Photogrammetrische Überwachung von Gletscherrandseen
Titel der Projekte
- Photogrammetrische Konzepte virtueller GLOF-Monitoring Pegel (DFG, abgeschlossen)
- Photogrammetrische Verfahren in der Vorhersage von Gletscherseeausbrüchen in Patagonien (BMBF, abgeschlossen)
- Voruntersuchungen zur Konzeption eines GLOF-Frühwarnsystems (BMBF, abgeschlossen)
Förderung
- Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
- Fondo Nacional de Desarrollo Científico y Tecnológico (FONDECYT)
Motivation
Mit dem anhaltenden Rückzug der Gletscher in fast allen Gebieten der Welt nimmt das Gefahrenpotential sogenannter Gletscherläufe oder GLOFs (glacier lake outburst flood) rasant zu. Als GLOF wird die spontane Entleerung eines glazialen Wasserreservoirs bezeichnet, welches durch den Gletscher selbst oder eine Moräne aufgestaut wurde. Die Destabilisierung dieser natürlichen Barriere, bspw. durch das Ausbilden von Tunneln unter dem Gletscher, kann zum plötzlichen Abfluss des aufgestauten Gletschersees innerhalb kürzester Zeit führen.
GLOFs führen oftmals zu katastrophalen Überflutungen talabwärts gelegener Gebiete und gehen unter Umständen mit schwerwiegenden Schäden für Mensch und Natur sowie Wirtschaft und Infrastruktur einher. Angesichts des steigenden Gefahrenpotentials besteht ein wachsender Bedarf an Konzepten für Frühwarnsysteme, welche anhand zuverlässiger Indikatoren GLOFs mit einer Vorlaufzeit von wenigen Stunden erkennen und melden können.
Zielstellung
In Zusammenarbeit mit chilenischen Partnern wurden Grundlagen für die Entwicklung eines optischen GLOF-Frühwarnsystems erarbeitet. Das Konzept basiert auf der photogrammetrischen Einzelbildauswertung, bei der aus monoskopischen Kameraaufnahmen der Wasserstand aus sicherer Entfernung bestimmt werden kann, um eine beginnende Entleerung frühzeitig zu erkennen. Grundidee bei dem vorgestellten Verfahren ist der Schnitt der aus dem Bild extrahierten Wasserlinie im Uferbereich mit einem bekannten Geländeprofil. Vorteil des berührungslosen Messverfahrens gegenüber konventionellen Pegelmesssystemen (GPS-Bojen, Drucksonden) ist die Unanfälligkeit gegen Gefahren wie Kollision mit Eisbergen, Eisbruch oder Sedimentation.
Datenakquisition & Auswertung
- Entwicklung eines Messkonzepts und Adaption der Messtechnik zur Bildsequenzaufnahme in Patagonien
- Installation mehrerer Sequenzbild-Kameras am Lago Nef und Lago Cachet II zur zeitlich hochaufgelösten Überwachung der Gletscherseen
- Erstellung eines Oberflächenmodells zum Zeitpunkt des leeren Sees (alternative Verfahren wie Laserscanning etc. möglich)
- Georeferenzierung der Bildsequenz anhand von Referenzpunkten im Gelände (bestimmt mit Zentimetergnauigkeit)
- Entwicklung und Anpassung entsprechender Methoden zur Auswertung der Sequenzbilder im Hinblick auf eine GLOF Frühwarnung:
- Kompensation der Kamerabewegungen (hervorgerufen bspw. durch Wind u. Ä.): Messen von fest installierten Zielmarken im Vordergrund und Resampling der Aufnahmen mit dem ersten Bild der Sequenz als Referenz
- Messen der Wasserlinie in Bildsequenz: Kantenbasierte Verfolgung der Wasserlinie mit adaptiven Prädiktionsbereich
- Transformation der Messwerte in den Objektraum: Schnitt des Bildstrahls mit digitalem Geländemodell des Seebodens
- Photogrammetrische Bestimmung der Gletschergeschwindigkeiten des Colonia Gletschers und Korrelation mit Gletscherseeentleerung des Cachet II
Resultate
Messungskampagne 2009/10
- Bildsequenzen von GLOF Ereignissen am Lago Nef Norte und Lago Cachet II zwischen 2009 und 2014
- Manuelle Extraktion der Wasserlinie in den Bildsequenzen entlang einer Profillinie
- Übertragung der Messergebnisse in den Objektraum auf Basis von Maßstabsinformationen und Geländeneigung aus GPS-Daten
Messungskampagne 2013/14
- Weiterentwicklung der Bildsequenzanalyse in Hinblick auf eine automatische Auswertung und Messwertskalierung anhand eines 3D-Oberflächenmodells
- Berechnung des Wasserspiegels am Lago Cachet II für verschiedene GLOF Ereignisse und Vergleich mit Daten einer lokal installierten Drucksonde
- Bestimmung und Visualisierung der Volumenänderungen des Cachet II für eine Gletscherseeentleerung
- Lokalisierung und Visualisierung der subglazialen Drainagetunnel am Colonia Gletscher während der Entleerungen des Lago Cachet II: Photogrammetrische Messung räumlich und zeitlich hochaufgelöster Bewegungsfelder von Gletschern (vgl. Schwalbe u. a., 2016b)
- Erstellung eines berührungslosen optischen Überwachungs-/Frühwarn-Konzepts für randglaziale Gletscherseen
Relevante Publikationen
Projektpartner
- Gino Casassa, Anja Wendt (Centro de Estudios Científicos, Valdivia/Chile)
Kontakt
- Prof. Dr. habil. Hans-Gerd Maas (Leitung)
- Dipl.-Wirt.-Ing. Robert Koschitzki, Dr.-Ing. Ellen Schwalbe, Dipl.-Ing. Christian Mulsow (Bearbeitung)