01.08.2022
TUD-Waldexperte zur Waldbrandlage in Sachsen und Brandenburg sowie Forderungen zum Umgang mit der Gefahr von Waldbränden
Michael Müller, Professor für Waldschutz und Waldbau an der TU Dresden, begleitet das Thema Waldbrände seit Kindesbeinen. Er ist in den besonders von Waldbränden betroffenen Gebieten in der Lausitz in den 1960er und 1970er Jahren aufgewachsen und dort Waldlehrling und Waldarbeiter gewesen. Seit 1999 sind Waldbrände Bestandteil seiner Lehre und Forschung in den Waldwissenschaften an der TU Dresden.
„Klar ist, Waldbrände haben in der natürlichen Entwicklung von Waldökosystemen in Deutschland keine Bedeutung. Sie werden, so wie auch im Fall der aktuellen Brände in Brandenburg und in der Böhmischen und Sächsischen Schweiz, fast immer von Menschen verursacht, zumeist durch Brandstiftung, mitunter infolge menschlicher Technologien. Damit ist auch klar, dass es gilt, die Prävention zu verbessern bzw. die Brände schnellstmöglich zu löschen.
Das Wissen und die Fähigkeiten dazu haben wir.
Die Anzahl der Waldbrände und die Waldbrandflächen nahmen seit den 1970er Jahren bisher stetig ab. Das liegt, trotz teilweise ansteigender Waldbrandgefahrenstufen, an den Waldstrukturen, z.B. durch den seit über 30 Jahren laufenden Waldumbau und älter werdende Wälder. Wir haben aber einige besondere Problembereiche. Das sind munitionsbelastete Flächen insbesondere in so genannten Wildnisgebieten, unzugängliche Bergbaufolgegebiete, Flächen mit besonderen Brennstoffeinträgen (z.B. Kohlenstaub) und schwer zugängliche Gebirgslagen mit erhöhten Mengen an Brennstoffen. Fast alle Großbrände (> 10 Hektar) ereigneten sich in den letzten 30 Jahren auf solchen Flächen.
Deutschland ist Weltspitze in der Überwachung: Waldbrände werden in der Regel innerhalb von zehn Minuten entdeckt. Die ersten Einsatzkräfte sind zumeist bis 15 Minuten nach Alarmierung vor Ort. Wir verfügen ebenso über das notwendige Wissen zur Waldbrandprävention und -bekämpfung. Über 99 Prozent der Waldbrände haben wir innerhalb der ersten beiden Stunden nach Alarmierung im Griff – allein in Brandenburger Wäldern brennt es im Schnitt 500 bis 600 Mal pro Jahr und nur in den seltensten Fällen weiten sich Brände so aus, wie wir es gerade erleben.
Das Problem bei Bränden wie dem aktuellen Waldbrand in Brandenburg ist, dass diese auf munitionsbelasteten Gebiete stattfinden und dort nicht gelöscht werden darf. Hier muss dringend in die Entwicklung von bodengestützten, autonomen Löschsystemen investiert werden, die es ermöglichen, zu löschen, ohne dass Menschen vor Ort sind. Außerdem erfordert das Löschen mit Wasser die Zuführung sehr großer Wassermengen. Hier kommt es auf Vorhalten von Löschwasser in enger Verteilung und großen Mengen sowie auf die Effizienz des Wassereinsatzes an. Eine Alternative, die ich gerne untersuchen und mitentwickeln möchte, besteht darin umweltverträgliche Schäume als mehrere Stunden wirksame Schaumbarrieren ablegen zu können.
Außerdem brennt es aktuell in Schutzgebieten, das heißt in Wäldern, in denen sich unsere Gesellschaft dafür entschieden hat, nicht einzugreifen und auf wirksame waldstrukturelle Waldbrandvorbeugung zu verzichten. Diese Position sollte überdacht werden. Streifen von 35 bis 50 Metern Breite, in denen man die Brandlast reduziert und Infrastrukturen schafft, beispielsweise tiefe Beastung und Brennmaterial auf dem Boden entfernt, sind ausreichend, um die vertikale Ausdehnung von Bränden zu verhindern, gut bekämpfbare Bodenfeuer zu erzwingen und Wundstreifen sowie Zugangswege für die Einsatzkräfte zu schaffen.
Wenn man das innerhalb dieser Gebiete nicht möchte, sollte man so konsequent sein, diese Gefahren, Risiken und Brandfolgen auch in Zukunft hinzunehmen und nur die Ränder zu Kulturräumen so gut sichern, dass die Brände nicht die Grenzen der dann auch vollständig zu sperrenden und ggf. freizusiedelnden Gebiete nicht überwinden können. Ich bin ausdrücklich nicht dieser Ansicht und auch der Stand des Wissens widerspricht diesem Vorgehen. Wenn die Gesellschaft aber die Erfordernisse für erfolgreiche Brandvorbeugung und Brandbekämpfung in diesen Gebieten nicht erfüllen möchte, weil andere Ziele höherrangig sind, sollte man auch nicht länger Geld für die Brandbekämpfung in diesen Gebieten ausgeben und die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren dort nicht unnötig binden oder sogar in Gefahr bringen.
Waldbrände schaden in Deutschland nicht nur dem Wald selbst, sondern auch der Umwelt und den Menschen. Mit jedem Brand werden auf unnatürliche Weise Unmengen an Pflanzen, Tieren und Pilzen getötet, Treibhausgase, Feinstaub und Gifte freigesetzt. Auch deshalb sind Methoden des vorbeugenden Abbrennens zur Brandlastabsenkung oder von Pflegemaßnahmen durch Feuereinsatz in Wäldern nicht vereinbar mit den Anliegen von naturnaher Waldbewirtschaftung, naturnahem Naturschutz und Klimaschutz. Einzig der Einsatz von Vor- oder Gegenfeuern in nicht anders zu lösenden Waldbrandbekämpfungssituationen wären akzeptabel, müssen aber professionell gehandhabt werden. Aktuell müssen wir uns der Situation anpassen und lernen mit ihr zu leben. Wir brauchen mehr Fachkräfte, müssen die Forschung und Entwicklung besser ausstatten, die Hürden für die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen verringern und die Feuerwehren für Waldbrandbekämpfung noch besser fit machen.
An der TU Dresden gibt es mehrere Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu Waldbränden. An der Professur für Waldschutz und Waldbau erarbeiten wir u.a. in den Projekten „THOR – Teilvorhaben 2“ und „HarzWB“ Waldbrandschutzkonzepte für elf besonders gefährdete Waldgebiete in fünf deutschen Bundesländern. Bis diese Konzepte genehmigt und umgesetzt werden, vergehen aber mitunter mehrere Jahre, in denen sich der Wald zudem maßgeblich verändert.
Nicht zuletzt müssen die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in der Lage sein, aufgeklärte Entscheidungen zur Waldbrandvorbeugung und zum Umgang mit Waldbrandflächen zu treffen, diese konsequent zu verfolgen und zu finanzieren. Ich plädiere dafür, dass hier Optionen geschaffen werden, die einen naturnahen, anpassungsfähigen aber ggf. auch brandhemmenden Wald belohnen. Das ist z. Z. zumeist nicht der Fall. Aktuell ist die einzige bedeutende Einnahmequelle für Waldbesitzer das Nutzholz. Einnahmen aus der Bereitstellung anderer Waldleistungen wie z.B. Naturschutz oder Erholung sind ebenso verwehrt wie aus anderen Waldprodukten wie z.B. Beeren oder Pilze. Es ist also zwingend, dass Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer trotz der zumeist gegebenen Bereitschaft zu anderen Waldleistungen großen Wert auf den Holzertrag legen müssen. Hier würden andere Vergütungssysteme – ich rede nicht von Förderung oder Schadensersatz – helfen, das Engagement der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in weitgehend sich selbst regulierenden Systemen für die Wälder der Zukunft zu nutzen.
Viele der eben genannten Möglichkeiten lassen sich jedoch in einem Gebiet wie der Sächsischen Schweiz nur sehr schwer umsetzen. Hier haben wir durch den Nationalpark, die schlechte Zugänglichkeit und den Sandstein ohnehin eine besondere Situation. Es ist zu befürchten, dass es durch die nun fehlende Vegetation und Bodenauflage zu einer verstärkten Erosion z.B. bei Starkregenereignissen kommt, Boden und Holz sich durch Wasser bewegen, ggf. Felsen sich lockern So wie im Tiefland Waldbrandflächen gesichert werden müssen, wären auch im Elbsandsteingebirge Schlussfolgerungen für Folgemaßnahmen zu ziehen. In den Tälern sollte z.B. in Flussnähe wenig Totholz verbleiben. Die Geo- und Hydrowissenschaften sowie Bergspezialisten können dazu beitragen, die Sicherheit von Wegen, Wasserläufen und Felsen im Brandgebiet zu überprüfen. Es ist ein Nationalpark. Die Entwicklung der Ökosysteme startet nach diesem extremen und homogenisierenden menschlichen Eingriff neu. Wir betreten hier Neuland. Für eine solche Situation im Elbsandsteingebirge gibt es keinen wissenschaftlichen Vorlauf und auch keine Erfahrungen in dieser Größenordnung der Betroffenheit.“
Kontakt:
Prof. Dr. Michael Müller
Professur für Waldschutz
Technische Universität Dresden
+49-351-463-31280
Email:
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