Befragung: Wie verändert Corona unsere Mobilität langfristig?
Was wird untersucht?
Am 20.03.2020 wurde die Befragung zum Mobilitätsverhalten während der Corona-Pandemie gestartet. Ziel ist es, herauszufinden, ob und wie sich die plötzlichen und starken Eingriffe in das gewohnte Mobilitätsverhalten während der Corona-Pandemie aktuell und dauerhaft auswirken. Die Wahl des Verkehrsmittels ist keine Entscheidung, die jeden Tag neu getroffen wird, sondern stark von Gewohnheiten abhängig. In so genannten Umbruchsituationen (z.B. Jobwechsel, Umzug, Familienzuwachs) werden solche Entscheidungen neu überdacht. Der Corona-Ausbruch bietet für die Verkehrsforschung die Chance, solche sog. Transitionsprozesse umfangreich zu untersuchen, da aktuell fast alle von mehr oder weniger drastischen Einschnitten betroffen sind. So kann die Wirkung dieser extremen Umbruchsituation auf ganze Gruppen untersucht werden und u.a. Fragen dazu beantwortet werden, wie Menschen in dieser Umbruchsituation ihre Mobilität gestalten und welche Verkehrsmittel in der Krise besonders gefragt sind.
Wer hat bisher teilgenommen?
Bisher konnten die Datensätze von 5.010 Teilnehmer*innen aus Deutschland ausgewertet werden. Etwa die Hälfte der Befragten ist weiblich (49%). Mit 42 Prozent macht die Gruppe der 30 bis 50-Jährigen den größten Anteil unter den Befragten aus, gefolgt von der Gruppe der 18 bis 30-Jährigen (30%) und der 50 bis 65-Jährigen mit 23 Prozent. Die geringste Beteiligung (1%) wird bei der Gruppe der 14 bis18-Jährigen verzeichnet, gefolgt von der Gruppe der 65+ Jährigen mit knapp 4 Prozent.
Abbildung 1 - Geschlechterverteilung nach Altersgruppen
Was für eine Situation wird geschildert?
Zum Zeitpunkt der Befragung bestanden für nahezu alle Befragten (99,3%) eine oder mehrere der folgenden Einschränkungen:
- Schul-/Universitätsschließungen,
- Schließung von nicht lebensnotwendigen Geschäften,
- Reduzierung sozialer Kontakte (social distancing),
- freiwillige Selbst-Isolation,
- Isolation/Quarantäne,
- verpflichtende Ausgangssperre,
- Verbot von Zusammenkünften mehrerer Personen (z.B. mehr als 5 Personen).
Dabei waren 96 % der Befragten von zwei oder mehr Maßnahmen betroffen. Fast alle Befragten sind von der Einschränkung sozialer Kontakte betroffen (95%). In der Mehrzahl der Fälle (54 %) bestanden die Einschränkungen zum Befragungszeitpunkt bereits seit ein bis drei Wochen. Keine aktuellen Einschränkungen wurden lediglich von 0,7 Prozent der Befragten berichtet.
Wie hat sich das Mobilitätsverhalten verändert?
Mehr als die Hälfte (59%) der Befragten geben an, dass sich ihre Verkehrsmittelnutzung seit Ausbruch des Corona-Virus geändert hat. Für die einzelnen Verkehrsmittel zeigen sich dabei die größten Auswirkungen beim Öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie beim Rad- und Fußverkehr. Während die Befragten beim Nah- und Fernverkehr angeben, diesen etwas oder deutlich weniger zu nutzen, ergibt sich für den Rad- und Fußverkehr ein gegenteiliges Bild. Aktuell sind mehr Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Beim Pkw als Verkehrsmittel hält sich der Anteil der Personen, die etwas oder deutlich weniger fahren in etwa die Waage mit denjenigen, die aktuell etwas oder deutlich mehr mit dem Pkw unterwegs sind.
Abbildung 2 - Nutzung verschiedener Verkehrsmittel seit Ausbruch des Coronavirus
Dabei ist zu beachten, dass nahezu alle Befragten (98%) den Wegfall mindestens eines sonst üblichen Weges berichten. Etwas mehr als zwei Drittel berichten den Wegfall von Wegen durch Telearbeit bzw. home office sowie durch die Absage von Terminen. Auch durch Video- und Telefonkonferenzen sind bei der Hälfte der Befragten Wege entfallen. Am stärksten ausgeprägt ist der Wegfall von Wegen zu Freizeitzwecken (Ausflüge, Besuche, o.ä.); die überwiegende Mehrheit (87 %) ist hiervon betroffen.
Betrachtet man verschiedene Verkehrsmittel im Detail zeigt sich, dass der ÖPNV am meisten an Nutzern verloren hat. Hier ist die Zahl der Wechsler im Vergleich mit dem Pkw, Fahrrad oder zu Fuß gehen am höchsten. Am wenigsten wurde beim zu Fuß gehen und Radfahren gewechselt. Befragte, die vor Ausbruch des Corona-Virus das Auto für ihren häufigsten Wegezweck genutzt haben und aktuell ein anderes Verkehrsmittel nutzen, sind vorrangig zum Fahrrad gewechselt oder gehen zu Fuß. Nutzer des ÖPNV haben ebenfalls zur aktiven Mobilität gewechselt, nutzen jedoch auch verstärkt den Pkw.
Abbildung 3 - Verteilung des Wechsels auf andere Verkehrsmittel; Angaben in Prozent; o.l.: vom Pkw, o.r.: vom ÖPNV, u.l.: von zu Fuß, u.r.: vom Fahrrad
Gefragt nach den Gründen, aus denen seit Ausbruch des Corona-Virus ein anderes Verkehrsmittel genutzt wird geben die ehemaligen ÖPNV-Nutzer im Mittel 1,85 (SD = 0,91) Gründe an. Das, am häufigsten gewählte Motiv ist die Verringerung der Ansteckungsgefahr für mich selbst. Dieser Aussage haben 87 % der befragten ÖPNV-Nutzer, die zu einem anderen Verkehrsmittel gewechselt sind, zugestimmt. Auch um die Ansteckungsgefahr für andere zu verringern wird auf die Nutzung des ÖPNV verzichtet, 65 Prozent haben dieser Aussage zugestimmt.
Die Mehrheit der befragten ÖPNV-Nutzer, die aktuell ein anderes Verkehrsmittel nutzen geben an, nach der Krise wieder Bus und Bahn nutzen zu wollen. Rund 16 Prozent sind noch unentschlossen. Knappe 23 Prozent stimmen der Aussage eher oder voll und ganz zu, den ÖPNV nach Ende der Corona-Krise noch eine Zeit lang zu meiden.
Abbildung 4 - Zustimmung und Ablehnung der ehemaligen ÖPNV-Nutzer zur Aussage „Nach der Corona-Krise werden ich den ÖPNV noch eine Zeit lang meiden.“ in Prozent
Wie geht es weiter?
Um Fragen wie: „Welche Verkehrsmittel werden auch nach Ende der Corona-Krise häufiger/ seltener genutzt?“ und „Welche Personen haben ihre Änderungen beibehalten oder sind wieder zum gewohnten Verkehrsmittel zurückgekehrt?“ zu beantworten, wird nach Ende der Corona-Krise eine Folgebefragung gestartet.
Kontakt: Dr. rer. pol. Angela Francke
Autorinnen: Juliane Anke, Lisa-Marie Schaefer, Angela Francke
Stand: 03.05.2020