Westgrönland 2019
Die diesjährige Grönlandexpedition führt 5 Mitarbeiter des Instituts und 2 Geodäsiestudenten in die westliche Küstenregion der Insel zwischen 67 und 71 Grad nördlicher Breite. Ziel ist es auch hier GPS-Messungen an vermarkten Felspunkten zu wiederholen, die teilweise schon seit Beginn der Arbeiten der Arbeitsgruppe im Jahr 1995 existieren. Zusätzlich sollen zwei neue Permanentstationen installiert werden. Die Reise stellt die Fortsetzung der im letzten Jahr durchgeführten Expedition dar.
Viele dieser Punkte liegen gut erreichbar in oder in der Nähe von Siedlungen an der Küste, einige befinden sich aber auch an exponierten Lokationen am Rand des Inlandeises und sind nur mit dem Hubschrauber oder per Schiff zu erreichen.
Der Verlauf der Expedition und der Fortschritt der Arbeiten wird hier durch wöchentliche Berichte präsentiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine erste kurze Meldung von uns: Wir sind gut über Rostock und Gedser nach Kopenhagen (Auto und Fähre) nach Grönland gereist.
Christoph, Ben, Reinhard Dietrich und ich sind in Ilulissat, während Lutz, Cyrill und Steffen in Kangerlussuaq arbeiten.
Die ersten beiden Punkte wurden erfolgreich aufgebaut (KANG1 und ILU1).
Morgen sind die ersten Heliflüge geplant - Daumendrücken hilft da sicherlich auch aus der Ferne.
Herzliche Grüße,
Mirko
Liebe Familien, Freunde und Kollegen,
unsere Arbeitsgruppe ist wieder polar unterwegs – diesmal in Westgrönland, wo wir im Rahmen eines durch die DFG geförderten Projekts alle GPS-Messpunkte wiederholt messen wollen. Die meisten dieser Punkte wurden 2007, 2004 oder bereits 2002 zum letzten Mal besucht – die letzten Messungen sind also mindestens 12 Jahre her. Wir haben die Messungen auf zwei Kampagnen aufgeteilt, immerhin beträgt die Distanz zwischen der nördlichsten Station in Uummannaq und der südlichsten Station in Paamiut fast 1000 Kilometer.
Wer unsere Berichte 2018 verfolgt hat, wird sich erinnern, dass die erste Kampagne im August (bis Anfang September) letzten Jahres stattgefunden hatte. Wir arbeiteten im südlichen Teil, während in diesem Jahr die Messstationen im nördlichen Teil besetzt werden sollen.
Während der ersten Tage der laufenden Kampagne sind mir, wiewohl ich die gesamte Kampagne im Detail geplant habe, einige Unterschiede zum letzten Jahr klar geworden: Die Anzahl der (geplanten) Messpunkte hat sich von 12 auf 20 erhöht. Diesmal sind wir mit sieben statt sechs Leuten unterwegs: Vom letzten Jahr sind nur Lutz und Mirko wieder dabei, dazu kommen Prof. Reinhard Dietrich (der die GPS-Messungen in Westgrönland vor nunmehr 25 Jahren begonnen hatte), Christoph, Benjamin (Ben) und die beiden Geodäsie-Studenten Cyrill und Steffen. Ebenfalls im Unterschied zum letzten Jahr gibt es nur zwei Tage, an denen sich alle Mitstreiter zusammen an einem Ort befunden haben: Deshalb beginnt unsere kleine Fotogalerie etwas ungewöhnlich mit einem Gruppenbild in Kangerlussuaq, kurz nach der Ankunft am Montag, 26. August.
Um alle Messpunkte adäquat zu besetzen, also eine Messdauer von mehreren Tagen zu realisieren, war diesmal ein noch ausgeklügeltere Planung vonnöten als im letzten Jahr. Für den Transport nach und innerhalb Grönland und final zu den Messpunkten nutzen wir diverse Vehikel: Flugzeug, Helikopter, Auto und Schiff.
Die Anreise ging wieder, wie im letzten Jahr, mit Mietauto über Rostock, mit der Fähre nach Gedser und weiter nach Kopenhagen (am 25. August). Am 26. August, früh um neun, startete der Airbus 330 von Air Greenland vom Flughafen Kastrup nach Kangerlussuaq. Nachdem das oben erwähnte Gruppenfoto "im Kasten" war, flogen Prof. Dietrich, Christoph, Ben und ich weiter nach Ilulissat. Ilulissat ist äußerst malerisch gelegen, auf der Nordseite der Mündung des Kangia (Ilulissat Isfjord) in die Diskobucht: Gewaltige, majestätische Eisberge verharren dort, weil sie durch ein unterseeische Schwelle gestoppt werden. Erst bei Springflut oder wetterverursachter Flut können sich die eisigen Giganten lösen. Das gesamte Gebiet des Kangia von der Mündung bis zur Frontregion des speisenden Sermeq Kujalleq (Jakobshavn Isbrae), des größten Gletschers auf der Nordhalbkugel, gehört seit 2004 zum UNESCO-Weltnaturerbe.
Noch am selben Tag wurde der Messpunkt in Ilulissat aufgebaut, der seitdem unter der Betreuung von Prof. Dietrich steht. Wie auch bei anderen Messpunkten in den grönländischen Siedlungen erfolgt die Stromversorgung nur mit Akku (und ohne Solarmodule), so dass täglich ein Akkuwechsel notwendig ist (und der jeweils sich nicht im Einsatz befindliche Akku in der Unterkunft nachgeladen werden kann).
Gleichermaßen haben Lutz, Steffen und Cyrill den Messpunkt in Kangerlussuaq aufgebaut - ein Punkt, der eigentlich bei jeder Kampagne dabei ist. Er liegt gleich unterhalb der Unterkunft mit dem schönen Namen KISS, ausgeschrieben "Kangerlussuaq International Science Support", am grau-milchig-trüben Gletscherfluß, der vom ca. 25 km östlich entfernten Eisrand kommend das Schmelzwasser in Richtung Sondre Stroemfjord transportiert.
Diesmal waren in weitaus größerem Umfang als im letzten Jahr Helikopterflüge geplant, um die Messpunkte abseits der Siedlungen zu erreichen. Diese Messpunkte sind auf der Übersichtskarte mit einem gelben Dreieck gekennzeichnet. Zudem sollte ein weiterer Messpunkt, den wir im letzten Jahr nicht erreichen konnten, mit einer kontinuierlich aufzeichnenden GPS-Ausrüstung versehen werden (Sondre Isortoq). Am 28. August (Mittwoch) begann ein für die gesamte Kampagne entscheidender, mit Spannung erwarteter Tag: Mit zwei kleineren, dafür wendigen Helikoptern (AS350) von Ilulissat aus sowie mit dem großen Helikopter Sikorsky S61 von Kangerlussuaq aus ging es auf Reise zu den diversen Stationen: Prof. Dietrich und Christoph in die nördöstliche Diskobucht (Eqip Sermia EGP1 und Torssukatak TORS), Ben und Mirko zur Südseite des Kangia, in unmittelbarer Nähe zur Front des Isbrae (Punkte ISB1/2/K) sowie Lutz und Steffen zum Sondre Isortoq SISO, wo sie ein Feldlager für drei Tage aufschlagen würden. Begleitet wurden die beiden von Cyrill, der nach Absetzen von Lutz und Steffen wieder mit zurück nach Kangerlussuaq flog. Das Einladen der wissenschaftlichen Fracht und die Abstimmung der anzufliegenden Ziele erfolgte in engem Kontakt mit den Heli-Piloten, die auch diesmal überaus professionell und hilfsbereit agierten.
An diesen Feldpunkten können Solarmodule installiert werden, so dass ein autarker Betrieb der Messstation über mehrere Tage unproblematisch realisierbar ist. Die GPS-Antenne selber wird auf die bereits existierende Vermarkung aufgeschraubt - wir realisieren damit eine sog. Zwangszentrierung, um also sonst mögliche Zentrierfehler auszuschließen, schließlich wollen wir ja höchste Genauigkeiten erreichen.
Am Sondre Isortoq haben Lutz und Steffen drei Nächte im Zelt übernachtet. Im Gegensatz zum letzten Jahr zeigte sich das Wetter von der besten Seite, so dass sie mit großem Erfolg zuerst den bereits existierenden Messpunkt SISO und danach die neue permanente GPS-Station SIP1 aufbauten: Der Aufwand für letztere ist beträchtlich höher, mussten doch Pfeiler mit Antenne, mehrer Solarmodule und zwei Windgeneratoren installiert werden.
Die Vierergruppe in Ilulissat halbierte sich am 29. August (Donnerstag) mit einem Schlag: Christoph und Ben flogen in aller Frühe (quasi vor dem Aufstehen, nämlich 6:35 Uhr) weiter nach Norden, nach Uummannaq. Es sollte ein langer Tag für sie werden: Da für die nachfolgenden Tage starker Wind vorausgesagt war, wurde die vereinbarte Schifffahrt auf vorgezogen, so dass es kurze Zeit nach Ankunft und Vorbereitung der Ausrüstung mit einem kleinen Schiff auf der Nordseite der Nugssuaq-Halbinsel entlang nach Westen und dort schließlich noch ein Stück nach Süden ging. Nach ca. drei Stunden Fahrt durch bewegte See - schließlich wird am westlichen Ende der Nugssuaq-Halbinsel offenes Meer erreicht - landeten sie unweit des Messpunkts NUGS an. Nach ca. sieben Stunden zurück in Uummannaq taten sie gut daran, sich zu stärken. Zum Abend hin haben Christoph und Ben dann noch den Messpunkt in Uummannaq selber eingerichtet.
Mirko flog am 30. August (Freitag) vormittags nach Kangerlussuaq. Es war vor allem der Heli-Einsatz für den Sonnabend zu besprechen und die Ausrüstung für vier weitere Feldpunkte vorzubereiten. Der Sonnabend (31. August) war der nach Mittwoch zweite wohl entscheidende Termin, denn für den gesamten Tag war ein AS350-Helikopter gechartert. Das "Glück der Tüchtigen" war auf unserer Seite: Kurz nach 9 Uhr startete der Heli von Kangerlussuaq in Richtung Sondre Isortoq, um Lutz und Steffen vom Feldlager abzuholen. Noch vor 11 Uhr waren sie zurück; Cyrill und Mirko standen bereits bereit, so dass es nach einer kurzen Pause mit den vier Ausrüstungen weiterging. Wir haben zwei Punkte TAQ1 und TAT1 auf etwa demselben Breitengrad wie Kangerlussuaq ausgebracht, in Richtung Küste (dort liegt die zweitgrößte Stadt von Grönland, Sisimiut). Danach ging es nach Norden, zum Nordre Stroemfjord, wo zwei weitere Messpunkte NOSC und NOSF zu besetzen waren. Steine sind das Material der Wahl: Die Solarmodule werden mit Hilfe von Steinen gesichert, ebenfalls werden deren Anschlusskabel sowie das Antennenkabel mit kleineren Steinen abgedeckt. - Während des ganzen Tages hatten wir wunderschönes, ja geradezu lauschiges Wetter - wie gern hätten wir noch länger die Stille und Weite der grandiosen Landschaft genossen.
Am heutigen Sonntag nun brachen Lutz und Steffen zum zweiten Feldlager auf. Diesmal war es ein nur kurzer Flug - ca. 40 km östlich von Kangerlussuaq, auf dem am weitesten im Inlandeis vorgeschobenen Nunatak. Dort hatte Lutz (damals zusammen mit Matthias) bereits eine neue Permanentstation installiert und parallel den existierenden Punkt NUNA gemessen. Nun ist eine Überprüfung und Wartung dran - dann werden wir sehen, wie die Datenausbeute über ein Jahr, seit Ende August 2018, ausfällt.
Und ganz frisch ist, was Christoph und Ben zu berichten haben: Die Wetterverhältnisse erlaubten heute eine weitere Schifffahrt, diesmal von Uummannaq Richtung Osten, in den Qarajaq-Fjord. Die Fahrt war kürzer und bedeutend ruhiger als zur Nugssuaq-Halbinsel, dafür war für das Erreichen des Punktes ein längerer, kräftezehrender Aufstieg notwendig. Die Mühe wurde belohnt: Nahe zum Rand des grönländischen Eisschilds, mit Blick auf den mit kleinen Eisbergen gesprenkelten Qarajaq-Fjord konnten sie den 2007 vermarkten und erstvermessenen Punkt sofort finden. Allerdings gestaltete sich der Aufbau etwas mühsam: Kräftiger Ostwind erforderte einige Konzentration und Kraft.
Somit geht eine an Ereignissen dicht gepackte Woche zu Ende. Bereits an 16 der geplanten 20 Stationen konnten die GPS-Ausrüstungen installiert werden. Alle Helikopter-Flüge waren unproblematisch und effizient - und natürlich war das Wetter auf unserer Seite. Damit ist die Anspannung, die ich natürlich zu Beginn der Kampagne deutlich gespürt habe, einer Freude über den bisher so überaus erfolgreichen Verlauf gewichen. Es kann also gern so weitergehen: Wir starten optimistisch in die zweite Woche.
Mit herzlichen Grüßen, im Namen aller Mitstreiter,
Mirko
Liebe Familien, Freunde und Kollegen,
der Wochenbericht beginnt mit einer Übersichtskarte, auf der ich die Orte, in denen wir Unterkunft haben, gelb eingerahmt habe. Lutz hat bereits am gestrigen Sonnabend (7.9.) die planmäßige Heimreise angetreten. Die verbleibenden sechs Grönland-Expeditionisten verteilen sich auf Kangerlussuaq (Steffen), Qasigiannguit (Reinhard Dietrich), Aasiaat (Cyrill), Qeqertarsuaq (Mirko) sowie Uummannaq (Christoph und Ben). Morgen beginnt nach Tagen relativer Ruhe wieder eine rege Reisetätigkeit, dann wird auch Ilulissat erneut ein Zentrum unserer Messkampagne sein.
Aber wir sind eine verschwindend kleine Zahl an Forschern, die unzähligen, bereits in Grönland tätigen Forschern folgen, die wiederum der Spur von Siedlern vergangener Jahrhunderte folgten bzw. in unbekannte Regionen vorstießen - den Europäern unbekannte Regionen, waren doch die Inuit die ersten Menschen in Grönland.
Die Inuit (Einzahl: Inuk) haben in mehreren Phasen von Nordwesten kommend Grönland besiedelt, nachweisbar vor ca. 4500 Jahren beginnend. Die heutigen Grönländer sind Nachfahren der letzten Migrationsphase, der Thule-Kultur. Die Nordmänner (oder Wikinger) haben's nur ungefähr 500 Jahre ausgehalten (~1000 bis Anfang des 16. Jahrunderts) - wahrscheinlich trug die einsetzende Klimaverschlechterung hin zur "Kleinen Eiszeit" wesentlich zu ihrem Verschwinden bei.
Hans Egede, ein norwegischer Pfarrer, siedelte 1721 aus Eigeninitative und nachdem er die Erlaubnis des dänischen Königs Friedrich IV. erhalten hatte, als erster Europäer nach dem Verschwinden der Wikinger, mit seiner Familie an der Westküste Grönländs - an einem Ort, dem er den Namen Godthåb ("Gute Hoffnung") gab, wo heute Nuuk, die Hauptstadt Grönlands liegt. Er kam, um zu missionieren, aber erlernte auch die Sprache und untersuchte deren Struktur. Seinen (vier) Kindern fiel es ungemein leichter, die Sprache zu lernen, und sie halfen bald bei der Verständigung. Eine erste, bahnbrechende Grammatik des Grönländischen wurde dann auch 1760 von seinem ersten Sohn, Paul Egede, verfasst. Fast einhundert Jahre später, 1850, schloss Samuel Kleinschmidt in Neuherrnhut - der Missionsstation der Herrnhuter Brüdergemeine, ebenfalls Teil des heutigen Nuuk - seine "Grammatik der grönländischen Sprache" ab, mit der er sich von einem bis dato eurozentrischen (lateinischen) Ausgangspunkt zu lösen versuchte. Er begründete damit die moderne Schriftsprache des Grönländischen. Dieses ist u.a. durch komplexe Zusammensetzungen gekennzeichnet.
Der Ortsname meines derzeitigen Aufenthalts mag dafür als einfaches Beispiel gelten:
Qeqertaq = Insel;
Qeqertarsuaq = große Insel
(Name des Ortes wie auch der (Disko-)Insel als Ganzes);
Qeqertarsuatsiaat = mäßig große Insel
(Ort zwischen Nuuk und Paamiut, wo wir im letzten Jahr eine Wiederholungsmessung durchführten).
Ein weiterer Mensch sei genannt, dem die deutsche geowissenschaftliche und Polarforschung viel zu verdanken hat: Erich von Drygalski. Er leitete die Erste Deutsche Südpolarexpedition 1901 bis 1903. Vorher führten ihn seine Forschungen aber nach Westgrönland, mit einer Vorexpedition 1891 und einer Hauptexpedition vom Mai 1892 bis Oktober 1893. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern, dem Biologen Ernst Vanhöffen und dem Geophysiker Hermann Stade, führte er Forschungen in diversen Disziplinen durch, um ein detailliertes und doch umfassendes Bild des grönländischen Küstensaums mit seinen Gletschern bis zum Inlandeis zu erlangen: von der Glaziologie und Geomorphologie über Biologie, Meteorologie bis hin zu Astronomie und Gravimetrie.
Ein Hauptgebiet seiner Expedition war der Store Qarajaq (Großer Karajak-Fjord), just das Gebiet, in dem wir unseren am weitesten im Nordosten liegenden GPS-Messpunkt angelegt und 2007 erstvermessen haben. Christoph und Ben konnten bei ihrem Aufstieg zum GPS-Punkt STO1 die Lokationen der Drygalski-Expedition identifizieren.
Und wenn ich noch einen Blick in die weitere Vergangenheit werfen darf, nämlich in die geologische Vergangenheit, dann ist zu lernen, dass der weitaus größte Teil Grönlands geologisch sehr alt ist: mehrere hundert Millionen Jahre, teilweise bis ins Archaikum reichend (4000 Mio Jahre vor heute). Das Grundgebirge wird so hauptsächlich durch Gneise gekennzeichnet. Die Disko-Insel und die westliche Hälfte der Nugssuaq-Halbinsel bilden eine bemerkenswerte Ausnahme: Deren Entstehung läßt sich auf weniger als 65 Mio. Jahre vor heute datieren (Tertiär). So herrscht dort vulkanisches Gestein vor - besonders schön läßt sich dies östlich der Arktisk Station in Qeqertarsuaq anschauen, wo Basaltsäulen und Kissenlava wie aus dem Bilderbuch zu finden sind. Eisen-Titanium-reiche Laven bilden rötliche Bänder in den bis auf Höhen von sieben, achthundert Metern steil aufsteigenden Felsflanken, deren man bei der Schiffsanreise nach Qeqertarsuaq gewahr wird.
Schiffsanreise liefert mir nun das richtige Stichwort:
Der Beginn der Woche war, zumindest für einige von uns, von einer regen Reisetätigkeit gekennzeichnet. Cyrill und Mirko flogen nach Aasiaat, wo sie sich mit Reinhard Dietrich trafen, der mit einem Schiff der "Disko Line" eintraf. Die Schiffsfahrten gingen dann weiter: Reinhard Dietrich und Mirko von Aasiaat nach Qeqertarsuaq (am Dienstag), zusammen weiter nach Qasigiannguit (am Mittwoch), und Mirko allein zurück nach Qeqertarsuaq (am Donnerstag). So waren wir immer mindestens zu zweit, um beim gemeinsamen Aufbau der GPS-Punkte AAS3, QET1 und QAN1 einander eine helfende Hand reichen zu können. Nun sind wir also weitestgehend auf die verschiedenen Orte verteilt, wie zum Anfang bereits erwähnt.
Noch ein Wort zu den Schiffen der "Disko Line", die die Orte in der Disko-Bucht verbinden: Das sind relativ kleine Boote für maximal 12 Passagiere, die bis zu 55 km/h schnell durchs Wasser sausen. Der Wellengang scheint erst ab einer ziemlich großen Stärke abbremsende Wirkung zu haben, wie wir uns bei der recht stürmischen Überfahrt von Aasiaat nach Qeqertarsuaq überzeugen konnten.
Lutz und Steffen hatten den Sonntag (1.9.) effektiv nutzen können, so dass sie mit ihren Arbeiten am Nunatak östlich von Kangerlussuaq eher fertig wurden als ursprünglich geplant. Der Kampagnenpunkt NU96 wurde mit voller Datenausbeute geborgen, und die bereits im letzten Jahr installierte Permanentstation gewartet. Deshalb wurden sie bereits am Montag nachmittag mit dem großen Sikorsky-Hubschrauber wieder abgeholt. Die sich damit ergebende günstige Zeitkonstellation nutzend fuhren die beiden am Mittwoch zu einem weiteren Punkt ca. 25 km westlich von Kangerlussuaq, nämlich der Station EIKA am Rand des Inlandeises (unterhalb der Zunge des Russell-Gletschers). Als Premiere im Laufe all unserer Feldkampagnen in Westgrönland kam diesmal ein Kleinkraftfahrzeug, nämlich ein "All Terrain Vehicle" (ATV oder Quad) zum Einsatz, versehen mit einem Hänger. Pro Strecke benötigten die beiden ungefähr 1,5 Stunden - wie gesagt, für 25 km, was gut verdeutlicht, dass die Strecke zur Eiskante durch teilweise recht schwieriges Gelände führt. Der Punkt EIKA war der vorletzte von insgesamt 20 (!) Punkten, auf denen wir während dieser Kampagne GPS-Ausrüstungen für die Wiederholungsmessungen installiert haben. Als letzte Station haben Reinhard Dietrich und ich den Empfänger in Qasigiannguit (QAN1) eingeschaltet, am Mittwoch um 20:30 Uhr Ortszeit.
Pünktlich zum Bergfest der Kernkampagne, also am letzten Mittwoch (4.9.), waren somit alle geplanten 20 Stationen ausgebracht. Hurra! Nun geht es in der umgedrehten Weise weiter: nach fünf oder mehr Messtagen werden die Stationen wieder abgebaut. Zu Hause im Institut können aus der mehrtägigen Messreihe Punktkoordinaten (Breite, Länge und Höhe) mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern abgeleitet werden. Zusammen mit den vorherigen Messepochen erlangen wir somit hochgenaue Information über die uns vor allem interessierende vertikale Deformation.
Christoph und Ben sind am Donnerstag zur Nugssuaq-Halbinsel und am gestrigen Sonnabend zum Store Qarajaq wieder per Schiff unterwegs gewesen, um die beiden Messpunkte NUGS und STO1 zu bergen. Christoph: "Unterwegs begegneten uns allerlei Fischer in ihren relativ kleinen, aber schnellen Booten (meist vom Typ POCA 600, 6m Länge). Unser Skipper Paaluk schaute ihnen sehnsüchtig hinterher - wäre er doch gern dabei gewesen bei der Jagd auf den Großen Schwertwal, besser bekannt als Orca. Wohlgemerkt, Orcas werden mit 7 bis 8m Länge ziemlich groß und sind selbst gefährliche Jäger... Die Anwesenheit von Orcas in der Fjordmündung macht sich durch weniger Robben im Inneren des Fjords bemerkbar bzw. - im Winter - durch mehr Robben auf dem Eis, denn sie flüchten vor den Raubtieren... Der Store-Qarajaq-Gletscher ist hauptsächlicher Eisbergverursacher im Fjord und beschert uns täglich vor Uummannaq eine ganz fantastische Aussicht. Es kommt auch schon mal vor, dass sich ein Eisberg vor die Hafenausfahrt schiebt und so den Verkehr weitestgehend lahmlegt. Dann muss der passende Wind her, um wieder Platz zu machen. Im östlichen Teil des Fjords begrüßte uns neben spiegelglatter See ein dichtes Feld von Eisbrocken kleinerer bis mittlerer Größe. Die leichte Sorge um die Erreichbarkeit unserer Station wurde von der grönländischen Gelassenheit unseres Skippers beseitigt. Er kurvte mit viel Spaß im Slalom zwischen den kleinen Eisberge hindurch, und wir erreichten sicher unsere Anlegestelle."
Lutz ist bereits nach Hause gereist, um für ihn die Zeit zu begrenzen, begibt er sich doch gleich in die Vorbereitung der nächsten Expedition in die Antarktis.
Damit möchte ich für heute enden und grüße alle herzlich - im Namen aller Dresdner Grönlandfahrer,
Mirko
Liebe Familien, Freunde und Kollegen,
nachdem am 4. September alle GPS-Stationen ausgebracht waren, immerhin an 20 verschiedenen Punkten, konnten wir hoffen, dass alle Ausrüstungen ordentlich laufen und entsprechend Daten aufgezeichnet würden. Ebenfalls waren die sechs Feldarbeiter auf fünf verschiedene Orte verteilt.
Nach einer Messzeit von mindestens vier bis fünf Tagen konnte daran gedacht werden, die Ausrüstungen wieder einzuholen. Wie vor einer Woche berichtet, taten dies Christoph und Ben bereits für die mit Schiff anzusteuernden Punkte an der Nugssuaq-Halbinsel und am Store Qarajaq. Und dies bedeutete auch, dass wir wieder reisten und zusammenkamen, wenn auch weiterhin an verschiedenen Orten.
Christoph, Ben und Mirko trafen sich am Montag (9. Sept.) in Ilulissat, die ersten beiden mit Linienflug von Uummannaq kommend (allerdings muss man da erst mit dem Helikopter von Uummannaq nach Qaarsut fliegen, um dort in die Dash-8 zu steigen). Mirko fuhr an Bord des Schiffes "Nanoq" (Eisbär) der Disko Line und nahm dabei die Zargeskiste mit der in Qeqertarsuaq abgebauten Ausrüstung mit. Wir haben in Ilulissat ein Auto gemietet, um die diversen Fahrten zum und vom Flughafen, teilweise ja mit vielen Zarges-Kisten, zu bewerkstelligen.
Für Dienstag und Mittwoch (10.+11. Sept.) waren Helikopter-Flüge mit der Bell-212 von Ilulissat aus geplant, um insgesamt neun Feldstationen einzuholen. Auch hier war uns das Wetter wohlgesonnen; insbesondere am Dienstag hingen die Wolken noch tief über Ilulissat, es wurde aber sowohl nach Süden als auch zum Eisrand hin besser. Die südliche Runde führte uns mit Tankstopps in Aasiaat und Kangerlussuaq zu den Punkten im Querprofil zwischen Kangerlussuaq und Sisimiut sowie zum Nordre Stroemfjord. Insgesamt haben wir dabei über 600 km zurückgelegt... Am Mittwoch war die nördliche Runde dran, von Ilulissat zum Sermeq Kujalleq (Isbrae), zum Eqip Sermia und zum Punkt am östlichen Ende des Torssukatak-Fjords.
Die grandiose Landschaft mit dem grönländischen Eisschild und seinen großen Gletschern bot erneut einen überwältigenden Anblick: Eiszeit in Aktion! Insbesondere war der Rückgang der Gletscher anhand der Seitenmoränen und der den Gletscherhöchststand anzeigenden "trim line" deutlich zu sehen. Quantifizieren läßt sich der Rückgang aber mit dem menschlichen Auge allein nicht - dafür nutzen wir die verschiedenen auf Satelliten montierten Sensoren, die uns optische und Radaraufnahmen oder Messungen der sich ändernden Anziehungskraft liefern.
Ben flog am Dienstag nach Kangerlussuaq, rechtzeitig, um am Mittwoch zusammen mit Steffen die Ausrüstung vom Punkt Eiskante abzubauen. Wiederum mit dem ATV gelang eine störungsfreie Fahrt von Kangerlussuaq zum Eisrand und zurück.
Reinhard Dietrich und Cyrill trafen sich in Aasiaat, ersterer samt Ausrüstung ebenfalls am Dienstag von Qasigiannguit kommend. Gemeinsam haben sie den Punkt in Aasiaat geborgen und die beiden Kisten als Seefracht aufgegeben.
Als (fast) letzter Punkt war Kangerlussuaq dran - mit vereinten Kräften von Steffen, Ben sowie Reinhard Dietrich und Cyrill (die am Donnerstag vormittag nach Kangerlussuaq flogen) wurde die Ausrüstung nach 24:00 UTC, also nach 22:00 Uhr Ortszeit am Donnerstag (12.09.) abgebaut.
Letzter Punkt stimmt also nicht ganz - Christoph und Mirko sind nach wie vor in Ilulissat und werden dort noch bis Dienstag (17.09.) bleiben. Also haben wir nochmal den GPS-Punkt ILU1 aufgebaut sowie zusätzlich eine der freigewordenen Ausrüstungen auf dem Exzentrum ILU2. Normalerweise richtet der Geodät für langfristige Messungen eine Punktgruppe ein, die neben dem Hauptpunkt ein Exzentrum oder sogar mehrere Exzentren umfasst, so dass bei Beschädigung oder gar Verlust des Hauptpunkts die Messreihe an einem der Exzentren fortgesetzt werden kann. Natürlich muss aber vorher die gegenseitige Beziehung geodätisch bestimmt werden.
Ja, damit haben wir überaus erfolgreich alle ursprünglich geplanten Messpunkte besetzt und wieder geborgen. Die Daten sind bereits gesichert. Die detaillierte Auswertung erfolgt dann in Dresden - ein erster Blick, quasi eine erste Kontrolle, zeigt aber, dass nahezu vollständig Daten aufgezeichnet wurden. Christoph und Mirko beschäftigen sich bereits ausführlich mit der Datenaufbereitung und -dokumentation sowie diversen Berichten und Abrechnungen.
Reinhard Dietrich, Ben, Cyrill und Steffen haben dagegen am gestrigen Sonnabend die Heimreise angetreten - mit dem Airbus 330 von Air Greenland nach Kopenhagen und weiter am heutigen Sonntag per Schienenersatzbus und Zug... sie sind (hoffentlich) bereits gut zu Hause angekommen.
Als kleine Ergänzung erlaube ich mir heute ein paar Worte zur Logistik. Die gesamte wissenschaftliche Fracht geht mit Schiffsfracht von Uummannaq, Aasiaat, Kangerlussuaq und Ilulissat (wo wir den Hauptteil am morgigen Montag aufgeben werden) mit den Schiffen der Royal Arctic Line (RAL) nach Aalborg in Dänemark, und von dort aus weiter mit Landtransport nach Dresden. Insgesamt sind das ca. 1,2 Tonnen Rückfracht.
Für den Transport von Kopenhagen nach Grönland sowie in Grönland haben wir als Passagiere oder sogar als Selbstfahrer die folgenden Flug- und Fahrgeräte genutzt:
- Airbus 330: Transatlantikflug von Kopenhagen nach Kangerlussuaq und zurück;
- Dash 8: Linienflüge in Grönland;
- Helicopter Sikorsky S61-N, Bell-212 und AS350-B zum Erreichen der Feldpunkte;
- ATV für die Fahrt zur Eiskante bei Kangerlussuaq;
- Mietauto Suzuki in Ilulissat;
- Linienschiffe der Disko Line (Aarluk = Orca, Nanoq = Eisbär, Amaroq = Polarwolf und Arfivik = Grönlandwal);
- das Schiff von Paaluk in Uummannaq (ein Targa 25) für die Fahrten nach Nugssuaq und Store Qarajaq.
Damit möchte ich den dritten Wochenbericht beenden - es ist dies der letzte Bericht von unserer diesjährigen Messkampagne in Westgrönland. Mein Dank gilt allen Ko-Feldarbeitern, den Kolleginnen und Kollegen im Institut, und vor allem den Familien und Freunden zu Hause für die Unterstützung über die tausende Kilometer hinweg und das Daumendrücken und dafür, dass wir alle diese weite und lange Reise antreten durften.
Mit herzlichen Grüßen verbleibt Ihr / Euer Mirko (Scheinert)