GNSS Geodynamik
Die Koordinaten einzelner Punkte auf der Erdoberfläche können Geodäten heute mit einer sehr hohen Genauigkeit bestimmen: wenige Millimeter in der Lage (Länge und Breite), die Höhengenauigkeit liegt ebenfalls im Subzentimeter-Bereich. Die Infrastruktur hierfür stellen verschiedene Satellitensysteme wie das amerikanische GPS und das russische GLONASS, zukünftig auch das europäische GALILEO, bereit. Diese Systeme werden unter der Bezeichnung "Global Navigation Satellite Systems" (GNSS) zusammengefasst. Um die hohe Genauigkeit zu erreichen, nutzen wir spezielle Verfahren. Zudem müssen die Vermarkung der Punkte sowie die Einrichtung und der Betrieb der GNSS-Empfänger und -Antennen entsprechend sorgfältig und aufwendig erfolgen.
Werden die Messungen wiederholt oder über einen längeren Zeitraum (Monate und Jahre) quasi-kontinuierlich durchgeführt, können Änderungen der Punktkoordinaten abgeleitet werden. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, Bewegungen der Erdkruste zu untersuchen.
In der Änderung der Lagekoordinaten sehen wir vor allem das Muster der globalen Plattentektonik. Hierunter verstehen wir die Relativbewegung der Kontinental- oder Lithosphärenplatten. Die Kontinentalplatten bewegen sich auf einer besonderen, nämlich zähflüssigen Schicht des oberen Teils des Erdmantels, der Asthenosphäre. Wir unterscheiden divergierende (konstruktive), konvergierende (destruktive) und konservative (Transform-Störungen) Plattengrenzen. So entfernen sich z.B. amerikanische und eurasische Platte mit einer Relativbewegung von 2 bis 3 cm/Jahr. Die Änderung der Höhe spiegelt vor allem die Entlastung der Erdkruste nach dem Ende der letzten Eiszeit wider. Das Verschwinden der großen Eisschilde in Nordeuropa und Nordamerika (fennoskandischer bzw. laurentidischer Eisschild) bewirkt vor allem ein Zurückfließen des zähflüssigen Mantelmaterials (in der Asthenosphäre). Dieser sogenannte glazial-isostatische Ausgleich (GIA) führt zu einer Vertikalbewegung, z.B. in Fennoskandien zu einer Landhebung mit Werten bis zu 1 cm/Jahr. In Gebieten mit noch vorhandenen Eisbededeckungen (v.a. Grönland und Antarktika) kommt es durch die Massenänderung der vorhandenen Eiskörper neben der Entlastung auch zur Belastung der Erdkruste. Somit addiert sich zum eigentlichen glazial-isostatischen Effekt noch ein elastischer Effekt, der auf diese rezenten Eismassenänderungen zurückzuführen ist. Natürlich sind auch weitere geodynamische (z.B. Erdbeben) und technogene Effekte in Koordinatenänderungen sichtbar.
Unsere Arbeitsgruppe ist vor allem in den Bereichen der kontinentalen Eisschilde Grönlands und Antarktikas sowie der patagonischen Eisfelder aktiv. Insbesondere in Antarktika ist der glazial-isostatische Ausgleich als Reaktion auf die gesamte Eisauflastgeschichte - vom letzten glazialen Maximum vor ungefähr 20.000 Jahren bis heute - noch nicht ausreichend untersucht. Mit Hilfe komplexer werdender geophysikalischer Modellierung versucht man, die zugrundeliegenden Prozesse besser zu verstehen. Mit unseren geodätischen GNSS-Messungen können wir dafür wertvolle Randwerte liefern.
International werden diese Arbeiten durch die "International Association for Geodesy" (IAG) und, insbesondere für das Gebiet der Antarktis, im Rahmen des "Scientific Committee on Antarctic Research" (SCAR) koordiniert.