23.04.2018
Weltraumastrometrie mit Gaia: Das Universum in sechs Dimensionen
Anlässlich der zweiten Datenveröffentlichung der ESA-Mission Gaia findet am 27.04.2018, 17 Uhr, im Raum E023 des Andreas-Pfitzmann-Baus (Fakultät für Informatik, Nöthnitzer Str. 46) ein öffentlicher Vortrag statt. Die Ergebnisse der Gaia-Mission läuten eine neue Ära in der Astronomie ein. Zum ersten Mal wurden die räumlichen Entfernungen und Geschwindigkeiten von über einer Milliarde Sterne direkt gemessen.
Prof. Sergei Klioner vom Lohrmann-Observatorium der TU Dresden ist Mitglied des Leitungskomitees der Mission und wird einen Überblick über die Mission und die dann veröffentlichten Daten geben. Der Vortrag richtet sich allgemein an ein naturwissenschaftlich interessiertes Publikum und umfasst folgende Themen:
- Was ist Astrometrie?
- Die Gaia-Mission, der Satellit und sein Messprinzip
- Die Herausforderung der Datenverarbeitung
- Bedeutung für die Astronomie und Astrophysik
- Überblick ausgewählter Anwendungen
- Die Dresdner Beteiligung
Bereits ab 16.30 Uhr haben die Besucher die Möglichkeit, im gleichen Raum eine kleine Ausstellung zum Thema zu besichtigen und mit dem Gaia-Team der TU Dresden zu sprechen. Der Eintritt zum Vortrag und zur Ausstellung ist frei.
Gaia ist eine ESA-Satellitenmission, die am 19. Dezember 2013 gestartet wurde. Das Ziel ist es, die Positionen, Entfernungen und Bewegungen von mehr als einer Milliarde Himmelsobjekte zu vermessen. 19 Monate nach der ersten Gaia-Veröffentlichung stehen wir nun kurz vor der zweiten Datenveröffentlichung, die unter dem Motto "Das Universum in 6D" läuft. Die Daten werden am 25. April 2018, 12 Uhr, während einer speziellen Veranstaltung auf der ILA in Berlin durch den ESA-Wissenschaftsdirektor feierlich veröffentlicht.
Das Weltraumteleskop Gaia soll mindestens sechs Jahre im All arbeiten, wobei der jetzige Zustand des Satelliten auf zusätzliche vier bis fünf Jahre Beobachtungen hoffen lässt. Der Satellit arbeitet vollautomatisch und bewegt sich auf einer speziellen Bahn ca. 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, wo die Beobachtungsbedingungen ideal sind. Die Daten werden mit der größten je ins All geschickten CCD-Kamera von 1000 Megapixel gesammelt, komprimiert und an die Erde geschickt. Die Datenverarbeitung wird in mehreren europäischen Forschungseinrichtungen durchgeführt.
Die astrometrische Lösung, die die Positionen, Geschwindigkeiten und Entfernungen der Objekte liefert, die Gaia sieht, ist eine der größten Berechnungen in der Geschichte der Astronomie: Zirka zehn Milliarden Parameter sollen aus einer Billion Beobachtungen bestimmt werden.
Insgesamt arbeiten für Gaia europaweit mehrere Hundert Wissenschaftler, die in Gaia-DPAC (Data Processing and Analysis Consortium) organisiert sind. Der Arbeitsaufwand des gesamten Projekts auf 4000 Personenjahre geschätzt.
Gaia ist ein astrometrisches Weltraumteleskop. Das Instrument ist so konzipiert, dass die möglichst präzise Messung der Positionen von Himmelsobjekten ermöglicht wird. Die Menge an vermessenen Objekten (insgesamt ca. 1,6 Milliarden werden nun veröffentlicht) und die hohe Messgenauigkeit (bis hin zu einigen Mikrobogensekunden) sind dabei revolutionär. Ein Winkel von einer Mikrobogensekunde entspricht ungefähr der Dicke eines Blattes Papier, wenn man das Blatt von der anderen Seite der Erde aus betrachtet (d.h. aus einer Distanz von ca. 12 000 km). Dank einer speziellen Beobachtungsplanung wird jedes Himmelsobjekt von Gaia ca. 150mal pro Jahr vermessen. Die Genauigkeit der Messungen macht es möglich, winzigste Bewegungen der Himmelsobjekte zu erfassen und dadurch sowohl die Geschwindigkeit der Objekte im Raum als auch deren Entfernungen zu berechnen.
Entfernungsbestimmung ist eines der wichtigsten und schwierigsten Probleme in der Astronomie. Erst wenn die Entfernung zu einem Objekt bekannt ist, lassen sich dessen physikalischen Eigenschaften bestimmen. Am 25. April werden auch die Entfernungen von ca. 1,3 Milliarden Himmelsobjekten publiziert – ein Faktor zehntausend mehr als bisher bekannt waren. Durch die Entfernung und Himmelspositionen kann ein 3-D-Bild des Sternhimmels rekonstruiert werden. Gaia liefert aber viel mehr: Die Geschwindigkeiten der Objekte werden ebenfalls erfasst. Als Radialgeschwindigkeit wird die räumliche Bewegung der Objekte von uns weg (oder auf uns zu) bezeichnet; der an Bord befindliche Spektrograf zeichnet auch diese auf. So erstellt Gaia ein 6-dimensionales Bild des Universums. Darüber hinaus werden Farben von allen beobachteten Objekten, die Angaben zur Variabilität der Objekte und vieles mehr geliefert.
Seit 2006 wird eine Gaia-Gruppe am Lohrmann-Observatorium der TU Dresden von DLR, DFG und ESA finanziert. Sie ist Teil der internationalen Gruppe, die die astrometrische Lösung definiert und berechnet. Prof. Sergei Klioner arbeitet im Projekt Gaia seit 2000 und ist seit 2007 Mitglied des siebenköpfigen wissenschaftlichen Gaia-Leitungsteams (Gaia Science Team). Das TUD-Team ist für die Untersuchung und Beseitigung systematischer Fehler in der Lösung verantwortlich. Darüber hinaus zeichnet es für die relativistische Modellierung der Gaia-Beobachtungen, Definition und Durchführung der Tests fundamentaler physikalischer Gesetze mit Gaia-Daten, als auch für die Synchronisation und kontinuierliche Überwachung der Atomuhr des Gaia-Satelliten verantwortlich. Sehr wichtig ist dabei die Rechenzeit, die der Gruppe auf dem Hochleistungsrechner der TUD zur Verfügung gestellt wird. Bisher verbrauchten die TUD-Wissenschaftler dort ca. drei Millionen CPU-Stunden.
Informationen für Journalisten:
Prof. Sergei Klioner
Institut für Astronomie
Tel.: +49 (0) 351 463-32821
http://www.cosmos.esa.int/web/gaia
Detaillierte Informationen zur 2. Gaia-Datenveröffentlichung stehen hier:
http://sci.esa.int/gaia/59944-save-the-date-gaia-s-second-data-release-set-for-25-april