Kanske, P. (2018). The social mind: Disentangling affective and cognitive routes to understanding others. Interdisc Sci Rev, 43, 115-124
https://doi.org/10.1080/03080188.2018.1453243
Kanske, P., Böckler, A., Trautwein, F. M., & Singer, T. (2015). Dissecting the social brain: Introducing the EmpaToM to reveal distinct neural networks and brain–behaviour relations for empathy and Theory of Mind. Neuroimage, 122, 6-19
https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2015.07.082
Kanske, P., Böckler, A., Trautwein, F. M., Parianen Lesemann, F. H., & Singer, T. (2016). Are strong empathizers better mentalizers? Evidence for independence and interaction between the routes of social cognition. Soc Cogn Affect Neurosci, 11, 1383-1392
https://doi.org/10.1093/scan/nsw052
Lehmann, K., Maliske, L., Böckler, A., & Kanske, P. (2019). Social impairments in mental disorders: Recent developments in studying the mechanisms of interactive behaviour. Clin Psychol Europe, 1, e33143.
https://doi.org/10.32872/cpe.v1i2.33143
Reiter, A. M., Kanske, P., Eppinger, B., & Li, S. C. (2017). The aging of the social mind-differential effects on components of social understanding. Sci Rep, 7, 11046.
https://doi.org/10.1038/s41598-017-10669-4
Stietz, J., Jauk, E., Krach, S., & Kanske, P. (2019). Dissociating empathy from perspective taking: Evidence from intra-and inter-individual differences research. Front Psychiatry, 10.
https://doi.org/ 10.3389/fpsyt.2019.00126
Tusche, A., Böckler, A., Kanske, P., Trautwein, F. M., & Singer, T. (2016). Decoding the charitable brain: Empathy, perspective taking, and attention shifts differentially predict altruistic giving. J Neurosci, 36, 4719-4732.
https://doi.org/10.1523/JNEUROSCI.3392-15.2016
Trautwein, F. M., Singer, T., & Kanske, P. (2016). Stimulus-driven reorienting impairs executive control of attention: Evidence for a common bottleneck in anterior insula. Cereb Cortex, 26, 4136-4147.
https://doi.org/10.1093/cercor/bhw225
Winter, K., Spengler, S., Bermpohl, F., Singer, T., & Kanske, P. (2017). Social cognition in aggressive offenders: Impaired empathy, but intact theory of mind. Sci Rep, 7, 670.
https://doi.org/10.1038/s41598-017-00745-0