18.01.2018
Professor Fiedler 90 Jahre
Dresdner Universitätsjournal 29, Nr. 1, Seite 3
Boden als komplexe Schnittstelle in der Umwelt
Professor Dr. Hans Joachim Fiedler zum 90. Geburtstag
Der Nestor der Bodenwissenschaften an der TU Dresden beging am 30. Dezember seinen 90. Geburtstag in bewundernswerter geistiger Frische. Professor Fiedler kann auf ein langes und erfülltes Berufsleben zurückblicken. Durch sein umfangreiches Wirken hat er die Weiterentwicklung der Bodenkunde von einem zunächst agrar- und forstwirtschaftlichen Grundlagenfach hin zu einem integralen Bestandteil der modernen Umweltwissenschaften maßgeblich mitgestaltet. Gerade die „Nachhaltigkeit“ als global anerkanntes Prinzip – die UN-Vollversammlung beschloss vor zwei Jahren die weitreichende 2030-Nachhaltigkeitsagenda – ist ohne die Ressource Boden undenkbar. Mit seinen interdisziplinären Ansätzen hat H.J. Fiedler schon früh auf die Bedeutung des Bodens als Umweltmedium und dessen ausgeprägte Schnittstellenfunktion im Naturhaushalt hingewiesen. So hat er wesentlich dazu beigetragen, bei Land- und Forstwirten, Wasserwirtschaftlern und Raumplanern das Verständnis des Bodens als Bestandteil sowohl intakter als auch durch den Menschen stark veränderter Ökosysteme und Landschaften zu entwickeln. Dabei konnte er deutlichmachen, dass die vielfältige Ausprägung der Bodendecke und die komplexen Wechselwirkungen mit Wasser und Atmosphäre standörtlich differenzierte Handlungs- und Schutzkonzepte erfordern.
In Düsseldorf 1927 geboren absolvierte H.J. Fiedler im Rheinland auch seine Schulzeit. Das Kriegsende erlebte er in Mitteldeutschland, wo er in Jena bereits 1945 das Studium der Chemie, Physik und Mineralogie aufnehmen konnte und 1951 mit Auszeichnung promoviert wurde. Ebenfalls in Jena habilitierte er sich dann 1957 in den Fächern Agrikulturchemie und Bodenmikrobiologie. Es folgte im gleichen Jahr die Berufung auf die Dozentur für Pflanzenernährung an der Universität Rostock. In ungewöhnlich jungem Alter von nur 31 Jahren wurde er 1959 zum Professor für Bodenkunde und Standortslehre an die Fakultät für Forstwirtschaft Tharandt der damaligen TH Dresden berufen. Er leitete das gleichnamige Institut bzw. Wissenschaftsgebiet von 1960 bis zu seiner Emeritierung 1995. In dieser sehr langen und bewegten Zeit leistete er Beeindruckendes: Unter schwierigen materiellen und organisatorischen Bedingungen verstand es Fiedler, ein modernes und leistungsfähiges Labor aufzubauen. Dabei verband er in der Forschung Natur- und Forstwissenschaftler mit dem gemeinsamen Ziel, methodische Grundlagen sowie Probleme der forstlichen Praxis und des Umweltschutzes (was unter den politischen Bedingungen in der DDR alles andere als opportun war) wissenschaftlich fundiert und mit interdisziplinärer Ausrichtung zu bearbeiten. Beispiele sind die Schwermetallbelastung der Böden im Freiberger Raum oder die Waldschäden der Mittelgebirge bedingt durch die damals extrem hohen Schwefeldioxid-Luftimmissionen.
Als rhetorisch begabter Hochschullehrer begleitete und prägte der Jubilar mehrere Generationen von Studierenden und Doktoranden. Er betreute eine große Zahl von Qualifizierungsarbeiten. Mehr als 15 Fachbücher und über 600 Publikationen zeugen von seinem schier unerschöpflichen Eifer. Sein großes wissenschaftliches Engagement dokumentiert sich auch in der Mitarbeit bei verschiedenen, auch internationalen Zeitschriften. Obwohl die Kontakte zu Kollegen in der anderen Hälfte Deutschlands und des westlichen Auslands bis zur politischen Wende 1989 sehr erschwert oder sogar massiv verhindert wurden, wuchs die Reputation von Professor Fiedler auch außerhalb der DDR kontinuierlich. Ausdruck und Bestätigung fand dies in der Verleihung von Ehrendoktorwürden in München (1988), Trier (1989) sowie Uppsala/Schweden (1995).
Nach der Wende fiel Professor Fiedler die nicht immer einfache Aufgabe zu, als Dekan der damaligen Großfakultät Bau-, Wasser- und Forstwesen (1990–1994) den Prozess der Selbsterneuerung an der TU Dresden maßgeblich mit zu gestalten. Dabei halfen ihm wissenschaftliche Reputation und persönliche Integrität. Einige seiner weitsichtigen Ideen – wie etwa die Ausrichtung der Fakultät zu einer Plattform interdisziplinärer Umweltforschung mit einer maßgeblichen Beteiligung der Bodenwissenschaften – waren damals jedoch nicht umsetzbar; die Zeit war dafür noch nicht reif! Umso mehr mag es ihn heute mit Genugtuung erfüllen, dass Vieles von dem damals Angestrebten inzwischen (nach einer „Keimruhe“ von zwei Jahrzehnten!) an der heutigen Fakultät Umweltwissenschaften realisiert ist. Auch sein Engagement für das internationale Fortbildungsprogramm zum Umweltmanagement am „Centre for International Postgraduate Studies of Environmental Management“ (CIPSEM) an der TU Dresden hat reife Früchte getragen: Die in Zusammenarbeit mit dem UN-Umweltprogramm (UNEP) und der UNESCO betriebene Fortbildungseinrichtung besteht seit 1977. Seit 1990 sind Bundesumweltministerium und TU Dresden gemeinsame Träger. Der Jubilar hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass CIPSEM nicht nur die politische Wende überstanden hat, sondern sich danach inhaltlich und organisatorisch weiter entwickeln konnte und heute über ein weltweites Absolventen-Netzwerk verfügt, das zur zunehmenden Internationalität unserer Universität beiträgt. Das kürzlich begangene 40-jährige Jubiläum erfüllt ihn daher mit Stolz.
Trotz Ruhestand hat H.J. Fiedler sich weiterhin für die Wissenschaft eingesetzt. So wirkt er in der deutschen UNESCO-Kommission als Ehrenmitglied mit. Die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft (DBG) ernannte ihn aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste 1993 zum Ehrenmitglied. Nach wie vor ist er auch aktives Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Der Jubilar nimmt noch interessiert Anteil an den Aktivitäten seines „alten“ Instituts in Tharandt. Auf der Weihnachtsfeier beeindruckte er kürzlich durch einen feinsinnig-humorvollen Beitrag.
Seine Schüler, früheren Mitarbeiter, Freunde und Kollegen sowie die Fakultät mit der Fachrichtung Forstwissenschaften und das Institut wünschen ihm anhaltende Gesundheit, alles erdenklich Gute und weitere glückliche Lebensjahre mit seiner liebenswerten Gattin, die ihn stets mit großem Verständnis und tatkräftiger Unterstützung begleitet hat. Das Institut und die DBG würdigen den Jubilar mit einem Ehrenkolloquium am 23. Januar.
Prof. Karl-Heinz Feger & Prof. Karsten Kalbitz