West Greenland 2019

Blick auf Nuuk
Die diesjährige Grönlandexpedition führt 5 Mitarbeiter des Instituts und 2 Geodäsiestudenten in die westliche Küstenregion der Insel zwischen 67 und 71 Grad nördlicher Breite. Ziel ist es auch hier GPS-Messungen an vermarkten Felspunkten zu wiederholen, die teilweise schon seit Beginn der Arbeiten der Arbeitsgruppe im Jahr 1995 existieren. Zusätzlich sollen zwei neue Permanentstationen installiert werden. Die Reise stellt die Fortsetzung der im letzten Jahr durchgeführten Expedition dar.
Viele dieser Punkte liegen gut erreichbar in oder in der Nähe von Siedlungen an der Küste, einige befinden sich aber auch an exponierten Lokationen am Rand des Inlandeises und sind nur mit dem Hubschrauber oder per Schiff zu erreichen.
Der Verlauf der Expedition und der Fortschritt der Arbeiten wird hier durch wöchentliche Berichte präsentiert.
Mitarbeiter unsere Arbeitsgruppe sowie Studenten sind wieder polar unterwegs – diesmal in Westgrönland, wo wir im Rahmen eines durch die DFG geförderten Projekts alle GPS-Messpunkte wiederholt messen wollen. Die meisten dieser Punkte wurden 2007, 2004 oder bereits 2002 zum letzten Mal besucht – die letzten Messungen sind also mindestens 12 Jahre her. Wir haben die Messungen auf zwei Kampagnen aufgeteilt, immerhin beträgt die Distanz zwischen der nördlichsten Station in Uummannaq und der südlichsten Station in Paamiut fast 1000 Kilometer.
In diesem Jahr sollten die Messstationen im nördlichen Teil besetzt werden (vgl.
Übersichtskarte), insgesamt 20 an der Zahl (gegenüber 12 im letzten Jahr). Von der letztjährigen Messkampagne sind nur Lutz Eberlein und Mirko Scheinert wieder dabei, dazu kommen Prof. Reinhard Dietrich (der die GPS-Messungen in Westgrönland vornunmehr 25 Jahren begonnen hatte), Christoph Knöfel, Benjamin Gutknecht und die beiden Geodäsie-Studenten Cyrill Milkau und Steffen Isfort. Im Unterschied zum letzten Jahr gibt es nur zwei Tage, an denen sich alle Mitstreiter zusammen an einem Ort befunden haben: Deshalb beginnt unsere kleine Fotogalerie etwas ungewöhnlich mit einem Gruppenbild in Kangerlussuaq, kurz nach der Ankunft am Montag (26.08.2019).
In den grönländischen Siedlungen erfolgt die Stromversorgung nur mit Akku, so dass täglich ein Akkuwechsel notwendig ist (und der jeweils sich nicht im Einsatz befindliche Akku in der Unterkunft nachgeladen werden kann). Feldpunkte können dagegen mit Solarmodulen ausgestattet werden, womit eine autarke Stromversorgung sichergestellt wird. Die GPS-Antenne selbst wird auf die bereits existierende Vermarkung aufgeschraubt - wir realisieren damit eine sog. Zwangszentrierung, um mögliche Zentrierfehler auszuschließen, schließlich wollen wir ja höchste Genauigkeiten erreichen. So wurden zuerst, gleich nach Ankunft, die Ausrüstungen in Ilulissat und in Kangerlussauq aufgebaut.
Die meisten Messpunkte außerhalb der Siedlungen können nur mit Helikopter erreicht werden (in der Übersichtskarte mit einem gelben Dreieck gekennzeichnet). Am 28. August (Mittwoch) begann ein für die gesamte Kampagne entscheidender, mit Spannung erwarteter Tag: Mit zwei kleineren, dafür wendigen Helikoptern (AS350) von Ilulissat aus
sowie mit dem großen Helikopter Sikorsky S61 von Kangerlussuaq aus ging es auf Reise zu den diversen Stationen: Prof. Dietrich und Christoph in die nordöstliche Diskobucht, Ben und Mirko zur Südseite des Kangia, in unmittelbarer Nähe zur Front des Gletschers Jakobshavn Isbrae sowie Lutz und Steffen zum Gletscher Sondre Isortoq, wo sie ein Feldlager für drei Tage aufschlugen. Mit großem Erfolg haben sie dort zuerst den bereits existierenden Messpunkt und danach die neue permanente GPS-Station aufgebaut.
Für Christoph und Ben ging es am 29.09. von Uummannaq aus mit einem kleinen Schiff auf der Nordseite der Nugssuaq-Halbinsel entlang nach Westen und dort schließlich noch ein Stück nach Süden ging. Nach ca. drei Stunden Fahrt durch bewegte See - schließlich wird am westlichen Ende der Nugssuaq-Halbinsel offenes Meer erreicht - landeten sie unweit des Messpunkts [NUGS] an. Zurück, am Abend, haben Christoph und Ben dann noch den Messpunkt [UUM1] in Uummannaq selbst eingerichtet.
Der Sonnabend (31. August) war der nach Mittwoch zweite wohl entscheidende Termin, denn für den gesamten Tag war ein AS350-Helikopter gechartert. Das "Glück der Tüchtigen" war auf unserer Seite: Kurz nach 9 Uhr startete der Heli von Kangerlussuaq in Richtung Sondre Isortoq, um Lutz und Steffen vom Feldlager abzuholen. Noch vor 11 Uhr waren sie zurück; Cyrill und Mirko standen bereits bereit, so dass es nach einer kurzen Pause mit Ausrüstungen für vier weitere Messpunkte weiterging. Am Sonntag nun brachen Lutz und Steffen zum zweiten Feldlager auf. Diesmal war es ein nur kurzer Flug - ca. 40 km östlich von Kangerlussuaq, auf dem am weitesten im Inlandeis vorgeschobenen Nunatak. Dort wurde bereits im letzten Jahr eine neue Permanentstation installiert. Nun ist eine Überprüfung und Wartung dran - dann werden wir sehen, wie die Datenausbeute über ein Jahr, seit Ende August 2018, ausfällt.
Und ganz frisch ist, was Christoph und Ben zu berichten haben: Die Wetterverhältnisse erlaubten heute eine weitere Schifffahrt, diesmal von Uummannaq Richtung Osten, in den Qarajaq-Fjord. Die Fahrt war kürzer und bedeutend ruhiger als zur Nugssuaq-Halbinsel, dafür war für das Erreichen des Punktes ein längerer, kräftezehrender Aufstieg notwendig. Die Mühe wurde belohnt: Nahe zum Rand des grönländischen Eisschilds, mit Blick auf den mit kleinen Eisbergen gesprenkelten Qarajaq-Fjord konnten sie den 2007 vermarkten und erstvermessenen Punkt sofort finden. Allerdings gestaltete sich der Aufbau etwas mühsam: Kräftiger Ostwind erforderte einige Konzentration und Kraft.
Somit geht eine ereignisreiche Woche zu Ende. Bereits an 16 der geplanten 20 Stationen konnten die GPS-Ausrüstungen installiert werden. Alle Helikopter-Flüge waren unproblematisch und effizient - und natürlich war das Wetter auf unserer Seite. Somit starten wir optimistisch in die zweite Woche.
Die zweite Übersichtskarte verzeichnet gelb eingerahmt die Orte, in denen wir Unterkunft haben. Lutz hat bereits am gestrigen Sonnabend (7.9.) die planmäßige Heimreise angetreten. Die verbleibenden sechs Grönland-Expeditionisten verteilen sich auf Kangerlussuaq (Steffen), Qasigiannguit (Reinhard Dietrich), Aasiaat (Cyrill), Qeqertarsuaq (Mirko) sowie Uummannaq (Christoph und Ben).
An dieser Stelle sei ein Wissenschaftler genannt, dem die deutsche geowissenschaftliche und Polarforschung viel zu verdanken hat: Erich von Drygalski. Er leitete die Erste Deutsche Südpolarexpedition 1901 bis 1903. Vorher führten ihn seine Forschungen aber nach Westgrönland, mit einer Vorexpedition 1891 und einer Hauptexpedition vom Mai 1892 bis Oktober 1893. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern, dem Biologen Ernst Vanhöffen und dem Geophysiker Hermann Stade, führte er Forschungen in diversen Disziplinen durch, um ein detailliertes und doch umfassendes Bild des grönländischen Küstensaums mit seinen Gletschern bis zum Inlandeis zu erlangen: von der Glaziologie und Geomorphologie über Biologie, Meteorologie bis hin zu Astronomie und Gravimetrie.
Ein Hauptgebiet seiner Expedition war der Store Qarajaq (Großer Karajak-Fjord), just das Gebiet, in dem wir unseren am weitesten im Nordosten liegenden GPS-Messpunkt angelegt und 2007 erstvermessen haben. Christoph und Ben konnten bei ihrem Aufstieg zum GPS-Punkt STO1 die Lokationen der Drygalski-Expedition identifizieren.
Der Beginn der Woche war, zumindest für einige von uns, von einer regen Reisetätigkeit gekennzeichnet. So waren wir immer mindestens zu zweit, um beim gemeinsamen Aufbau der GPS-Punkte AAS3, QET1 und QAN1 einander eine helfende Hand reichen zu können. Nun sind wir also weitestgehend auf die verschiedenen Orte verteilt, wie zum Anfang bereits erwähnt.
Noch ein Wort zu den Schiffen der "Disko Line", die die Orte in der Disko-Bucht verbinden: Das sind relativ kleine Boote für maximal 12 Passagiere, die bis zu 55 km/h schnell durchs Wasser sausen. Der Wellengang scheint erst ab einer ziemlich großen Stärke abbremsende Wirkung zu haben, wie wir uns bei der recht stürmischen Überfahrt von Aasiaat nach Qeqertarsuaq überzeugen konnten.
Lutz und Steffen hatten den Sonntag (1.9.) effektiv nutzen können. Der Kampagnenpunkt NU96 wurde mit voller Datenausbeute geborgen, und die bereits im letzten Jahr installierte Permanentstation gewartet. Sie wurden am Montag nachmittag mit dem großen Sikorsky-Hubschrauber wieder abgeholt. Die sich damit ergebende günstige Zeitkonstellation nutzend fuhren die beiden am Mittwoch zu einem weiteren Punkt ca. 25 km westlich von Kangerlussuaq. Als Premiere im Laufe all unserer Feldkampagnen in Westgrönland kam diesmal ein Kleinkraftfahrzeug, nämlich ein "All Terrain Vehicle" (ATV oder Quad) zum Einsatz, versehen mit einem Hänger.
Pünktlich zum Bergfest der Kernkampagne, also am letzten Mittwoch (4.9.), waren somit alle geplanten 20 Stationen ausgebracht. Hurra! Nun geht es in der umgedrehten Weise weiter: nach fünf oder mehr Messtagen werden die Stationen wieder abgebaut. Zu Hause im Institut können aus der mehrtägigen Messreihe Punktkoordinaten (Breite, Länge und Höhe) mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern abgeleitet werden. Zusammen mit den vorherigen Messepochen erlangen wir somit hochgenaue Information über die uns vor allem interessierende vertikale Deformation.