Frühjahrsexkursion nach Hamburg vom 09. bis 11. Mai 2012
Die Frühjahrsexkursion des Institutes für Baubetriebswesen mit dem Ziel Hamburg fand vom 09. bis 11. Mai 2012 statt.
Mittwoch, 09.05.2012
Jagdbergtunnel, Jena
Von der Heilit und Wörner GmbH wurden wir herzlich auf der ersten Station unserer Exkursion emp-fangen. Das Unternehmen ist für den Erd- und Straßenbau der neuen Trasse der Autobahn A4 zwischen Magdala und Jena zuständig. Einleitend fand ein Vortrag über das Gesamtprojekt statt, das Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit ist. Es wird die zu steile und zu schmale Autobahnstrecke durch das Leutratal mit seiner schützenswerten Flora und Fauna ersetzen. Kritischer Punkt waren die knapp vier Millionen Kubikmeter der zu bewegenden Erdmassen, die durch das gewählte Bauverfahren der offenen Bauweise anfielen. Dieses Verfahren wurde trotz der höheren Baukosten gegenüber einem längeren Tunnel bevorzugt, da die laufenden Kosten des Betriebs eines Straßentunnels sehr hoch sind. Die Baustellenbesichtigung fand am Westportal des rund 3 Kilometer langen Jagdbergtunnels statt. Der Oberbauleiter wies uns dabei auf die einzigartige Natursteinmauer hin. Diese ist ästhetisch sehr ansprechend. Sie stellte jedoch sowohl bei der Materialbeschaffung als auch bei der Bauausführung eine Herausforderung dar, da jeder Naturstein einzigartig ist. Dies spiegelt sich auch in den Kosten wider. Animiert von Herrn Wach fanden wir uns zu einem Gruppenfoto vor den Tunnelportalen ein.
Fertigteilwerk Klebl GmbH, Gröbzig
Im Anschluss daran wurde das Fertigteilwerk der Klebl GmbH in Gröbzig besucht. Dies zählt zu den leistungsstärksten Fertigteilwerken der neuen Bundesländer. Der Besuch begann mit einem interes-santen Vortrag zum Unternehmen, welches zu den 20 größten Bauunternehmen Deutschlands zählt und sich besonders auf schlüsselfertiges Bauen spezialisiert hat. Die wichtigsten Auftraggeber sind sowohl die Autoindustrie als auch Supermarktketten. Ein besonders interessantes Projekt war die Sanierung eines Bestandsgebäudes. Dabei blieb vom ursprünglichen Gebäude nur die denkmalgeschützte Fassade erhalten, während sich dahinter ein Fertigteilneubau anschloss. Ebenso unterhaltsam waren die unternehmensspezifischen Statistiken über den Verschleiß von Bolzenschneidern und Kabeltrommeln.
Beim Werksrundgang besichtigten wir das Lager der Einbauteile, die Herstellung der Bewehrung, die Vorspannanlage und die darauffolgende Fertigung von Stützen, Bindern und Wänden. Am Tag unseres Besuchs wurde gerade ein 48-Meter-Binder zum Abtransport vorbereitet und wir konnten dieses beeindruckende Fertigteil in real bestaunen. Um den Binder zur 12 Kilometer entfernten Autobahn zu befördern, werden voraussichtlich 2,5 Stunden notwendig sein. Der Fertigteilbau ist inzwischen essentiell für die Bauindustrie geworden, besonders bei engen Terminplänen.
Donnerstag, 10.05.2012
Forschungsprojekt European XFEL, Schenefeld
Der European XFEL ist ein internationales Forschungsprojekt. Hier werden Teams von Wissenschaftlern mit Röntgenblitzen forschen, um Prozesse im Nanobereich in Bildern festhalten zu können. Die 3,4 Kilometer lange Anlage beginnt beim DESY- Gelände in Hamburg- Bahrenfeld und endet in Schenefeld. Die Bauarbeiten für den Röntgenlaser laufen gleichzeitig auf den drei Betriebsgeländen. Sie haben im Januar 2009 begonnen und dauern bis Mitte 2014 an. Bei diesem Projekt übernimmt eine ARGE von Hochtief AG und Bilfinger Berger SE den Tunnelausbau und den Hauptteil der Rohbauarbeiten. Unser 3,5-stündiger Besuch auf der Baustelle beinhaltete zwei Vorträge und eine Führung, welche von Bilfinger Berger SE durchgeführt wurden. Die Anfahrt der Tunnelbohrmaschinen erfolgt über die patentierte „fliegende Anfahrt“, bei der sich die TBM selbst mit Hilfe einer Konstruktion gegen die Schlitzwand zieht. Dies hat große Platzeinsparungen zur Folge, da sich Tunnelbohrmaschinen im Normalfall von einem hinter der Maschine liegenden Widerlager abdrücken. Die Betondecken wurden teilweise in Dicken von bis zu 2 Metern erstellt. Hierzu wird ein Schwerbeton mit einer Dichte von 3,7 Tonnen pro Kubikmeter verwendet. Dies ist dem Strahlungsschutz geschuldet und ist so normalerweise nur im Kernkraftwerksbau vorzufinden. Weiterhin beeindruckten uns die Dimensionen der unterirdischen Halle in der später die eigentliche Forschungsarbeit verläuft. Sie ist 10 Meter kleiner als ein Fußballfeld und überdacht von riesigen Stahlbetonträgern. Zwar sind 1,4 Milliarden Euro Baukosten eine große Investition, aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden unendlich wertvoller sein.
Hafenrundfahrt, Hamburg
Um einen der größten Containerhäfen der Welt auch mal aus einer anderen Perspektive besichtigen zu können, gab es im Anschluss eine Hafenrundfahrt. Kapitän Kim präsentierte uns stolz riesige Con-tainerschiffe, die Speicherstadt, die Hafencity und die Elbphilharmonie. Mit starkem norddeutschem Akzent schilderte er uns unter anderem den geplanten Ausbau des Hafenbeckens und erweiterte unser technisches Wissen bezüglich Schiffe um jede Menge Details. Bisher kann der Hamburger Con-tainerhafen von Schiffen mit einem Tiefgang von bis zu 12,5 Metern angefahren werden. Nach dem anstehenden Ausbau wird sich dies auf 14,5 Meter erhöhen. Geplanter Beginn nach dem Plan-feststellungsverfahren war 2007, jedoch dauerte es 5 Jahre, alle Bedenken gegen die Elbvertiefung auszuräumen. Um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt und besonders ge-genüber Konkurrenzhäfen wie Rotterdam zu sichern, ist eine erneute Elbvertiefung zwingend not-wendig. Auch die 1974 eröffnete Köhlbrandbrücke entspricht nicht den Anforderungen an einen mo-dernen Containerhafen und wird in den nächsten Jahren ausgetauscht werden. Ihre lichte Höhe, die von der Tide abhängig etwa 54 Meter beträgt, ist nicht ausreichend.
Freitag, 11.05.2012
O2 World, Hamburg
Die O2 World Hamburg ist eine Multifunktionsarena für sportliche und kulturelle Veranstaltungen. Mit einer Länge von 150 Metern, einer Breite von 110 Metern und einer Höhe von 33 Metern, beträgt die maximale Kapazität 16 000 Besucher. Der Betrieb einer solchen Anlage ist eine hochkomplexe Aufgabe, weswegen Hochtief Facility Management GmbH heute neun Personen als Facility Manager beschäftigt. Beim Rundgang durch die Halle samt Kälte- und Klimaanlage durften wir den VIP-Bereich, die Umkleiden der Eishockeymannschaft und die Aufenthaltsräume der Stars besichtigen. Die Beheizung muss entsprechend der Besucherzahl geregelt werden, um angenehme Temperaturen zu ermöglichen. Die Umbauten für die verschiedenen Nutzungen der Halle, beispielsweise von Eishockeyhalle zu Konzertsaal, werden in Handarbeit ausgeführt und stellen eine besondere Herausforderung für das Facility Management dar. Bei der Vorbereitung einer Großveranstaltung, wie einem Konzert, können durch zwei Tore auf der Westseite Sattelschlepper Bühnen-, Beleuchtungs- und Lautsprechermaterial direkt in die Halle transportieren. Der Hallenboden enthält, abgesehen von den Leitungen für die Kühlflüssigkeit, darunterliegend auch Heizungsrohre, um einer Vereisung des Erdreichs entgegen zu wirken.
Die Tanzenden Türme, Hamburg
Die Tanzenden Türme sind ein Hochhausprojekt auf der Reeperbahn Nr.1 und seit September 2009 im Bau. Sie sind 85 bzw. 75 Meter hoch und das auffallende Merkmal der Türme ist die geknickte Fassadenkonstruktion aus Glas und Stahl. Laut dem Architekten stellen die Türme ein tanzendes Paar dar, Mann und Frau, die sich zum Tango bewegen. Hauptmieter und Initiator ist die Strabag AG. Die einzigartige Geometrie des Gebäudes erschwerte sowohl die Berechnung der Statik als auch den Bauablauf. Mit Hilfe von Kletterschalung konnte eine Taktung von 10 Tagen pro Geschoss erreicht werden, obwohl keines der Geschosse gleich ist. Eine Geschwindigkeit, die durchaus beeindruckt. Die im Untergeschoss liegenden Räumlichkeiten des Mojo Clubs sind auf Grund schallschutztechnischer Erfordernisse vom restlichen Gebäude vollständig entkoppelt. Der Zugang zum Club erfolgt über im Boden eingelassene Pforten. Sie lassen sich wie ein riesiges Maul hydraulisch öffnen und bedurften einer separaten Zulassung im Einzelfall. Zur Anlage gehört außerdem das Arcotel Onyx. Es zeichnet sich durch eine durchgehende dunkle Glasfassade aus. Über die Farbe der Fassade wurden lange Diskussionen geführt. Schwarz war in direkter Nachbarschaft des Fußballclubs St. Pauli nicht erwünscht und Rot auf der Reeperbahn Nr. 1 ebenfalls nicht, so dass man sich schließlich auf einen undefinierbaren Braunton einigte. Die schon eröffnete Tiefgarage erstreckt sich vier Geschosse tief und ist öffentlich. Für die Geschossnamen standen europäische Hauptstädte Pate. Als krönenden Abschluss genossen wir die Aussicht auf der Dachterrasse im 23. Stock.
Wir danken den beteiligten Firmen für die Möglichkeiten des Besuches ihrer Werke und Baustellen sowie für die gebotenen Impressionen.
Text und Fotos: Tilman Pfrommer