13.08.2020
Von Flow bis Fogg: Welche theoretischen Modelle bieten eine Grundlage für die Entwicklung eines adaptiven Lernspiels? (2/4)
Für die Entwicklung eines adaptiven Lernspiels existiert eine Reihe verschiedener Vorgehensweisen und theoretischer Modelle, die als Grundlage für den Konzeption und Entwicklung adaptive Lernwege herangezogen werden können. In diesem Beitrag werden einige Modelle und Theorien, welche dem Projekt "E.F.A." als Basis zur Ausgestaltung der adaptiven Lernwegsteuerung dienen, vorgestellt. Im vorangegangenen Beitrag wurden bereits drei grundlegenden Begriffe definiert: Das Tutorielle Modell definiert "wie" Lerninhalte eingebunden sind im Lernspiel, das Domänen-Modell definiert "welche" Lerninhalte existieren und das Lernenden-Modell enthält eine Menge an Spieldaten des*der einzelnen Lerners*in (vgl. Meier 2019, S. 4).
Competence-based Knowledge Space Theory (CbKST)
Eine wichtige Frage bei der Entwicklung digitaler Lernspiel ist die nach einer optimalen Struktur des Lernenden-Modells und damit der Zuordnung von Performanz-Werten zu den einzelnen Lerninhalten. Diese Werte beschreiben, wie gut ein*e Lerner*in den Lerninhalt beherrscht. Die Art und Weise, wie der*die Spieler*in mit den Lerninhalten in Berührung kommt, kann variieren (z. B. Minispiele, Bilder, Videos oder andere Formen der Präsentation). Diese Bausteine eines Spiels werden als Lernobjekte (LO) bezeichnet (vgl. Kopeinik 2012, S.2). Sie haben die Aufgabe, Wissen zu vermitteln und zu testen. Ein LO bezieht sich also immer auf einen bestimmten Wissensstand (vgl. Falmagne 2011, S. 23). Um diesen Wissensstand, also ein vollständiges Verständnis den Lernobjekts zu erreichen, sind bestimmte Wissensobjekte Grundlage. Da es in einem Lernspiel eine Vielzahl von LO gibt, welche voneinander abhängige Wissensstände und Wissensobjekte vermitteln, entsteht für jedes adaptive Lernspiel eine individuell Wissensstruktur. Die Wissensstruktur ermöglicht es somit, einem Lernobjekt einen Performanz-Wert zuzuordnen auf dessen Basis Entscheidungen bzgl. des adaptiven Verhaltens des Lernspiels zu treffen. Dieses theoretische Grundverständnis für die Entwicklung adaptiver Lernumgebungen wird von Falmagne und Doignon (Falmagne 2011) mit Hilfe der Competence-based Knowledge Space Theorie beschrieben.
Flow Theorie
Die Flow-Theorie von Csikszentmihalyi (vgl. Csikszentmihalyi 1990) ist eine der am häufigsten zitierten Theorien, die sich mit den psychologischen Grundlagen der Motivation befasst. Befindet sich der*die Lerner*in im Flow, besteht eine optimale Balance zwischen der Herausforderung (Aufgabe) und den eigenen Fähigkeiten, diese zu bewältigen. Das Ziel eines adaptiven Lernspiels ist es, den*die Lerner*in im Flow zu halten und somit die Motivation sicherzustellen. Je höher die Motivation ist, desto positiver wird das Lernen sein (vgl. Sailer 2016). Das Erreichen des Zustands "Flow" hängt von bestimmten Voraussetzungen ab. Das wichtigste ist dabei die optimale Ausgewogenheit zwischen dem Risiko des Scheiterns (umsetzbar mit Spielzeit, Levels oder Game Over) und der Chance, ein Spiel erfolgreich abzuschließen (darstellbar mit dem Freischalten des nächsten Levels, dem Gewinnen von Punkten). Das heißt, der Lernpfad muss so gestaltet sein, dass sich der Spieler beim Erledigen der Lernaufgaben nicht unterfordert fühlt, weil er dann weniger motiviert sein wird, die nächsten Aufgaben zu erledigen (vgl. Csikszentmihalyi 1990 und Streicher 2016). Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, ein dynamisches System zu implementieren, das z. B. die Aufgabe hat, den Schwierigkeitsgrad im Laufe der Zeit anzupassen. Dies stellt eine der großen Herausforderungen bei der Entwicklung eines adaptiven Lernspiels dar, da jeder Einzelne in unterschiedlichem Maße bestimmte Fähigkeiten und Stärken mitbringt, die für die Spielentwickler*innen nicht vorhersehbar sind (vgl. Streicher 2016).
Fogg Behavior Model
Häufig besteht die Aufgabe eines Lernspiels nicht nur darin, eine bestimmte Tätigkeit mehrmals hintereinander auszuführen, sondern auch das Verhalten der Spieler*innen langfristig zu beeinflussen (vgl. Streicher 2016). Ein bekanntes Modell für Verhaltensänderungen ist das Fogg Behavior Model (FBM) (vgl. Fogg 2009). Während sich die Flow-Theorie nur auf die Spielermotivation bezieht, bietet das FBM eine Theorie für die Entwicklung von Fähigkeiten.
Das erreichen einer Verhaltensänderung basiert auf drei Faktoren: auf vorhandener Motivation und Fähigkeit sowie auf einem Auslöser (vgl. Streicher 2016). Eine automatische Anpassung der Lerninhalte an die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Spieler*innen, unter Berücksichtigung der Motivation, führt zu einer erhöhten Spielbarkeit und Spielerfahrung. Um diese automatische Anpassung zu ermöglichen, muss ein Leistungsbewertungssystem implementiert werden. Dieses System erfordert bestimmte Parameter, die sich aus dem Verhalten des*der Spieler*in ergeben.