Bisherige Pflanzen der Woche - Der Stinkkohl
Der Stinkkohl - Symplocarpus foetidus (L.) Salisb. ex W.P.C.Barton
„Eh' des Frühlings milde Luft
Neues Leben weckt,
Ruht in Knospen tief versteckt
Aller Blüten Duft.“
Nicht nur Auguste Kurs wurde Mitte des 19. Jahrhunderts lyrisch von Frühlingsdüften inspiriert. Auch wir nehmen das erneute Erwachen der Natur mit allen Sinnen wahr und verbinden es mit duftenden Blüten, z. B. von Veilchen und Hyazinthen.
Aber Gewohntes soll man hinterfragen. Deshalb stellen wir hier mit dem Stinkkohl einen Frühblüher der ganz anderen Art aus dem Nordamerika-Revier vor. Knospen schiebt auch er aus dem Erdboden, süße Frühlingsdüfte entströmen ihnen allerdings nicht. Und das aus gutem Grund: Hauptsächlich Käfer und Zweiflügler, v.a. Fliegen, bestäuben dieses Aronstabgewächs. Sie werden durch den stechenden „Duft“ der bodennahen Blütenstände angelockt. Auf unsere Nase wirkt dieser streng und abstoßend: Beschreibungen aus der Literatur vergleichen die Duftnoten mit faulendem Fleisch, Knoblauch, einer Mischung aus Senf und Zwiebeln oder bezeichnen sie als kohlartig, widerlich, abscheulich.
Doch nicht nur Riechzellen werden vom Stinkkohl angesprochen. Früh im Jahr aus der Winterruhe erwachte Insekten haben ein feines Gespür für Wärmequellen. Die gelegentlich schon im schmelzenden Schnee blühende Pflanze nutzt dies als weiteres Locksignal für Bestäuber. Durch beschleunigte Zellatmung heizt sich der Blütenstand auf bis zu 30 °C über die Umgebungstemperatur auf (Thermogenese). Die Erwärmung verhindert Frostschäden an den Blüten, fördert die Duftausbreitung und schafft einen Schutzraum, den Insekten bei kühlen Temperaturen gern aufsuchen: Ein rotgrün-gesprenkeltes Hochblatt, die für Aronstabgewächse typische sogenannte Spatha, umhüllt den kurzen, kolbenförmigen Blütenstand mit dicht an dicht stehenden unscheinbare Zwitterblüten schützend wie eine Kapuze.
Die Energie für das Aufwärmen zieht der Stinkkohl aus seinem unterirdischen Wurzelstock (Rhizom). Er dient als Nährstoffspeicher und ermöglicht der Pflanze den frühen Austrieb im Jahr. Auch andere Frühjahrsblüher, wie Krokusse, Narzissen und Primeln, setzen auf Speicherorgane in Form von Knollen, Zwiebeln oder Rhizomen, um im Frühling die Ersten zu sein.
Natürlicher Lebensraum des Stinkkohls sind sumpfige Waldgebiete im Nordosten Amerikas. Die Blüte eines hierzulande einheimischen Vertreters der Aronstabgewächse sollte sich spätestens im Mai zeigen: Der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum L.) lockt Schmetterlingsmücken in seine ebenfalls aufgeheizten Kesselfallenblumen. Erst nach erfolgreicher Bestäubung und einer Nacht im Warmen kehren diese zurück ins Freie.
(KW 15/25)
Etwa 10.000 Pflanzenarten wachsen im Botanischen Garten der TU Dresden. Auf dieser Seite stellen wir Ihnen regelmäßig ein Beispiel aus dieser Vielfalt näher vor. Die Besonderheiten unserer wissenschaftlichen Pflanzensammlung zeigen sich auf vielerlei Art und Weise: in erstaunlichen Anpassungen, wunderlichen Namen, einer interessanten Verwendung oder auch in einer außergewöhnlichen Blütenpracht.
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