28.02.2018
Netzwerk unterstützt „Durchgehend Elektrische Lieferkette“ mit Hauptlauf auf der Schiene
Presseinformation des Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V.
„Detailliert und problembewusst“ ist die To-do-Liste des Koalitionsvertrages im Schienenverkehr aus Sicht der Wettbewerbsbahnen im Schienengüterverkehr ausgefallen. NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling: „Die Regierung will an vielen richtigen Stellschrauben gleichzeitig ansetzen, um die Schiene stärker zu machen – so ist es richtig!“ Im gleichen Atemzug schränkt Kerkeling ein: „Ob der Gütertransport in Zukunft aber wirklich sicherer, ressourcenschonender und umweltverträglicher als heute aussehen wird, steht trotzdem auf einem anderen Blatt!“ Drei Gründe führt Kerkeling für seine Zurückhaltung an: „Erstens will Berlin auch den Lkw und das Binnenschiff parallel fördern, teils mit den gleichen Instrumenten. Zweitens fehlen glaubhafte Aussagen zur soliden Finanzierung der angekündigten Maßnahmen. Und drittens betrachten die Verkehrspolitiker von CDU, SPD und CSU den Schienenverkehr immer noch durch die getrübte Brille der Deutschen Bahn AG!“
Bei einer Veranstaltung des Netzwerks wandte sich Geschäftsführer Peter Westenberger am Mittwochabend in Berlin dennoch gegen Verzagtheit: „Unsere Unternehmen wollen wachsen. Wir drängen daher darauf, das Vage im Koalitionsvertrag wie auch im dort zitierten Masterplan Schienengüterverkehr schnellstmöglich durch klare Beschlüsse zu konkretisieren.“ Die Finanzierung von Forschung, Innovationsförderung, höheren Infrastrukturinvestitionen und der weiteren Maßnahmen des Koalitionsvertrages benötige ähnlich wie in der Schweiz eine stabile gesetzliche Finanzierung. Die könne auf der Einnahmenseite durch den Abbau kontraproduktiver Subventionen wie des Dieselsteuerprivilegs verlässlich ausgestaltet werden und dem Markt im selben Atemzug preisliche Impulse geben, die in dieselbe Richtung wirken. Westenberger: „Es darf nicht um Subventionen für unflexible und todgeweihte Betriebsweisen gehen. Vorrangig müssen Investitionen und anwendungsbezogene Forschung zur Effizienzsteigerung mit Langzeitwirkung durch den Staat angestoßen und unterstützt werden.“
Anlässlich der Präsentation eines an der TU Dresden entwickelten Konzepts für eine durchgehend elektrische Lieferkette (DEL) hatte das Netzwerk die Innovationsförderung als wichtigsten Bestandteil der künftigen Schienenverkehrspolitik des Bundes bezeichnet. Westenberger: „Die teils noch aus dem vorvergangenen Jahrhundert stammenden Betriebsweisen müssen ohne Abstriche an der Sicherheit modernisiert werden. Dazu muss Berlin an der richtigen Stelle investieren und Anreize setzen. Dann, aber auch nur dann, würden die Bahnunternehmen den Expansionskurs der Schiene an „vorderster Front“ durch Investitionen stützen.“
Tobias Pollehn von der TU Dresden präsentierte einer illustren Gruppe von Multiplikatoren die „Durchgehend elektrische Lieferkette (DEL)“. Pollehn: „Wir wollen Waren auf der Schiene in ein stadtzentrumnahes Verteilzentrum, das Bahn-City-Portal (BCP), bringen. Dort werden die Güter automatisch umgeschlagen und mit Elektro- oder Hybrid-Fahrzeugen verteilt. Die Transportkette soll auch in umgekehrter Richtung funktionieren: Sammlung mit E- und Hybrid-Fahrzeugen, automatischer Umschlag in BCP, Hauptlauf auf der Schiene.“ In der anschließenden lebhaften Diskussion wies Pollehn auf die Bedeutung citynaher Flächen für die Umladung hin, die durch Expressverbindungen auf der Schiene miteinander verbunden werden sollen. Pollehn: „Jetzt und nicht in zehn Jahren müssen wir die Flächen sichern, wenn wir das Konzept umsetzen wollen!“ Ludolf Kerkeling pflichtete dem bei: „Wir reden seit Jahrzehnten von der Verlagerung von Verkehren auf die Schiene. Während die Schiene im Personenverkehr weiterhin ihre Kunden schnell mitten in die Städte bringe, habe man die Güterbahnhofareale in den meisten Zentren für Wohn- und Gewerbezwecke verkauft. Heute gebe es deswegen nur noch wenige Flächen für eine citynahe Umladung von der Schiene auf smarte, elektrisch betriebene Verteilfahrzeuge. Kerkeling: „Die Kommunen müssen mit Unterstützung des Bundes Flächen sichern, sonst wird der wachsende Transport von Klein- und Kleinstsendungen eine immer größere Flut von Transportern auf die Stadtstraßen bringen.“
Das von einer Gruppe um Prof. Dr.-Ing. Rainer König von der TU Dresden entwickelte Konzept finden Sie hier!
Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V. wurde im Jahr 2000 gegründet, um die Interessen des nichtbundeseigenen Schienengüterverkehrs gegenüber der Politik, den Behörden, der Deutschen Bahn AG als Infrastrukturbetreiber und der Industrie zu vertreten. Immer stärker rücken intermodal faire Wettbewerbsbedingungen und die Umsetzung der politisch gewollten Verkehrsverlagerung in den Vordergrund der Verbandstätigkeit. Die Erfolgsgeschichte der Wettbewerbsbahnen begann mit der Öffnung des Marktes 1994 und setzt sich seitdem kontinuierlich fort. Der Verband besteht derzeit aus 48 Unternehmen, die vor allem im Schienengüterverkehr aktiv sind und nicht zum DB-Konzern gehören. Die Mitgliedsunternehmen beschäftigen rund 4.500 Mitarbeiter und nähern sich mit ihrem Umsatz der 1,5 Milliarden-Euro-Grenze. 2016 betrug die Leistung der Wettbewerbsbahnen ca. 47,5 Milliarden Tonnenkilometer. Der Marktanteil der Wettbewerbsbahnen im deutschen Schienengüterverkehr beträgt damit 40,9 Prozent.