FCP: Business | Projekte
Mit einer Promotion stehen Wissenschaftler:innen auf dem außer-universitären Arbeitsmarkt zahlreiche attraktive Karrierewege offen.
Aber neben Fachwissen werden auch einschlägige Schlüsselkompetenzen erwartet.
Das Future Career Program: Business vermittelt den Teilnehmer:innen nicht nur grundlegende Kenntnisse zu den Themenbereichen Projektmanagement, BWL, Führung und Teamentwicklung, Karriereplanung und Selbstmarketing.
Sie erhalten darüber hinaus auch die Gelegenheit, das erlernte Wissen anzuwenden und in einem gemeinsamen Projekt zum Thema „Außeruniversitäre Karrierewege“ umzusetzen – von Nachwuchswissenschaftler:innen für Nachwuchswissenschaftler:innen. Die Ergebnisse der Projekte waren so bemerkenswert wie vielfältig.
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FCP: Business | Projekte (2016–2023)
Eine Anmeldung für die Veranstaltung, die in deutscher Sprache stattfindet, ist nicht notwendig. Es gilt: First come, first served.
Viele Akademiker:innen streben nach einer beruflichen Karriere außerhalb der Universität. Oftmals stehen Absolvent:innen jedoch vor der Herausforderung, sich in der Vielfalt der beruflichen Perspektiven und der Fülle an Unternehmen zurechtzufinden, die für sie infrage kommen könnten. Genau hierfür möchten wir euch durch Erfahrungsberichte und Einblicke bei dem Übergang aus dem akademischen Arbeitsumfeld in die Industrie unterstützen.
Unser Projekt
Daher laden wir, die Teilnehmer:innen des Future Career Program: Business der Graduiertenakademie der TU Dresden, dich herzlich zu unserer Informations- und Networking-Veranstaltung "From PhD to Industry: Berufseinstieg & Karrieremöglichkeiten nach der Universität" ein.
Diese Veranstaltung richtet sich besonders an alle, deren Promotion kurz vor dem Abschluss steht oder bereits beendet haben und die eine berufliche Karriere außerhalb der Universität anstreben.
Programm
- 15:00 – 15:30 | Welcome & Anmeldung
- 15:30 – 15:45 | Begrüßung
- 15:45 – 16:30 | Keynote | Dr. Veronika Körösi (Postdoc Center)
- 16:30 – 17:00 | Vorstellung der Gäste:
Dr. Margarita Wucherer-Plietker (von Ardenne)
Markus Badstübner (Cancilico)
Dr. Sebastian Wetterich (Leopoldina)
Dr. Stephan Baumgärtner (Infineon)
- 17:00 – 18:00 | Talkrunde
- 18:00 – 19:00 | Networking
Das Projektteam
Das Projekt wurde von einem neunköpfigen Team Promovierender
unterschiedlicher Fachrichtungen verwirklicht:
Leonie Schlicht, M.Sc. Biofabrication
Anna Possidente, M.Sc. Biologie
Jan Tiemann, M.Sc. Informatik
Johannes Kassel, M.Sc. PhysiK
Felix Irrgang, Dipl. Lebensmittelchemie
Lukas Sporer, M.Sc. Chemie
Thomas Witzmann, M.Sc. Chemie
Maximilian Helbing, Dipl.-Ing. Mechatronik
Michelle Vigogne, M.Sc. Chemie
Danksagung
Das Projekt wäre ohne die Unterstützung von Angela Böhm (Referentin der GA für Karriereentwicklung) und unseren Referent:innen für die einzelnen Module des FCP: Business nicht möglich gewesen. Wir möchten uns darüber hinaus herzlich bei unseren Referent:innen aus der Industrie bedanken.
Herzlichen Dank an alle Beteiligten!
DIENSTAG, 04. APRIL | 15:00 - 19:00
Der Abschluss deiner Promotion ist in greifbarer Nähe oder bereits geschafft? Du siehst deine Zukunft nicht im akademischen Bereich und suchst Alternativen und Tipps, wie dir der optimale außeruniversitäre Berufseinstieg gelingt?
Unser Projekt
Daher laden wir, die Teilnehmer:innen des Future Career Program: Business der Graduiertenakademie der TU Dresden, dich herzlich zu unserer Informations- und Networking-Veranstaltung "From PhD to Industry: Karrieremöglichkeiten und Tipps für den Berufseinstieg" ein. In einer Podiumsdiskussion geben unsere promovierten Referierenden aus Industrie und Wirtschaft spannende Einblicke in ihren Werdegang und Arbeitsalltag und beantworten eure Fragen. Im anschließenden Get-Together hast du Gelegenheit für weiteren Austausch und Networking!
Programm
15:00 - 15:05 | Begrüßung
15:05 - 15:25 | Keynote "Dr. Hut! Alles gut? - Karrieretipps und -strategien für die außeruniversitäre Karriere" Angela Böhm | Referentin für Karriereentwicklung, Graduiertenakademie
15:30 - 16:30 | Vorstellung der Karrierewege
16:30 - 17:00 | All-you-can-ask
17:00 - 19:00 | Get-Together
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt, Fragen und Diskussion können aber natürlich gerne auf Englisch erfolgen. | This event will be held in German. However, any questions and discussions in English are welcome.
Wir freuen uns sehr auf euer Kommen!
Das Projektteam
Das Projekt wurde von einem siebenköpfigen Team Promovierender
unterschiedlicher Fachrichtungen verwirklicht:
-
Christian Flechsig, Wirtschaftsingenieur
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Ellen Häußler, Chemikerin
-
Talika Neuendorf, Chemikerin
-
Johanna Phuong Nông, Chemikerin
-
Roman Potjan, Materialwissenschaftler
-
Maximilian Stanglmayr, Maschinenbauingenieur
- Marvin Umlandt, Physiker
Danksagung
Das Projekt wäre ohne die Unterstützung von Frau Böhm (Referentin GA, Karriereentwicklung) sowie den Dozent:innen für die einzelnen Module des FCP: Business nicht möglich. Wir möchten uns darüber hinaus bei unseren Referent:innen und Vertreter:innen aus der Industrie bedanken.
Herzlichen Dank an alle Beteiligten!
Promotion und dann? Viele Akademiker:innen streben spätestens nach der Promotion eine außeruniversitäre Karriere an, sind sich aber häufig nicht der Breite der beruflichen Möglichkeiten und Fülle an Perspektiven bewusst, die für sie infrage kommen. Zudem besteht oftmals die Unsicherheit, wie der Sprung von der Laufbahn an der Universität in die außeruniversitäre Arbeitswelt gelingen kann.
Unser Projekt
Daher haben wir, die Teilnehmer:innen des Future Career Program: Business
der Graduiertenakademie der TU Dresden, Menschen aus verschiedenen außeruniversitären Bereichen zu ihrem Werdegang nach der Promotion befragt und diese unterschiedlichen Berufsbilder und Karrierewege in einer Podcastreihe beleuchtet. Viele interessante Tipps und Eindrücke von Promovierten für Promovierenden findet ihr in den unten stehenden Audio- und Textboxen. Wir wünschen viel Vergnügen und Inspiration für alle, die auf der Suche nach dem eigenen Kurs sind - denn wer Spuren hinterlassen will, muss neue Wege gehen!
Die Interviews
Dr. Sibylle Anderl (*1981)
Wissenschaftsjournalistin
Expertin für Astrophysik, Wissenschaftsphilosophie
„Ich hatte das Gefühl, dass ich in der Kommunikation all des Wissens, das ich mir in der Datenauswertung angeeignet hatte, Nützlicheres leisten kann, als einen neuen Protostern zu erforschen oder meine Schockmodelle anzuwenden.“
Transkript
Sven Reitzig (GA)
Herzlich Willkommen zur Interview-Reihe „Außerakademische Karrierewege“ von der Graduiertenakademie an der TU Dresden. Mein Name ist Sven Reitzig und in dieser Folge möchte ich über Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen sprechen. Mein Gast dazu ist eine gelernte Astrophysikerin, die allerdings vor ein paar Jahren schon den Weg aus der praktizierenden Wissenschaft heraus gefunden hat, um Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu werden, und seit kurzem dort sogar Ressortleiterin für Natur und Wissenschaft ist. Darüber hinaus kann man sie bei ARD-Alpha sehen zu Sendeformaten zum Thema Astronomie und in ihrer Nobelpreisträger-Interview-Reihe. Herzlich Willkommen Dr. Sybille Anderl.
Dr. Sibylle Anderl
Hallo, vielen Dank.
Sven Reitzig (GA)
Frau Anderl, schön, dass das geklappt hat hier. Jetzt habe ich schon ein paar einleitende Worte verloren, aber stellen Sie sich und Ihren Beruf doch einmal mit ihren eigenen Worten vor.
Dr. Sibylle Anderl
Ja, also ich bin seit 5 Jahren hauptberuflich Wissenschaftsjournalistin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Vorher war ich bis dahin in der Forschung. Also ich habe promoviert in Astrophysik, ich habe danach einen Postdoc gemacht in Grenoble in Frankreich, hab da zu Sternentstehung geforscht und hatte aber nebenbei schon für die FAZ geschrieben und das ist vielleicht ein Punkt, der für viele ganz interessant sein kann, denn ich habe angefangen für die FAZ zu schreiben während meiner Doktorarbeit. Das war 2010, da hatte ich den ersten Kontakt zu der Zeitung, hab da einen Bericht geschrieben vom Nobelpreisträger treffen in Lindau und war seitdem mit der Redaktion in Kontakt, hab dann immer mal wieder Beiträge beigesteuert und mich dann sozusagen ins Hauptblatt vorgearbeitet. Und dann ergab sich vor 5 Jahren überraschend die Möglichkeit, eine feste Redakteur Stelle anzunehmen. Das war keine leichte Entscheidung für mich, aus der Forschung rauszugehen, das muss ich ganz klar sagen, aber ich habe es nicht bereut und bin seitdem sehr froh über diesen extrem vielseitigen Job, bei dem ich jeden Tag die Gelegenheit hab, Neues zu lernen und nach wie vor sehr, sehr nah an der Forschung und der Wissenschaft zu bleiben.
Sven Reitzig (GA)
Jetzt sind Sie seit ein paar Monaten sogar Ressortleiterin für Natur und Wissenschaft. Gibt es nochmal extra Aufgaben dazu, oder inwiefern hat sich dadurch jetzt Ihr Aufgabenfeld oder Ihr Berufsbild verändert?
Dr. Sibylle Anderl
Ja, das ist bei uns mit einigen Umstrukturierungen einher einhergegangen, und man muss ja sagen, dass die vergangenen 2 Jahre der Pandemie für den Wissenschaftsjournalismus sehr, sehr aufregende und interessante Jahre waren, bei allen Schwierigkeiten und bei allen Problemen, die die Pandemie natürlich für uns alle verursacht hat. Aber es ist glaube ich, in der Gesellschaft die Bereitschaft gewachsen, auf die Wissenschaft zu gucken. Es hat sich die Erkenntnis verfestigt, dass wissenschaftliches Wissen ein ganz zentraler Baustein ist für unsere Demokratien. Wenn man über wichtige Zukunftsfragen diskutieren möchte, dann muss man wissen, worüber man redet. Und insofern war das eine wichtige Zeit für den Wissenschaftsjournalismus. Auch keine einfache Zeit - also neben der Feststellung, dass wissenschaftliches Wissen sehr wichtig ist, gab es ja auch wachsende Skepsis der Wissenschaft gegenüber und insofern hat auch das gezeigt: Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus ist sehr, sehr wichtig. Die Menschen müssen wissen, wie wissenschaftliches Wissen generiert wird. Und um jetzt auf die Frage zurückzukommen: das hat für unsere Zeitungen dazu geführt, dass auch intern deutlich geworden ist, dass Wissenschaft Journalismus ganz, ganz wichtig ist heutzutage.
Und daraufhin wurden bei uns die beiden Wissenschaftsressorts aus der Sonntagszeitung und aus der Tageszeitung zusammengelegt, um sich einfach noch besser abzustimmen, um Synergien noch besser zu nutzen. Wir bekommen 2 zusätzliche Redakteurstellen, und all das hat jetzt dazu geführt, dass ich jetzt seit ein paar Monaten das zusammenwachsende Ressort leiten kann. Und das ist sehr spannend für mich, weil es natürlich nochmal andere Möglichkeiten bietet, neue Herausforderungen bringt. Wir sind jetzt wie gesagt für die Tageszeitung, für die Sonntagszeitung und für den Online-Auftritt verantwortlich und wir können sozusagen das gesamte Spektrum der FAZ bespielen. Und ja, das bringt natürlich nochmal mehr organisatorische Tätigkeiten mit sich, die ich vorher in der Form noch nicht wahrgenommen habe, aber es macht alles sehr viel Spaß und das sind sehr, sehr spannende Zeiten bei uns.
Sven Reitzig (GA)
Jetzt haben Sie ja schon gesagt, wie ihr Weg zu ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesehen hat, aber ich möchte noch darauf eingehen: Was waren die Beweggründe dafür, dass Sie gesagt haben: Wissenschaft möchte ich jetzt nicht mehr machen, lieber in ein anderes Gebiet vorstoßen? Und Sie haben auch gesagt, das ist Ihnen nicht leichtgefallen, die Entscheidung. Was waren denn die Hintergedanken dabei?
Dr. Sibylle Anderl
Ja, ich glaube, letztendlich waren das 3 verschiedene Gründe. Also der erste Grund war: Ich hab Physik studiert und Philosophie, hab auch in beiden Abschlüsse gemacht, also Physik auf Diplom studiert und Philosophie auf Magister, und hab auch immer neben meiner astrophysikalischen Haupttätigkeit, also auch während der Doktorarbeit und auch später während des Postdocs noch in der Wissenschaftsphilosophie versucht, ein bisschen mitzumischen, und habe Artikel veröffentlicht. Ich war da aber immer ein Stück weit auch Exotin. Es war nicht immer für alle Kollegen so ganz klar, warum man diese beiden Fächer kombinieren sollte. Das kennt ja wahrscheinlich auch jeder. Es herrscht ein wahnsinniger Druck auf die Nachwuchswissenschaftler. Alle haben ein Auge auf ihren CV, auf ihren Lebenslauf, und das ist keine einfache Frage, wieviel Zeit man für andere Projekte investieren kann, die einem zwar auch am Herzen liegen, die aber jetzt nicht ganz zentral etwas mit der Haupt-Forschungsfrage zu tun haben. Und dieses Exotentum, das ist mir nach einiger Zeit ziemlich auf die Nerven gegangen, weil ich ganz ursprünglich Physik studieren wollte, weil ich einen breiten Horizont haben wollte. Ich wollte die ganz großen Fragen stellen und das war auch, wie die Professoren, die ich damals, als ich 2000 zu studieren angefangen habe, auf die Welt geblickt haben. Also die hatten eine wahnsinnige Allgemeinbildung und haben sich wirklich für alles interessiert und so wollte ich auch werden. Als ich dann aber so weit war, dass ich Doktorandin war und auch dann Postdoc, habe ich festgestellt, dass diese sehr breite Ausrichtung der Wissenschaft immer enger geworden ist, und das war etwas, was mich frustriert hat und wo ich das Gefühl hatte, dass das im Journalismus anders ist und dass ich da meine sehr verschiedenen Interessen, die ich schon immer hatte und die mir auch wichtig sind, besser ausleben kann. Das hat sich auch tatsächlich bestätigt.
Das Zweite war, dass ich damals bei mir eine gewisse Frustration bemerkt habe. Ich habe gemerkt, wie mich die Arbeitsbedingungen der Nachwuchswissenschaftler immer stärker gestört haben. Also am Anfang ist es natürlich toll, wenn man regelmäßige Ortswechsel hat, wenn man ins Ausland gehen kann, wenn man auf Konferenzen fährt. Aber ich war dann 8 Jahre in einer Fernbeziehung, 8 Jahre sozusagen unterwegs, und hatte dann immer wieder diese wiederkehrende Notwendigkeit vor Augen, mich zu bewerben auf kurzfristige Stellen ohne irgendeine Sicherheit, dass es letztendlich auf eine feste Stelle hinausläuft. Und gleichzeitig habe ich bei vielen Kollegen gesehen, dass sie immer frustrierter wurden und immer weniger Spaß am Job hatten, einfach aufgrund dieses Drucks, den sie verspürt haben, und so wollte ich nicht enden.
Und das Dritte war: zu dem Zeitpunkt, das war Ende 2016, da war gerade Donald Trump gewählt worden. Alternative Fakten waren ein großes Thema und es kündigte sich schon an, dass Wissenschaftsjournalismus und die Kommunikation wissenschaftlichen Wissens und wissenschaftlicher Methoden in die Öffentlichkeit immer wichtiger werden würden. Das war dann auch meine Überlegung: klar Astrophysik ist ein wahnsinnig tolles Thema. Ich habe sehr, sehr gerne geforscht. Ich hatte tolle Forschungsprojekte. Aber wenn ich ehrlich mit mir war, musste ich dann schon zugeben, so richtig relevant für die meisten Menschen hier, auf der Erde waren meine Ergebnisse dann doch nicht und da hatte ich das Gefühl, dass ich in der Kommunikation dessen, was Wissenschaftler tun, also auch in der Kommunikation all des Wissens, dass ich in der Modellierung und auch in der Datenauswertung mir angeeignet hatte, insgesamt Nützlicheres leisten kann als einen neuen Proto-Stern zu erforschen oder meine Schock-Modelle anzuwenden.
Sven Reitzig (GA)
Ich finde es sehr spannend, dass Donald Trump ihre Berufswahl mitgeprägt hat.
Dr. Sibylle Anderl
Ja, ich meine, das war natürlich jetzt nicht der Einzige, der das personifiziert hat. Das war ja eine Bewegung, die sich dann schon länger abgezeichnet hatte. Aber das ist, glaube ich, schon etwas, das in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden ist und das auch Wissenschaftler innerhalb der Forschung immer stärker tangiert. Also das hat man ja jetzt auch in der Pandemie gesehen: Wissenschaftler stehen immer häufiger vor der Frage, ob sie sich nicht doch stärker in der Öffentlichkeit engagieren wollen und können, und das ist natürlich auch mit ganz eigenen Herausforderungen verbunden. Und ich glaube, das geht insofern jeden Wissenschaftler an.
Sven Reitzig (GA)
Ja, es stimmt, wir haben ja auch in Deutschland mit bestimmten politischen Strömungen genau das gleiche Prinzip, dass dann Wissenschafts-Skeptizismus betrieben wird mit Absicht, mit Kalkül. Ich glaube, das frustriert die meisten Wissenschaftler an der Stelle. Es ist aber tatsächlich auch schwierig, diesen kommunikativen Weg zu finden, weil man die komplizierten Zusammenhänge auf allgemein verständliche Phrasen herunterbrechen muss.
Dr. Sibylle Anderl
Ja, das ist eine ganz große Kunst, und das ist etwas, das man auch trainieren muss. Das kenne ich aber auch noch von mir selber. Also die ersten Artikel. Ich hatte wahnsinnig viele Angst, was Falsches zu sagen, irgendwas falsch darzustellen. Weil man ja auch vor den Kollegen, vor dem Betreuer, vor den anderen Professoren nicht blöd dastehen will. Und dieses Risiko, auch mal etwas Falsches zu sagen, das muss man leider manchmal eingehen und dann stellt man auch fest: die Welt geht nicht sofort davon unter, wenn man einmal ein Beispiel erwähnt hat oder eine Analogie genutzt hat, die jetzt nicht hundertprozentig aufgehen. Also das ist glaube ich etwas, wo ja auch schon viel passiert ist. In den Graduiertenschulen gibt es ja auch entsprechende Workshops und da wird ja auch mittlerweile drauf geachtet, aber das ist jetzt nichts, was einem völlig in den Schoß fällt und das ist wie gesagt auch häufig mit Angst und Unsicherheit verbunden und da muss man eine gewisse kommunikative Lässigkeit entwickeln. Natürlich nicht auf Kosten der Korrektheit. Ich hatte dazu neulich eine lange Diskussion mit Viola Priesemann. Man muss sich natürlich immer wohlfühlen in dem, was man sagt. Also natürlich will niemand was Falsches sagen, aber da, finde ich, ist Christian Drosten ein schönes Beispiel. Der hat ja ein unglaubliches Talent, einfach gute Bilder zu finden und Analogien aufzumachen und insofern die Dinge greifbar zu machen, auch für Leute, die jetzt nicht die ganzen wissenschaftlichen Hintergründe perfekt beherrschen, und das ist eine Frage von Übung letztendlich.
Sven Reitzig (GA)
Ja, ich denke auch gerade, wenn man komplizierte Sachverhalte auf einfachere Modelle oder auf Analogien herunterbricht: solange man sich dessen bewusst ist, wo die Limitierungen dieser Analogien sind, dann ist das, denke ich, vollkommen in Ordnung an der Stelle.
Dr. Sibylle Anderl
Und da sage ich auch immer wieder: das ist ja eigentlich etwas, das Wissenschaftler auch direkt jeden Tag trainieren, wenn sie mit Modellen arbeiten. Also bei Modellen ist es ja immer die Frage: wie stark kann ich meine Gleichungen vereinfachen? Kann ich das ganze zweidimensional rechnen, obwohl es eigentlich ein dreidimensionales Problem ist, ohne dass ich meine Ergebnisse verfälsche? Und im Prinzip ist es in der Wissenschaftskommunikation ähnlich. Man muss sich immer die Frage stellen: wenn ich ein vereinfachtes Modell des komplexen Sachverhaltes kommuniziere, ist es dann trotzdem noch im Kern korrekt? Also ist es so, dass ich nur das weggelassen habe, was letztendlich auch irrelevant ist, oder ist irgendetwas zentral Wichtiges verloren gegangen und insofern richtet meine Kommunikation mehr Schaden an, als dass sie hilft? Also dieses Komplexität Loswerden und zu versuchen, trotzdem noch einen wahren Kern zu behalten, das ist ja im Prinzip wirklich das, was Physiker jeden Tag in der Modellierung von komplexen Dingen in der Welt tun.
Sven Reitzig (GA)
Wahrscheinlich auch eine sachbezogene Vereinfachung ist dann wichtig. Also, dass man sich dessen bewusst: ist für den Sachverhalt, den man gerade diskutieren möchte, kann man das so und so vereinfachen, aber in anderen Punkten passt die Analogie dann vielleicht nicht mehr.
Dr. Sibylle Anderl
Genau, aber was ich so bei mir selber auch beobachtet habe, ganz wichtig ist, dass man auch ein stückweit Eitelkeit weg lässt, also das ist ja auch immer eine Entscheidungen, die man treffen muss. Man kann ja als Wissenschaftler sehr einfach sehr schlau wirken, indem man einfach unverständlich, redet. Dann denken alle: „Wow! Ist ja Wahnsinn, was der weiß. Ich habe es jetzt nicht verstanden, aber immerhin ist er klug.“ Aber damit ist halt letztendlich niemandem geholfen und das ist glaube ich etwas, das vielen sehr schwerfällt. Also auch mal die Größe zu haben und zu sagen: „Okay, du hast jetzt diesen Begriff vielleicht ein bisschen falsch verwendet, aber es ist kein Weltuntergang. Hauptsache, wir reden einfach über wissenschaftliche Themen.“ Also dass man da auch auf das Gegenüber ein bisschen zugeht und wirklich die Kommunikation als Haupt-Intention im Kopf behält und alles andere ausblendet.
Sven Reitzig (GA)
Was ich sehr spannend finde an dem was sie gesagt haben zu Ihren Beweggründen ist: wenn man sich die Ergebnisse Ihres Studiums und Ihrer Promotion schaut, ist das außergewöhnlich gut. Sie haben ihren Magister in Philosophie mit 1,0 abgeschlossen, Ihr Diplom mit Auszeichnung, Ihren Doktor mit summa cum laude, und trotzdem waren sie desillusioniert. Das finde ich auch sehr tröstlich, denke ich für alle, die sich im Wissenschaftsbetrieb auch ein bisschen verloren fühlen und auch diese Desillusionierung an der Stelle fühlen. Denn dieses Spannungsfeld aus „Einerseits weiß ich sehr viel über ein Thema und habe das Gefühl, die absolute Wahrheit dazu zu wissen und der totale Experte zu sein“, und gleichzeitig aber eine Art Minderwertigkeitskomplex, dass man etwas Unwichtiges tut – ich glaube, das geht sehr vielen Wissenschaftlern so, gerade in der Promotion. Ich habe schon sehr viele getroffen, die dann gesagt haben: „Eigentlich ist das völlig egal, was ich hier mache, es interessiert am Ende sowieso keinen.“
Dr. Sibylle Anderl
Bei dem Punkt muss ich sagen, da hat mir wirklich das Schreiben für die FAZ geholfen aus der größten Doktorarbeits-Depression heraus, weil ich durch die Kommunikation selbst dazu gezwungen war, anderen Leuten zu erzählen, warum das, was ich mache, so spannend und so toll ist. Und das hat dann sozusagen auch wieder auf mich abgefärbt, sodass ich auch selber wieder besser sehen konnte, warum das so spannend und so toll ist, was ich mache. Also da kann Kommunikation durchaus auch einen motivatorischen Effekt haben, was vielleicht manche Betreuer auch gar nicht so im Blick haben. Mein Doktor Vater war am Anfang nicht besonders begeistert, als ich gesagt habe: „Ich schreib jetzt für die FAZ Blog-Texte“, weil das vor allem Zeit in Anspruch nimmt, die ich anderweitig brauche. Aber für mich war es wirklich sehr motivierend. Also das ist, glaube ich, der eine Punkt - und natürlich macht man ja auch Forschung nicht, weil man die Welt verbessern will. Das sind ja wirklich nur ganz spezielle Forschungsthemen, auf die das zutrifft. Es ist ja einfach so, dass Forschung im Großen und Ganzen sehr viel Spaß macht, und das sieht man im Alltag oft nicht. Das ist eine eigene Kunst, sich das immer wieder vor Augen zu halten. Aber es ist natürlich eine sehr privilegierte Tätigkeit, dass man solchen Fragen nachgehen kann, dass man dafür bezahlt wird, und das, glaube ich, das ist eine Herausforderung, der sich vor allem Doktoranden immer wieder stellen müssen, das zu sehen und sich dadurch zu motivieren.
Das andere, was ich zu dem Punkt noch sagen wollte mit der Frustration und den guten Noten: Das ist, glaube ich, ja auch Teil der Frustration und das kennen ja auch die meisten Doktoranden. Man war immer unter den Besten. Im Studium war man immer bei denen, die die besten Noten hatten. Man hat Stipendien bekommen. Eine Zeitlang hatte man das Gefühl, dass sich alle um einen reißen, und dann ist man Doktorand, dann auch vielleicht später Postdoc, alle um einen herum sind extrem gut, und trotzdem hat niemand das Gefühl, dass er oder sie wirklich gewollt wird vom System und das war das, was mich vor allem auch frustriert hat, denn ich hatte das Gefühl, ich habe immer viel gearbeitet. Ich habe immer wahnsinnig viel gelernt. Ich habe mir in der Hinsicht eigentlich nichts vorzuwerfen, habe dann aber auch das Gefühl, dass ich irgendeine Art von Wertschätzung und auch irgendeine Art von Garantie haben möchte, dass das System mich dann auch langfristig haben will.
Und das war glaube ich, was ich so schwierig fand und was glaube ich vielen auch so geht, dass man wirklich viel investiert als Nachwuchswissenschaftler und da nicht immer so richtig viel zurückbekommt, und da muss sich definitiv im System, glaube ich, etwas ändern, damit man gerade in der Zeit der Doktorarbeit keine psychischen Probleme entwickelt. Ich meine, das ist ja auch ein Problem, das viele haben, was ja auch gesehen wird: es ist psychologisch eine extrem herausfordernde Zeit, und wenn man es gut übersteht, dann sind das Erfahrungen, die man später im Leben immer wieder sehr, sehr gut nutzen kann man weiß, dass man so eine Phase überstehen kann, aber in meinem Umfeld, also in meinem Graduiertenschulen gab es auch einige Fälle von Leuten, die es eben nicht gut überstanden haben. Und die Arbeitsatmosphäre, muss man sagen, wird außerhalb der akademischen Welt in fast allen Fällen erstmal besser, weil man sich besser von der Arbeit abgrenzen kann. Man hat auch einmal Freizeit, man kann abends sagen: „So, das ist mein Feierabend, da wird jetzt vielleicht nicht unbedingt von mir erwartet, dass ich weiterarbeite“, während man das in der Forschung nie so richtig kann. Also es gibt viele Aspekte außerhalb der Forschungseinrichtungen, die meiner Ansicht nach das Arbeiten deutlich einfacher machen.
Sven Reitzig (GA)
Also, sie würden sagen, das ist schon ein Systemfehler, und es ist nicht so, dass man da einfach durch muss, dass es nicht anders geht an der Stelle - sondern sie denken, dass es mit Veränderungen deutliche Verbesserungen auch geben könnte?
Dr. Sibylle Anderl
Ich glaube, das ist ziemlicher Konsens, dass das ein Systemfehler ist. Es gab ja auch immer wieder viele Versuche, das zu verbessern, durch die Einführung der Junior-Professoren etc. So richtig gut funktioniert hat es ja leider einfach nicht, und insofern ist es halt so: man muss da jetzt durch, und wie gesagt, es ist auch toll, an den Unis zu arbeiten. Es ist ein toller Job und ich wäre auch an der Uni glücklich geworden. Also gar keine Frage. Es war ja nicht so, dass ich unbedingt aus der Forschung raus wollte. Aber es ist definitiv nicht ideal und ich glaube, der Wissenschaft würde es insgesamt gut tun, ein bisschen mehr auf den Nachwuchs zu schauen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das sehe ich jetzt bei mir. Diese Sicherheit, die ich jetzt verspüre dadurch, dass ich das Gefühl habe, ich muss mir keine tiefgreifenden Sorgen mehr um meine Zukunft machen, das hat bei mir wirklich auch Unterschiede in der Arbeit verursacht. Also das ist ja bei mir immer noch so, dass ich jeden Tag die Astrophysik-Papers lese. Ich lese alles Journals, ich scanne alle Veröffentlichungen. Ich weiß insofern eigentlich sogar fast mehr über den aktuellen Status der Astrophysik als vorher und kann das einfach genießen. Vorher war das bei mir immer auch mit Ängsten verbunden, dass ich dachte, ich muss jetzt alles im Blick haben, ansonsten bin ich keine gute Wissenschaftlerin. Und diese Entspanntheit, die ich jetzt dabei habe, die kommt, glaube ich, meiner Arbeit zugute und macht meine Arbeit insgesamt besser, würde ich denken.
Sven Reitzig (GA)
Sie haben ja gerade schon gesagt sie lesen immer noch viele Journals. Kommen wir auf Ihre Tätigkeiten nochmal zu sprechen, also die jetzige Tätigkeit. Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag für sie aus? Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?
Dr. Sibylle Anderl
Dadurch, dass wir zwei Wochen-Produkte haben, also einmal die Wissenschafts-Seiten in der Sonntagszeitung und einmal die Wissenschafts-Seiten in der Tageszeitung, die jeden Mittwoch erscheinen, haben wir da natürlich eine wöchentliche Routine, die jeden Tag auch anders erscheinen lässt, weil wir montags die Seite für Mittwoch fertig machen müssen. Das heißt so ein typischer Montag sieht so aus, dass wir schon wissen, welche Artikel ins Blatt müssen. Dann muss man gucken, dass auf den Seiten die Bilder da sind. Man muss die Artikel einpassen, kürzen, redigieren vielleicht selber noch was schreiben. Das ist dann immer ein sehr hektischer Tag, wenn man natürlich dann immer eine Deadline hat. Bei einer Tageszeitung ist es so, die geht dann zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach in den Druck. Und was zu dem Zeitpunkt noch nicht auf der Seite ist, das ist einfach schlecht. Also insofern: es ist ein Job, der schon auch sehr, sehr stark mit Deadlines und mit Zeitdruck zu tun hat. Wir sind auch zugehörig zum Feuilleton und arbeiten als Service-Ressort für die gesamte Zeitung. Gerade in der Pandemie kam es oft vor, dass morgens die Kollegen aus der Politik zu uns kamen und gesagt haben: „Wir haben da gehört, es gibt ein neues Paper zur Zuverlässigkeit von Schnelltests. Könnt ihr für uns da nicht einen kurzen Artikel dazu schreiben?“ Insofern ist es relativ häufig so, was das Tageszeitungsgeschäft angeht, dass sich der Verlauf des Tages erst im Zuge der Konferenzen klärt. Also vormittags sind die Planungs-Konferenzen, und da ist es dann relativ häufig so, dass man um 11 da raus geht mit dem Auftrag, über ein bestimmtes Thema einen Text einer bestimmten Länge zu schreiben. Und dann muss man das machen bis zum frühen Nachmittag, damit die Kollegen dann noch an den Text ran gehen können, den redigieren können, und dann wird er abends gedruckt und dann kann man, wenn man lange arbeitet, abends auch schon die Zeitung mit dem fertigen Arbeitsprodukt mit nach Hause nehmen, was ich sehr angenehm finde. Viele, die jetzt zuhören, die kennen ja wahrscheinlich die Zeitskalen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, das kann sich ja manchmal über Jahre ziehen. Das ist wirklich etwas anderes, wenn man das morgens oder mittags schreibt und abends ist es dann gedruckt. Ich finde es bisher sehr angenehm, aber wie gesagt, das ist manchmal dann auch ein sehr stressiger Job.
Zum Beispiel, als ich gerade relativ frisch angefangen hatte, ist Steven Hawking gestorben, und da habe ich dann vormittags erfahren, dass ich die Feuilleton-Seite 1 mit einem Nachruf füllen sollte. Das war meine erste Feuerprobe, wo ich innerhalb von wahrscheinlich 3 Stunden eine ganze Seite schreiben musste. Und da denkt man dann schon erstmal: „Oh Gott, oh Gott, was ist denn, wenn ich das nicht schaffe, wenn irgendetwas Wichtiges fehlt?“ Dann arbeitet man total unter Adrenalin und freut sich dann, wenn es klappt. Bei mir hat es bisher Gott sei Dank immer geklappt. Aber dafür muss man einfach der Typ sein. Also wir haben ein relativ hektisches Geschäft, es gibt aber natürlich auch verschiedene Artikel, die dann eher langfristig aufgestellt sind und wo man dann nicht so eine Hektik hat.
Also das ist etwas, was wir sehr häufig machen. Wir schreiben sehr viel, wir redigieren sehr viel. Wir müssen Texte einwerben und uns darum kümmern, dass die Zeitung gut aussieht - also Texte entsprechend kürzen, die Bilder besorgen. Es ist ein wahnsinnig vielfältiger Job. Ich habe mit unglaublich vielen verschiedenen Themen zu tun und das ist eigentlich das, was ich an dem Job so besonders liebe.
Sven Reitzig (GA)
Sie haben ja gesagt, manchmal ist es auch sehr stressig. Gibt es da Probleme, Privat- und Arbeitsleben in Einklang zu bringen, oder geht das relativ problemlos?
Dr. Sibylle Anderl
Ich hatte das gerade schon angedeutet: ich finde es jetzt tatsächlich einfacher als während der Zeit, als ich noch geforscht habe. Es ist interessant, woran das liegt - am Anfang habe ich drauf geachtet, wirklich an den Abenden und am Wochenende nur in Notfällen zu arbeiten. Das schaffe ich mittlerweile natürlich überhaupt gar nicht mehr, muss ich zugeben. Trotzdem, komischerweise belastet mich das weniger als noch während der Uni-Zeit und ich glaube, das liegt daran, weil vielleicht der Output klarer ist. Also eine Tageszeitung ist etwas wahnsinnig Greifbares. Man kann am Ende der Woche sagen: „Ich habe drei Artikel geschrieben, einen Podcast gemacht und fünf Artikel eingeworben.“ Es ist ein Job, wo man die Ergebnisse sehr schnell sieht, wo man auch das Feedback sehr schnell bekommt, im Guten wie im Schlechten. Das ist natürlich auch ein Aspekt, der viele erstmal abschrecken könnte, wenn man ja ständig Leserpost bekommt, ständig Leserkommentare. Also da ist einfach eine sehr, sehr schnelle Rückmeldung immer gegeben und die Arbeit ist einfach völlig anders als zum Beispiel während meiner Post Doc-Zeit.
Sven Reitzig (GA)
Das klingt sehr projektorientiert, finde ich, das Arbeiten.
Dr. Sibylle Anderl
Ja schon. Ich glaube, es liegt vor allem wirklich an den Zeitskalen, dass man sehr viel härtere Deadlines hat und das alles sehr schnell gehen muss. Wenn einem das liegt, dann ist es eigentlich der ideale Job. Zum Beispiel hatte ich ein Paper, das fertig werden sollte, für meine nächste Bewerbungsrunde für den potentiellen zweiten Post Doc. Das war wichtig, dass dieses Paper noch vorher angenommen wird zumindest, ich hab das aber mit 10 Co-Autoren geschrieben und ich habe gedacht, das wird niemals auch nur ans Journal geschickt werden, weil sich diese 10 Co-Autoren schon über viele Dinge überhaupt gar nicht einigen konnten und immer noch neue Rechnungen haben wollten und noch neue Modifikationen des Modells, und ich hab mich wirklich gefühlt wie Sisyphos, der niemals diesen blöden Stein auf diesen Berg bekommt. Und das kann bei uns einfach nicht passieren, denn wenn man zu lange herum iteriert und zu lange nicht auf den Punkt kommt, dann ist das Thema einfach schon wieder weg. Also es ist viel Arbeit, man kann natürlich auch beliebig viel arbeiten. Ich kann die Frage glaube ich auch deshalb gerade so schwer beantworten, weil die Jahre der Pandemie, die wir jetzt hinter uns haben, extrem intensiv waren. Also ich glaube, ich habe noch nie so viel gearbeitet wie in der Zeit, weil wir versucht haben, wirklich jeden Tag einen Überblick zu haben über die aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, und das war eine absolute Herkules-Aufgabe. Mein Kollege Joachim Müller-Jung und ich, wir haben uns das für die Tageszeitung geteilt - ich war für alles verantwortlich, was mit Daten und Modellen zu tun hatte, er hat alles Medizinische gemacht. In der Zeit habe ich unglaublich viel gearbeitet, aber ich glaube grundsätzlich - und das hatte ich vorhin schon mal gesagt - ist es so, dass man sich außerhalb der akademischen Welt leichter Arbeitszeiten einteilen kann und irgendwie auch ein besseres Gefühl damit hat, dann auch mal zu sagen: „Ich habe jetzt in der Woche viel gearbeitet, das Wochenende habe ich jetzt einfach mal frei.“
Sven Reitzig (GA)
Um das noch ein bisschen mehr zu beleuchten, Ihren Arbeitsalltag, sind Sie denn frei in Ihrer Arbeitsgestaltung? Also, wie sieht denn das aus? Arbeiten Sie grundsätzlich in der Redaktion oder sind dort nur die Meetings - und wie sie zu dem Ergebnis kommen, ist dann quasi ihnen selbst überlassen und wie sie ihre Zeit einteilen? Oder gibt es feste Zeiten dafür, wann Sie arbeiten?
Dr. Sibylle Anderl
Naja, also jetzt gerade arbeiten wir größtenteils im Home Office nach wie vor. Wir haben jeden Morgen Konferenzen auf verschiedenen Ebenen. Also die Online-Konferenz, wo abgesprochen wird, was den Tag über auf FAZ.net passiert, dann die Feuilleton-Konferenz, wir haben unsere Wissenschafts-Konferenzen – also das ist erstmal der erste Teil des Tages, und da muss man auch dabei sein, weil man einfach verfügbar sein muss, wenn irgendetwas aktuell ansteht, dass man mitdiskutieren kann und bestimmen kann oder mit überlegen kann, in welcher Art und Weise bestimmte Themen journalistisch behandelt werden. Die Nachmittage, die sind da ein bisschen freier. Und da ist es bei den meisten Artikeln natürlich schon so, dass man dann selber entscheiden kann, wie man an die Themen herangeht, wie man sie aufschreibt. Da ist dann die größte Begrenzung die Zeitvorgabe, das ist ja klar. Also wenn man nur drei Stunden hat, um einen Artikel auf die Seite zu bringen, da kann man dann nicht mehr besonders viel flexibel gestalten, wie man diese 3 Stunden jetzt nutzt. Ansonsten ist es ganz unterschiedlich. Wir haben Artikel, die wir mit mehreren Kollegen zusammenschreiben, wo man vorher aufteilt, wer was recherchiert und dann schreibt man es zusammen. Wir haben größere Projekte, die über mehrere Wochen gehen, wo man dann auch mit den Kollegen zwischendrin immer noch den aktuellen Status diskutiert, also das ist sehr, sehr vielfältig. Grundsätzlich haben wir eigentlich schon viel Freiheit, würde ich sagen. Also wie gesagt: Konferenzen sind immer ein muss, aber ansonsten kann man sehr viel frei entscheiden, man kann Themen relativ frei setzen und relativ frei planen, was man wie macht.
Sven Reitzig (GA)
Was würden Sie sagen, fasziniert Sie am meisten an Ihrem Beruf? Ist das eher, dass Sie jetzt quasi tiefer eintauchen können in ein breiteres Wissen, oder eher, dass Sie anderen Menschen die Wissenschaft näherbringen können? Was ist es für ein Aspekt, der ihnen am meisten gefällt?
Dr. Sibylle Anderl
Das ist eine schwierige Frage, weil mir wirklich sehr viel an diesen Job sehr gut gefällt. Also, dass man die Freiheit hat, sich mit beliebigen Themen im Grunde relativ intensiv auseinanderzusetzen, das ist etwas, das ich wirklich großartig finde - und wirklich auf dem Niveau, das wir Science und Nature als Fachzeitschriften wirklich regelmäßig lesen. Ich habe einen unglaublich breites - dann auch weitgehend natürlich oberflächliches - Wissen, aber über die aktuellen Forschungsergebnisse der letzten Jahre. Also man weiß einfach plötzlich wahnsinnig viel und gleichzeitig ist es dann auch toll, in der Tageszeitung zu arbeiten, wo man umgeben ist von anderen Fachleuten. Das ist bei der FAZ vielleicht auch etwas, das die FAZ besonders auszeichnet, dass wir wirklich auch sehr viele Kollegen mit einem wissenschaftlichen Hintergrund haben, die sich in bestimmten Spezial-Themen sehr gut auskennen. Und das ist einfach wirklich toll. Das ist für mich das Ideal eines interdisziplinären täglichen Lernens.
Es ist natürlich schon auch, finde ich, sehr spannend, diesen direkten Kontakt zu den Lesern zu haben, also direkt mitzubekommen, wie bei denen Dinge ankommen, welche Fragen Sie haben, was Sie total blöd finden. Wir haben ja auch jede Woche unseren Wissenschafts-Podcast, da haben wir auch viele Rückmeldungen. Und das ist etwas, das ich vorher auch natürlich überhaupt gar nicht hatte. Also als Forscher, klar, man ist im Kontakt und im Austausch mit seinen Kollegen, aber mit der Öffentlichkeit hat man ja relativ wenig zu tun. Und das genieße ich auch sehr, obwohl natürlich da dann wiederum bei der FAZ die Leserschaft auch - also natürlich ist sie jetzt nicht gesellschaftsweit repräsentativ, aber diese direkte Rückmeldung von Menschen von außerhalb und von Leuten, die mit Wissenschaft sonst nicht so viel zu tun haben, dass das auch etwas, das ich an dem Job sehr schätze.
Sven Reitzig (GA)
Und andersherum gefragt: gibt es etwas, wofür sie sich motivieren müssen? Also irgendeinen Arbeits-Aspekt, der schwer fällt, der aber einfach getan werden muss?
Dr. Sibylle Anderl
Ich glaube, man muss aufpassen in den Job, dass man das, was ich jetzt gerade als positiv beschrieben habe, dass sich das nicht irgendwann ins Negative dreht, also dass man einfach so viel Input hat, jeden Tag, den man in Artikel umwandelt, dass man sich irgendwann vorkommt wie ein Inhalts-Generator. Während der Pandemie war es ein bisschen so, weil wir wirklich jeden Tag so viele Studien gelesen haben. Wir haben eigentlich im Prinzip jeden Tag neue Artikel geschrieben und ich glaube, das ist eine Gefahr an dem Job, dass man irgendwann das Gefühl hat, man hat sich quasi leer geschrieben, weil man ja natürlich auch die Grundlagen immer wieder neu erklären muss und da könnte ich mir vorstellen – also, ich bin bei weitem noch nicht so weit, aber da könnte ich mir vorstellen, dass man da irgendwann vielleicht eine gewisse Motivations-Krise entwickelt?
Ansonsten, ich meine klar, es gibt natürlich immer irgendwelche Dinge, die nerven, auf die man gerade keine Lust hat. Was mich momentan am meisten nervt, sind diese unglaublich vielen Emails, die man bekommt und auf die man irgendwie reagieren muss. Aber man hat natürlich auch die Zeit nicht, das ist aber doch auch immer irgendwie dringlich. Das ist, glaube ich, das, was mich jetzt gerade akut in diesen Tagen am meisten nervt. Und da hab ich auch tatsächlich – das ist so das Einzige, wovon ich auch schon einmal Albträume hatte, dass sich dann irgendwann alle Leute melden, deren Emails ich nicht gesehen hab und mich dann zur Rede stellen, warum ich nicht rechtzeitig geantwortet hab.
Sven Reitzig (GA)
Gibt es denn Lieblingsthemen für Sie, über die Sie gerne berichten? Also ist das immer noch die Astronomie, weil sie aus dem Gebiet kommen, oder gibt es andere Gebiete, wo sie sagen: „Das hat mir im Laufe meiner Arbeit so gefallen, dass ich darüber auch noch viel lieber Berichte?“
Dr. Sibylle Anderl
Ja, ich meine, die Astronomie und Astrophysik wird wahrscheinlich immer mein Lieblingsthema bleiben. Jetzt ja noch flankiert durch die Raumfahrt, weil da gerade so viel Tolles passiert oder Spannendes zumindest. Ich meine, schon immer war ja eigentlich mein Herzensthema die Wissenschaftsphilosophie - und das sind auch immer noch die Texte, die ich am liebsten schreibe und auch am liebsten dann nochmal lese nach einiger Zeit. Die, wo ich merke, dass das, was in der Wissenschaftsphilosophie diskutiert wird - das sind Fragen, wie zum Beispiel wissenschaftliche Modelle funktionieren oder welche Probleme sich aus statistischen Aspekten ergeben können, oder wie Wissenschaft allgemein funktioniert, ob Wissenschaft wirklich viel mit Wahrheit zu tun hat, welchen Einfluss soziale Effekte und Phänomene auf wissenschaftliche Ergebnisse haben können. Also das sind Fragen aus der aktuellen Wissenschaftsphilosophie, und das finde ich immer am spannendsten, so etwas dann auf aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen, die gerade diskutiert werden, anzuwenden. Und wenn das funktioniert, das ist, glaube ich, das, was mir am meisten Spaß macht.
Sven Reitzig (GA)
Wenn Sie über all Ihre Tätigkeiten in Ihrem Job nachdenken, inwiefern profitieren Sie dabei von Ihrer Promotion und von dem, was sie da gelernt haben? Und gibt es grundlegende Dinge, die sie noch komplett neu dazulernen mussten?
Dr. Sibylle Anderl
Also bei uns in der FAZ - und da ist die FAZ, wie gesagt, glaube ich, anders als andere Zeitungen - bei uns ist das immer ein sehr großer Vorteil. Also ganz, ganz viele Kollegen haben eine Promotion in irgendeinem Fach, zu dem sie vielleicht auch gar nicht mehr so viel schreiben, aber das ist bei uns eher die Regel als die Ausnahme. Ich glaube schon, dass ich davon sehr profitiere, weil wir extrem Paper-basiert arbeiten. Also unsere Artikel, die entstehen nie allein auf der Grundlage einer Pressemitteilung, sondern wir lesen immer noch die Originalpublikation. Und dass man das schnell und effizient hinbekommt, das ist ja etwas, das man schon auch während der Doktorarbeit lernen sollte. Ich glaube, das hatte ich ja auch vorhin schon anklingen lassen: dieses sich durchbeißen Können, auch durch Berge von Arbeit, die vielleicht auf den ersten Blick nicht so attraktiv wirken. Das ist so, was man ja auch sehr gut lernt in der Doktorarbeit. Also ich glaube schon, dass man da ganz, ganz viele Fähigkeiten mitnimmt, auch einfach so praktischer Art, wie man Arbeit rangeht, wie die eigene Frustrationstoleranz so gelagert ist. Da, glaube ich, ist die Doktorarbeit schon eine wichtige und gute Voraussetzung, auch wenn sie - und auch das hatte ich schon erwähnt - vielleicht nicht unbedingt für alle das Idealste ist. Also nach wie vor bin ich der Meinung, wenn man merkt, dass es wirklich an die eigene Substanz geht, dann sollte man da auf jeden Fall schnell tätig werden und nach Konsequenzen suchen.
Was ich neu lernen musste? Ich habe ja wirklich vieles schon gelernt, als ich parallel zu meiner Doktorarbeit geschrieben habe. Also vieles von dem, was im Journalismus anders ist als in der Forschung. Tatsächlich: diese Angst etwas Falsches zu sagen oder zu schreiben, und dann zu denken: „Ich schreib jetzt lieber kompliziert und richtig, als ein bisschen einfacher und potentiell missverständlich.“ Das ist glaube ich etwas, das man irgendwie ablegen muss. Dann muss man natürlich auch lernen, dass einem Feedback ein Stück weit auch egal ist, also wenn Leserkommentare einfach unfair sind oder sie Texte absichtlich missverstehen wollen, dann darf einem das nicht zu sehr an die Substanz gehen. Das ist auch etwas, das ich auf jeden Fall erst einmal lernen musste, weil man, glaube ich, als Doktorand jetzt nicht mit diesem Wahnsinns-Selbstbewusstsein ausgestattet ist. Also sich da abzugrenzen von negativem Feedback, das ist auch sehr wichtig.
Naja, und dann wirklich die Zeitskalen. Wie gesagt, mir fiel es relativ leicht, schnell zu arbeiten, aber ich glaube, das ist auch etwas, und das sehe ich auch in meiner Arbeit, wenn ich mit Wissenschaftlern arbeite, die für uns schreiben. Was die Zeitskalen angeht, da muss man einfach extrem umdenken, dass man sehr, sehr viel schneller wird und auch da dann manchmal Kompromisse eingeht, wenn man sich vielleicht theoretisch vorstellen könnte, dass der Text noch besser wird, wenn man noch zwei Wochen länger daran herum feilt. Aber die zwei Wochen hat man dann einfach nicht. Ich glaube, das sind vielleicht Punkte, die beim Wechsel von der Forschung in Journalismus wichtig sind: also einmal den Mut zur Vereinfachung; damit verbunden Eitelkeiten ablegen, sich ein dickes Fell zulegen - es ist nicht schlimm, wenn Leute einen kritisieren, weil das immer passieren wird; und das Dritte dann, in der Lage zu sein, auch einmal schnell zu arbeiten und in der Hinsicht Kompromisse einzugehen.
Sven Reitzig (GA)
Ich finde es sehr spannend, dass die Dinge, die sie dazulernen mussten, größtenteils Einstellungs-Fragen sind. Ich hätte jetzt eher erwartet, dass Dinge kommen, wie zum Beispiel das journalistische Arbeiten.
Dr. Sibylle Anderl
Ja, das stimmt. Also, auch das ist eine Besonderheit der FAZ. Es gibt andere Zeitungen, wo fast alle Kollegen auf einer Journalistenschule waren und wo das auch gewünscht und erfordert ist. Und da lernt man dann Rezepte, wie man eine Reportage schreibt, wie man ein gutes Interview aufbaut und so weiter. Bei uns in der FAZ sind sehr viele Kollegen, die sich das selber erarbeitet haben, was meiner Meinung nach auch einen großen Reiz der Zeitung ausmacht, weil wir dadurch eine große stilistische Vielfalt haben. Das ist bei anderen Zeitungen, wie gesagt, völlig anders, und das merkt man, glaube ich, auch beim Lesen. Das ist mir natürlich zugute gekommen. Wenn ich jetzt sofort bei der Zeit angefangen hätte oder bei der Süddeutschen, da hätte ich dann viel mehr, glaube ich, erst einmal die Basics lernen müssen. Da wurde mir bei der FAZ viel Freiheit gegeben und da habe ich dann auch viel über Feedback gelernt. Also wenn dann Kollegen sagen: „Ich habe den Text nicht verstanden“, oder: „Der Einstieg ist blöd“, dann lernt man daraus. Aber man lernt es nicht nach der Regel: „Der perfekte Einstieg muss so und so aussehen“. Also, das war FAZ-spezifisch.
Bei mir war es so, dass mir einfach das Lesen sehr geholfen hat. Man muss einfach sehr viel lesen, um die verschiedenen Textgattungen zu verstehen und dann auch für sich selber festzustellen: was finde ich gut, was finde ich schlecht? Mit welchen Artikeln kann ich mehr anfangen, mit welchen weniger? Und was natürlich auch schon ein wichtiger Punkt war: man schreibt ja als Wissenschaftler vor allem auf Englisch, und da ist die Sprache auch nichts, was einen Eigenwert hat, sondern es ist einfach nur ein Medium, um Inhalt zu transportieren. Und das ist im Journalismus natürlich etwas anderes. Das fand ich wahnsinnig spannend am Anfang, mein Verhältnis zur Sprache so völlig zu verändern, also zu sehen: Sprache ist etwas, mit dem ich spielen kann, dass ich gestalten kann, was auch für jede Textgattung eine andere Form des Schreibens erfordert. Eine Glosse wird natürlich ganz anders geschrieben als eine Meldung, und das ist etwas, das man neu lernen muss, was mir aber sehr, sehr viel Spaß gemacht hat.
Sven Reitzig (GA)
Jetzt haben wir im Prinzip schon viele Einblicke darin bekommen, für wen Ihr Beruf der richtige Weg sein könnte. Aber könnten Sie nochmal zusammenfassen: an mitzubringenden Fähigkeiten, was würden Sie sagen, wonach sucht man dann in dem Feld? Also wenn man jetzt neue Mitarbeiter sucht? Einerseits die Fähigkeiten, andererseits vielleicht auch für jemanden, der sich für dieses Feld interessiert, welche Erwartungshaltung an den Job derjenige hat.
Dr. Sibylle Anderl
Man muss schreiben können. Das klingt so trivial, aber ist ja dann doch für viele eine große Hürde. Man muss - zumindest bei uns in der Redaktion - bereit sein, wissenschaftliche Tiefe zuzulassen, wobei das natürlich die meisten Doktoranden so sind; dann aber auch das in einfacher und zugänglicher Form umzusetzen - also diesen Transfer, den muss man irgendwie hinbekommen, das ist ja dann auch ein Stückweit eine Talentfrage, und eine Übungsfrage wahrscheinlich auch. Also diese Bereitschaft, komplizierte Dinge einfach darzustellen, gute Bilder zu finden, das ist auf jeden Fall sehr hilfreich.
Man muss unter Druck arbeiten können– Zeitdruck, darüber hatten wir ja schon gesprochen – man sollte auf jeden Fall gut kommunizieren können, es ist ganz viel Teamwork, ganz viel Absprache. Man muss natürlich auch viele Leute anrufen, wenn man Interviews führen will. Davor sollte man keine Angst haben. Tja, was noch? Das ist jetzt wahrscheinlich die Gefahr, dass mir etwas ganz Offensichtliches genau jetzt nicht einfällt. Man sollte sich aber für viele Dinge interessieren, das ist glaube ich, auch ganz wichtig, weil die spannenden Themen ja auch oft zwischen verschiedenen Themenfeldern liegen, und da auch Verbindungen zu sehen. Und ja, vielleicht auch neue Aspekte, neue Herangehensweisen aufzutun in Bezug auf Themen, die schon von vielen anderen abgegrast wurden. Das ist glaube ich, auch ein sehr wichtiges Talent.
Und wenn man sich dafür entscheidet, es ist natürlich auch kein leichter Weg. Also ich hatte extremes Glück, dass ich diese Stelle bekommen habe. Es ist eigentlich unglaublich, dass ich diese Stelle bekommen hab. Ich freu mich immer noch im Nachhinein, weil natürlich der Journalismus ein sehr, sehr hart umkämpftes Feld ist. Und man muss versuchen, da in die richtigen Netzwerke reinzukommen, auf sich aufmerksam zu machen, Kontakte zu pflegen. Aber ich glaube, wenn man einfach gut in dem ist, was man macht, also wenn man ein wirklich tiefes wissenschaftliches Verständnis hat und gut kommunizieren kann. Also es gut in verständliche Form bringen kann, dann hat man keine so ganz schlechten Chancen. Aber es ist kein Selbstläufer. Es ist nicht so, wenn man sich entscheidet: „Ich gehe jetzt aus der Forschung heraus“, dass man sofort eine super Stelle irgendwo hat. So ist es definitiv nicht, aber darüber hatten wir auch schon gesprochen. Ich glaube, momentan ist ein ganz guter Moment für den Wissenschaftsjournalismus, weil ja einfach an vielen Stellen und in vielen Medienhäusern das Bewusstsein über die Wichtigkeit guten Wissenschaftsjournalismus‘ gewachsen ist.
Sven Reitzig (GA)
Sie hatten ja den Punkt ganz am Anfang gebracht: man muss gut schreiben können. Da würde mich noch interessieren: Ist es dann notwendig, bestimmte Arten von Schreiben sozusagen schon in seinem Erfahrungsschatz haben? Also es ist jetzt zum Beispiel wichtig, dass man in studentischen Zeitungen geschrieben hat oder ähnliches, also, dass man spezifisch auf dieses zeitungsartige schreiben, sozusagen auf Artikel schreiben, schon getrimmt ist? Oder ist das gar nicht so essenziell am Anfang?
Dr. Sibylle Anderl
Ich glaube, das ist schon hilfreich. Also bei mir war es so, dass ich am Anfang auch viel für meine Eltern geschrieben habe. Also ich habe mit Bloggen angefangen, also ich war gar nicht sofort in der Zeitung. Aber ich habe das immer an meinen Eltern getestet, ob die Dinge, die ich schreibe, verständlich sind oder nicht. Die beide keinerlei physikalische – da würde ich jetzt wieder Ärger kriegen, wenn sie mich hören, aber die jetzt beide keine Physiker sind und nicht so richtig tiefgehendes Vorwissen zu meinen Themen hatten. Ich glaube, so etwas ist immer gut, wenn man sich Freunde oder Familie sucht, die keine Ahnung haben, die nicht so im Thema drin sind, dass man bei denen einfach mal guckt: funktioniert das so, wie ich das aufschreibe? Und ich glaube, dann ist einfach Übung gut, also es ist dann egal, ob es auch veröffentlicht wird oder nicht oder ob man es auf einer privaten Blog-Seite hochlädt, einfach viel schreiben, viel ausprobieren, sich viel Feedbacksuchen, und dann einfach gucken, was wie funktioniert. Aber es ist natürlich ganz anderes Schreiben für die breite Öffentlichkeit, als wenn man für das Physik-Journal schreibt. Also das ist, glaube ich, auch etwas, das man mit der Zeit wirklich entwickeln muss: ein Gefühl für die Zielgruppe. Und das bedeutet, für verschiedene Zielgruppen muss man völlig unterschiedlich schreiben. Das ist etwas, was man durch Erfahrung über viele, viele Jahre erstmal für sich erschließen muss.
Sven Reitzig (GA)
Was würden Sie denken: inwiefern wird sich ihr Arbeitsbereich in den nächsten Jahren entwickeln? Also werden dann vielleicht andere Personen gebraucht oder Personen mit anderen Fähigkeiten, als es jetzt momentan noch der Fall ist, zum Beispiel zum Thema Digitalisierung oder etwas in die Richtung? Sodass da vielleicht die Skills dann stärker im Vordergrund stehen könnten, als das jetzt noch der Fall ist?
Dr. Sibylle Anderl
Ja natürlich, diese ganz klassische Tageszeitung auf Papier, wie wir sie haben – und wir haben ja auch noch viele alte, sehr treue Abonnenten – die ist natürlich nicht beliebig zukunftsfähig, und das ist jetzt auch bei uns schon in den vergangenen Jahren ein Prozess gewesen, dass wir immer stärker unsere Online-Präsenz ausbauen und da auch neue Formate entwickeln müssen. Also ganz früher haben die Redakteure dann wirklich nur auf Print geschrieben und heute ist es auch schon viel vielseitiger geworden das man online immer im Blick haben muss. Wir machen viele Podcasts, wir haben auch Videoformate bei uns, also das muss man immer alles mitdenken. Dann ist natürlich Daten-Journalismus etwas, das sehr wichtig geworden ist. Das ist auch für Doktoranden natürlich interessant, also wenn man programmieren kann und sich mit Statistik auskennt, das ist auf jeden Fall super. Das Ist ja hier auch in Deutschland schon bei vielen Zeitungen sehr stark ausgebaut und das hat auch die Pandemie gezeigt, wie wichtig das ist. Das wird auf jeden Fall immer noch viel stärker werden.
Ansonsten finde ich, ist es schwer vorherzusagen, in welche Richtung die Entwicklung geht. Ob es jetzt wirklich alles voll digital sein wird und die klassische Zeitung, so wie wir sie jetzt haben, völlig aussterben wird, oder ob nicht vielleicht dann doch irgendwann auch wieder Leute feststellen: „Ach, ist ja auch ganz interessant, so eine gedruckte Zeitung vor sich zu haben, die mir auch Artikel präsentiert, die ich vielleicht online gar nicht gesehen hätte, weil irgendein Algorithmus entschieden hätte, dass sie für mich nicht interessant sind.“ Also das, finde ich, ist immer noch ein ganz, ganz wichtiges Argument für eine Print-Zeitung und gerade wenn sie so sehr divers aufgestellt – also divers in einem Themen Aspekt oder in der Themen-Hinsicht gemeint – wie die FAZ. Wir haben ja eine Herausgeber-Zeitung: das heißt, Wir haben vier verschiedene Herausgeber und es ist letztendlich so ein bisschen wie eine Uni, als hätten wir vier verschiedene Lehrstühle. Und das zieht nach sich, dass wir ein sehr, sehr breites Spektrum verschiedener Meinungen bei uns in der Zeitung haben. Also man hat da sehr konservative Artikel – und das sind ja auch die, für die die Zeitung bekannt ist - aber man hat teilweise auch wirklich Artikel, die in eine ganz andere Richtung schreiben. Und das ist etwas, das man in der Zeitung ungefiltert so vor sich zu liegen bekommt. Ich glaube, diese Blasenbildung, die inhaltliche Blasenbildung im Netz, das ist ein Problem, das uns schon sehr besorgen sollte. Ich meine ob jetzt die Konsequenz ist, dass man dann wieder zu einer Zeitung zurückkommt, was meiner Meinung nach eben aus dem Aspekt, dass man auch mit Meinungen konfrontiert wird, die nicht der eigenen entsprechen – ob das wirklich so sein wird? Keine Ahnung.
Aber um zu meiner Ausgangsthese zurückzukommen: deshalb finde ich es nicht ganz so einfach vorherzusagen, wie es weitergehen wird, also ob es so sein wird, dass letztendlich Zeitungen vielleicht auch gar keine Rolle mehr spielen, weil die Menschen sowieso nur das lesen wollen, was sie selber schon denken. Und dann hat jeder seinen Lieblings-Blogger, den er liest, oder ob sich das vielleicht dann doch in die Richtung entwickelt, dass es einfach klar ist, dass man da irgendwie gegensteuern muss, dass man Leute mit unliebsamen Meinungen konfrontieren muss. Aber es ist auf jeden Fall ein sehr spannendes Feld, schwer vorherzusagen. Da wird viel, viel passieren. Ich glaube, Datenkenntnis, und dann einfach sehr viel Flexibilität, neue Sachen auszuprobieren.
Sven Reitzig (GA)
Haben sie zum Abschluss noch einen Ratschlag für Berufseinsteiger in Ihrer Branche? Also was würden Sie sagen, wäre das Wichtigste, was zu beachten wäre oder wo man vielleicht viel gewinnen kann?
Dr. Sibylle Anderl
Auch da ist halt bei mir immer das Problem, dass ich so einen sehr untypischen Werdegang hatte. Es gibt ja so Ausbildungsprogramme die man sozusagen auf das fachwissenschaftliche Studium draufsattelt, dass man so eine journalistische Grundausbildung bekommt. Ich glaube, so etwas schadet definitiv nicht, schon alleine um zu sehen, ob das was für einen ist oder nicht. Ansonsten einfach: ganz viel schreiben. Das ist, glaube ich – und viel lesen, natürlich! – das, was ich vorhin auch gesagt hatte, dass man selber dazu kommt, für sich selber zu wissen: was für Artikel finde ich gut? Wie will ich schreiben? Es ist ein bisschen so, als würde man ein Instrument lernen mit dem Schreiben, dass man wirklich ganz verschiedene Stilrichtungen hinbekommt, dass man verschiedene Dinge ausprobiert und dass man immer sicherer wird im Umgang mit der Sprache und darin, wie man schreibt. Und wenn man das dann heraus hat, glaube ich, und man das dann noch mit Fachkompetenz kombinieren kann, dann hat man glaube ich gar nicht so eine schlechte Startposition.
Sven Reitzig (GA)
Zum Abschluss noch eine letzte Frage: wenn Geld keine Rolle spielen würde, was würden Sie dann am liebsten tun?
Dr. Sibylle Anderl
Also Geld hat für mich ehrlich gesagt noch nie eine riesengroße Rolle gespielt und ich weiß, wie privilegiert das auch schon wieder als Aussage ist, aber ich könnte mir vorstellen, dass sich da viele Doktorandinnen und Doktoranden ein Stück weit auch darin widerspiegeln. Also man ist ja als Wissenschaftler jetzt nicht so ein totaler Konsum-Mensch. Man hat ja auch nicht wahnsinnig viel Zeit, Geld auszugeben. Und insofern habe ich meine Berufswahl, glaube ich, noch nie nach finanziellen Aspekten gestaltet und wahrscheinlich wäre ich so oder so da herausgekommen, wo ich jetzt bin.
Sven Reitzig (GA)
Das ist die schönste Antwort, die man kriegen kann an der Stelle. Dann ist man im richtigen Beruf.
Dr. Sibylle Anderl
Genau.
Sven Reitzig (GA)
Ja Frau Anderl, dann vielen Dank für das ausführliche und sehr sympathische Interview. Ich denke, wir haben sehr tiefen Einblick in Ihr Berufsfeld und die Arbeitsweise der Wissenschaftsjournalistin und des Wissenschaftsjournalisten bekommen. Und wenn da draußen sich jemand für Ihr Berufsfeld interessieren sollte, ist er oder sie jetzt, denke ich, definitiv schlauer als vorher.
Dr. Sibylle Anderl
Das würde mich freuen.
Sven Reitzig (GA)
Dann bedanke ich mich für Ihre Zeit und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Dr. Sibylle Anderl
Vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Arlett Baltzer (*1983)
Selbstständige Patentanwältin und European Patent Attorney
Expertin für alle Fragen rund um den Gewerblichen Rechtsschutz für Einzelerfinder, Startups und Unternehmensgründer
"Ich finde die Mischung aus Naturwissenschaften und Recht einfach total spannend!"
Sarah Naumann:
Herzlich Willkommen zu unserer kleinen Interview Reihe zum Thema außerakademische Karrierewege. Diese Reihe ist entstanden in Zusammenarbeit mit der Graduiertenakademie der TU Dresden und im Rahmen des Future Career Programs. Wir wollen euch hier einen kleinen Einblick geben in mögliche Berufswege, die euch nach der Promotion offenstehen. Gerichtet ist es also an Studierende, die gerade in der Endphase sind ihrer Promotion, aber auch an solche, die vielleicht gerade am Anfang ihrer Promotion sind, oder mittendrin, aber natürlich auch an Studierende, die vielleicht gerade noch überlegen: Promotion - ja oder nein? Wir wollen euch hier quasi einen kleinen Einblick geben: Was steht euch offen nach der Promotion? Mein Name ist Sarah Naumann und heute rede ich mit Dr. Arlett Baltzer und da freue ich mich ganz besonders drüber, denn Arlett ist nicht nur Naturwissenschaftlerin, sondern auch Anwältin. Und das finde ich sehr spannend und deswegen freue ich mich Arlett, dass du dir heute die Zeit genommen hast. Also erstmal: Hallo Arlett!
Dr. Arlett Baltzer:
Hallo, vielen Dank für die Einladung zum Interview.
Sarah Naumann:
Gerne. Stell dich und deinen Beruf doch einmal kurz vor.
Dr. Arlett Baltzer:
Ich bin Arlett Baltzer, ich bin gelernte Pharmakantin und hab dann nach der Ausbildung Chemie an der TU Dresden studiert und in der Makromolekularen Chemie auch promoviert. Ich hab nach meiner Promotion dann angefangen, in einer Dresdner Patent Anwaltskanzlei zu arbeiten als Patent Professional oder Patent Sachbearbeiter und hab mich dann im Zuge dessen entschieden, dazu die Patentanwaltsausbildung zu machen und hab die dann in München in einer großen renommierten Kanzlei gemacht und bin mittlerweile selbstständige Patentanwältin mit meiner eigenen Kanzlei pateum.
Sarah Naumann:
Das klingt super spannend. Was ich mich hier fragen würde: Da kam jetzt schon so ein bisschen raus erstmal dein Werdegang, wie der so war und man hat gemerkt, dass du dich ein bisschen umorientiert hast, also dein Fachgebiet hat sich schon geändert. War das Absicht? Also wolltest du von der Chemie weg oder wärst du eigentlich lieber gerne in der Chemie geblieben, aber es hat sich so ergeben? Also was war der Grund dafür?
Dr. Arlett Baltzer:
Das hat sich tatsächlich so ergeben. Also ich muss gestehen, dass ich zu Studienbeginn nicht wusste, dass das ein möglicher Weg für Naturwissenschaftler oder auch einen Ingenieur ist, nachher Patentanwalt zu werden oder werden zu können. Ich hab dann im Rahmen des nicht chemischen Wahlfachs so eine Vorlesungsreihe gehört und da ging es eben auch um Patentrecht. Die hat ein Patentanwalt aus Dresden gehalten und der hat uns dann im Prinzip erklärt, wie man zu diesem Beruf überhaupt kommen kann sozusagen und das fand ich super spannend auch die Vorlesung fand ich super spannend und ja, dann dachte ich warum nicht? Ist das vielleicht was für mich?
Sarah Naumann:
Ja, das kann ich übrigens bestätigen. Ich habe den ZIPR Kurs auch mitgemacht, der ist wirklich sehr interessant.
Du hast jetzt schon gesagt du bist selbstständig. War das für dich auch schon immer ein Traum, nicht in einem Arbeitnehmerverhältnis zu sein?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja unbewusst glaube ich schon, ja. Also Selbstständigkeit hat schon viele Vorteile sicher auch viele Nachteile, also „selbst und ständig“ ist sicher auch ein Thema, das man so ein bisschen selbst in den Griff bekommen muss, aber unterm Strich ist es glaube ich genau mein Ding. Wenn man so ein bisschen unternehmerisches Denken auch hat, ist das genau das richtige, glaub ich.
Sarah Naumann:
Hat es noch andere Vor- und Nachteile, das Selbstständig-sein?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja wie gesagt „selbst und ständig“, also man kann schon immer wieder arbeiten beziehungsweise denkt vielleicht auch ja, heute muss ich das doch noch fertig machen morgen kommt wieder was neues und man muss sich natürlich auch um viele andere Sachen ringsum kümmern. Also Thema Buchhaltung, IT usw. Dafür muss man sich halt auch Zeit nehmen, aber auf der anderen Seite ist man natürlich auch super flexibel, also ich kann auch nachmittags mir mal eine Stunde freinehmen, die hänge ich zwar abends meistens dann doch wieder dran, aber die Flexibilität hat man natürlich in einem festen Angestelltenverhältnis nicht unbedingt.
Sarah Naumann:
Und das machst du alles selbst, sprich IT, Buchhaltung, das liegt alles bei dir?
Dr. Arlett Baltzer:
Also mittlerweile habe ich viele Sachen ausgelagert, aber zu Beginn hab ich auch viele Sachen selbst gemacht, also ein Steuerberater braucht natürlich vorbereitende Arbeit usw. Aber jetzt Schritt für Schritt holt man sich dann Hilfe, es gibt jetzt auch virtuelle Assistenten. Ganz viele, die man sich holen kann. Beispielsweise holt man sich dann Unterstützung beziehungsweise tendenziell irgendwann kann man natürlich auch über - oder ich denke schon länger darüber nach, jemanden anzustellen, muss man aber immer abwägen. Damit spielt natürlich auch einher, dass man dann auch die Verantwortung trägt, wenn man einen Mitarbeiter hat, einen festen.
Sarah Naumann:
Was für einen Mitarbeiter würdest du dann suchen - einen Patentanwalt oder geht das in eine andere Richtung?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja also zum einen auf jeden Fall einen Patentanwaltsfachangestellten, der quasi sich um die Bürosachen kümmert. Das kann man wie gesagt auch über virtuelle Assistenz auslagern. Aber ja tendenziell irgendwann, nicht unbedingt einen fertigen Patentanwalt aber vielleicht einen Patentanwaltskandidaten, der quasi in die Ausbildung gehen will. Oder wirklich jemand, der sagt ich möchte die Ausbildung nicht machen, aber in dem Beruf arbeiten und eben dann einfach als Patent Sachbearbeiter wie ich das damals auch in Dresden in der Kanzlei gemacht habe, eben dann unterstützt.
Sarah Naumann:
Diese Ausbildung, die du ja auch gemacht hast, das würde mich doch mal interessieren wie kann man sich das vorstellen? Wie sieht die aus? Wie lange dauert die?
Dr. Arlett Baltzer:
Genau, also die Patentanwaltsausbildung geht 3 Jahre. Das sind im Prinzip 2 Wege, die man parallel macht. Es gibt da einmal den deutschen Patentanwalt und dann gibt es den europäischen Vertreter, heißt es, nicht Patentanwalt das ist der europäische Vertreter, das sind quasi 2 Ausbildungen. Beim deutschen Patentanwalt macht man Kanzleiarbeit 2 Jahre in der Kanzlei deiner Wahl und dann machst du ganz normale Aktenarbeit, machst nebenher ein Fernstudium an der Universität Hagen. Und im letzten Jahr musst du nach München ins sogenannte Amtsjahr. Für 8 Monate geht das, dort arbeitest du quasi auf der anderen Seite, also im Amt, beim deutschen Patent- und Markenamt und im Bundespatentgericht, hast dort auch nochmal Vorlesungen und schreibst natürlich dann auch noch eine Abschlussprüfung und zwischendrin während du das Fernstudium machst in Hagen, hast du natürlich auch immer Einsendeaufgaben, Abschlussarbeiten. Und was du eben dann parallel machen kannst, was auch so der Standard ist und was viele auch einfach machen, ist halt diese europäische Prüfung noch dazu. Das heißt, dann kannst du nach 2 Jahren in die europäische Eignungsprüfung gehen, da ist zuerst die Vorprüfung und ein Jahr später hast du dann die Hauptprüfung. Genau wenn du die schaffst, bist du dann eben europäischer Vertreter.
Ist also nochmal ein langer Weg.
Sarah Naumann:
Ja also nach der Promotion nochmal mindestens 3 Jahre quasi und kann man sich das dann vorstellen wie ein- fast wie ein Jurastudium oder geht es eher in eine andere Richtung?
Dr. Arlett Baltzer:
Also dieses Fernstudium in Hagen ist tatsächlich, ja, wie so ein Jura Grundstudium also, da will ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber da geht es schon einfach wirklich um diese Basics, Vertragsrecht usw., was wir eigentlich später dann auch nicht unmittelbar beraten dürfen. Genau, bei den anderen geht es natürlich dann klar um Patentrecht, Markenrecht, Designrecht und alles, was dazu gehört. Und in diesem europäischen Ausbildungsweg, den man wie gesagt auch losgelöst von dem Deutschen machen kann, ist es natürlich nur das europäische und internationale Patentrecht, was man dort lernt.
Sarah Naumann:
Also ist es schon nochmal ein relativ langer Weg insgesamt. Ist die Promotion zwingend notwendig für diese Ausbildung zur Patentanwältin oder könnte man das auch direkt nach dem Master oder nach dem Diplom machen?
Dr. Arlett Baltzer:
Theoretisch kann man das direkt auch ohne Promotion machen. Ich glaube, dass, also für meinen Job in Dresden, war das glaub ich auch unerheblich, ob ich promoviert bin oder nicht, beziehungsweise war ich es da ja faktisch noch nicht, weil ich ja auch noch zusammen schreiben musste und nur meine Laborarbeit beendet hatte. Aber ich glaube, für die Ausbildung in München war das sicher von Vorteil, also dort waren alle Patentanwaltskandidaten und auch alle Patentanwälte so im chemischen, biologischen Bereich, auf jeden Fall promoviert.
Und was vielleicht noch die Arbeit jetzt betrifft: man arbeitet ja auch mit Rechtsanwälten zusammen und dort wird die Promotion glaub ich mit einem höheren Stellenwert angesehen, einfach weil das dort ja nicht so häufig ist, dass man promoviert. Also das bei den Volljuristen meine ich jetzt. Genau das hat glaube ich einfach nochmal so einen anderen Stellenwert, wenn man promoviert ist.
Sarah Naumann:
Also jemand, der Jura studiert hat, promoviert eher weniger wahrscheinlich.
Dr. Arlett Baltzer:
Ja.
Sarah Naumann:
Also bei uns ist es ja - es gehört irgendwie dazu.
Dr. Arlett Baltzer:
Ja genau.
Sarah Naumann:
Sehr interessant auf jeden Fall. Die nächste Frage wäre: Wofür bist du Experte? Also wenn wir jetzt mal deinen jetzigen Beruf uns angucken? Das war jetzt eher so dein Werdegang und was ist jetzt dein täglich Brot quasi.
Dr. Arlett Baltzer:
Mein täglich Brot… Im Prinzip alles, also Patentrecht, vom Ausarbeiten von Patentanmeldungen, Einreichen und dann letztendlich auch bis zur Erteilung begleiten das ganze Anmeldeverfahren. Am Ende auch durchsetzen, wenn es zu Streitfällen kommt. Patent ist aber wie gesagt nur eine Richtung. Das Markenrecht ist halt eine andere, da bin ich eigentlich auch, glaube ich, nach außen hin, wenn man mich jetzt irgendwie sucht, findet man glaube ich mehr zu Markenrecht als zu allem anderen. Das ist ein ganz großer Bestandteil meiner Arbeit, wirklich die Markenanmeldung, auch die Durchsetzung also sprich wenn jetzt irgendwie jemand Rechte Dritter verletzt, Abmahnungen, sowohl wenn jemand Abmahnungen bekommt, als auch ebenfalls abgemahnt werden muss. Genau und ja, Design ist so ein eher untergeordneter Bereich, glaube ich, Designrecht spielt nicht die größte Rolle. Expertin weiß ich nicht, aber ich hab auf jeden Fall ein Fachbuch zum europäischen und internationalen Patentrecht geschrieben. Also ich glaube, dass ich da auch ganz gut aufgestellt bin mit.
Sarah Naumann:
Da denke ich, trifft der Begriff Expertin doch auf jeden Fall zu.
Ok, meine nächste Frage wäre gewesen, ob du dich eher als Naturwissenschaftlerin oder eher als Anwältin siehst, aber ich hab das Gefühl, das hat sich jetzt schon beantwortet. Ganz klar Anwältin, oder?
Dr. Arlett Baltzer:
Ich glaube, der Fokus liegt definitiv auf der auf der Anwältin, ja.
Sarah Naumann:
Also es ist jetzt auch so, dass nur weil du Chemie studiert hast, du dich nicht auf Patente im chemischen Bereich beschränken musst, richtig?
Dr. Arlett Baltzer:
Also ich darf im Prinzip alles machen, aber tatsächlich ist es so, dass ich mit anderen Kanzleien oder mit anderen Anwälten auch kooperiere. Also ich sag mal so, das große Thema ist ja im Moment diese ganze KI Geschichte, Computerimplementierte Erfindungen und so weiter und das ist zum Beispiel was, was ich immer an Kollegen abgebe. Ich sag mal so: einfache Sachen, die man natürlich verstehen kann, ich hab letztens eine Anmeldung zu einem Bilderrahmen gemacht, das ist so ein Klick-System. Bilderrahmen-System, ich sag mal das das kann man fassen, das versteht man, sowas schreibe ich selbst aber sobald es irgendwie ganz speziell wird, wie gesagt, oder irgendwie in den Softwarebereich geht, dann gebe ich sowas auch ab.
Sarah Naumann:
Okay, ja. Was würdest du sagen, für wen ist dein Beruf der richtige Weg? Wenn jetzt jemand kommt und sagt, er will auch Patentanwalt werden?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, auf jeden Fall jemand, der Lust auf juristische Sachverhalte hat, auch Lust hat sich da tiefer reinzudenken, in kompliziertere Sachen auf jeden Fall. Leute, die sich nicht vor dem langen Ausbildungsweg scheuen und nochmal viele Prüfungen zu absolvieren, auf jeden Fall. Man man muss sich auf jeden Fall auch bewusst machen, dass man durchaus auch tagelang mit Akten allein in seinem Büro verbringt. Also wer sich davon nicht abgeschreckt fühlt, für den ist das sicher was.
Sarah Naumann:
Ja, stell ich mir aber eigentlich auch ganz interessant vor, weil man ja immer irgendwo am Zahn der Zeit ist und immer neue Erfindungen mitbekommt.
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, also ich finde auch einfach diese Mischung aus Naturwissenschaft und Recht ist total spannend. Das ist auch sehr analytisch, also das passt auch total gut zu unserem Studium eigentlich.
Sarah Naumann:
Ja, stimmt.
Was fasziniert dich am meisten an deinem Beruf?
Dr. Arlett Baltzer:
Ich glaube, das ist genau das. Eben diese Mischung aus Recht und Naturwissenschaft, dass man da irgendwie auf der einen Seite halt an den neusten Erfindungen im Prinzip dran ist und das dann aber in so einen rechtlichen Kontext bringt.
Sarah Naumann:
Und im Gegensatz dazu, für welche Aufgaben musst du dich vielleicht doch noch besonders motivieren oder was sind vielleicht eher so die Nachteile?
Dr. Arlett Baltzer:
Motivieren ist immer noch alles, was mit Buchhaltung, Steuern, vorbereitende Steuererklärung zu tun hat. Das sind glaube ich so die Sachen. Also alles, was so ringsum ist in der Selbstständigkeit sind die Sachen, die die meiste Motivation benötigen.
Sarah Naumann:
Ja, das kann ich mir vorstellen.
Wenn wir jetzt nochmal über die Promotion nachdenken, was hat dir denn -unabhängig davon, was du jetzt schon dazu gesagt hast- aber hat dir Promotion auch richtig was gebracht für deinen Beruf, also fachlich?
Dr. Arlett Baltzer:
Also wenn ich ehrlich bin, glaube ich nein. Also es hat mich eher gelehrt, dass man konzentriert an einer Aufgabe arbeitet, dass man zielorientiert arbeitet, strukturiert arbeitet. Also ich glaube, man lernt in der Promotion wesentlich mehr ringsum als jetzt wirklich was das Thema betrifft. Das Thema selbst spielt überhaupt keine Rolle mehr.
Sarah Naumann:
Oft merkt man während der Promotion gar nicht, was man gerade alles lernt, oder?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, also, das würde ich auch sagen, man sieht es ja auch daran, dass doch einige auch einfach abbrechen. Selbst dann, wenn sie eigentlich quasi schreibbereit sind, sozusagen irgendwie, dann immer noch sagen ‚Nein, ich mach das nicht zu Ende‘ und das ist glaube ich auch dieses Durchhalten und so. Das sind glaub ich Sachen, die man da wirklich - das ist das Eigentliche, was man beim Promovieren lernt menschlich.
Sarah Naumann:
Ja, das ist aber auch wichtig!
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, absolut!
Sarah Naumann:
Und wieder im Gegensatz dazu, was musstest du nach der Promotion noch dazulernen? Also natürlich du hast noch die Ausbildung gemacht, aber unabhängig davon.
Dr. Arlett Baltzer:
Also im Prinzip alles, was diesen ganzen rechtlichen Bereich betrifft, musste ich komplett alles dazu lernen und im Prinzip lernen wir ja auch täglich dazu, weil immer wieder Erfindungsmeldungen aus den verschiedenen Bereichen kommen. Und man muss sich ja immer wieder in die einzelnen Bereiche rein denken, in die einzelnen Sachverhalte also auch wenn man jetzt in der Makromolekularen Chemie promoviert hat und es kommt was aus einem anderen chemischen Bereich oder es kommt irgendwie eine Creme Zusammensetzung oder irgendwas Pharmazeutisches, muss man sich natürlich immer wieder in die einzelnen Sachverhalte rein denken.
Sarah Naumann:
Die nächste Frage wäre, wie dein Arbeitsalltag so aussieht. Wie kann man sich das vorstellen, nachdem du früh aufgestanden bist? Was sind zum Beispiel die 3 wichtigsten Aufgaben, die du regelmäßig erledigen musst?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, was ich immer als erstes mache ist auf jeden Fall Post. Emails und Post, das ist bei uns einfach deshalb so wichtig, weil das Amt schickt natürlich Amtspost und die löst meist irgendeine Frist aus und die muss natürlich notiert werden. Also wir arbeiten ja immer nach Fristen ganz stringent also das ist so das Wichtigste. Ansonsten ja, Telefonate sind immer ein Thema, Mandantentelefonate, und ansonsten natürlich die Aktenarbeit, also alles vom Ausarbeiten, Bescheidserwiderung, Anmelden von Schutzrechten - das sind die täglichen Sachen.
Sarah Naumann:
Und vermutlich kommen dann halt einfach Anfragen rein von Leuten, die etwas erfunden haben und dann kannst du quasi beraten.
Dr. Arlett Baltzer:
Genau also Erstberatung ist auch immer so ein Thema, da Kostenvoranschläge rausschicken gehört auch dazu ja.
Sarah Naumann:
Okay. Wir hatten das schon ein bisschen angerissen zum Thema Selbstständigkeit, aber wie schafft man es, bei so einem Beruf Privatleben und Arbeitsleben in Einklang zu bringen? Hat man noch genug Zeit für sich selbst als Patentanwältin?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, Zeit muss man sich glaube ich, immer nehmen für die Sachen, die einem wichtig sind, sag ich immer so schön. Ja, also einfach strukturiert arbeiten nach Plan und dann muss man sich halt einfach die Zeit nehmen.
Sarah Naumann:
Gibt es etwas, das du an deiner aktuellen Position verändern würdest, wenn du könntest?
Dr. Arlett Baltzer:
Wie gesagt, das Thema, was bei mir ganz groß ist eigentlich schon seit fast einem Jahr ist eben dieses: Stell ich jemanden ein oder erweitere ich mich oder schließe ich mich vielleicht auch mit anderen Kollegen zusammen? Vergrößere ich die Kanzlei, das ist halt so ein Thema. Ich bin im Moment da noch so ein bisschen zurückhaltend wie gesagt. Sobald man Personalverantwortung hat, ist das halt nochmal ein ganz anderes Thema in meinen Augen. Mal schauen, was die Zeit bringt.
Sarah Naumann:
Ja. Mal angenommen, es wird jetzt so ein bisschen utopischer und geht ein bisschen Richtung Fantasie, wenn Geld gar keine Rolle spielen würde, was würdest du dann am liebsten tun?
Dr. Arlett Baltzer:
Also, ich arbeite einfach viel zu gerne. Ich glaube, ich würde das genauso weitermachen.
Sarah Naumann:
Wirklich ja? Das ist aber schön.
Ich glaube, dass gar nicht so viele die Frage so beantworten können. Ich glaube, viele würden dann sagen ich würde nur noch meinem Hobby nachgehen den ganzen Tag, von daher.
Dr. Arlett Baltzer:
Ich glaube, auf Dauer wird das irgendwann langweilig. Also ich glaub schon, dass ich einfach weiter arbeiten würde. Wie gesagt dieses Thema mit sich vielleicht mehr Unterstützung holen ist sicher dann was ich dann machen würde mit einem ruhigeren Gewissen aber an sich arbeite ich einfach zu gern.
Sarah Naumann:
Ja, das ist schön. Und jetzt zum Schluss, also wir sind schon fast durch mit meinem Fragenkatalog, würde ich gerne noch wissen, ob du vielleicht ein paar Ratschläge geben kannst für eben Studierende, die das jetzt hören. Was glaubst du wie der Arbeitsbereich beziehungsweise die Branche sich verändern wird in den nächsten Jahren und was für Personen mit welchen Fähigkeiten werden dann gebraucht?
Dr. Arlett Baltzer:
Na ja, ein ganz großes Thema ist eigentlich schon seit 2, 3 Jahren jetzt das Thema KI also auch im Anwaltsbereich gibt es jetzt eigentlich schon künstliche Intelligenzen, die zum Beispiel Recherchen übernehmen, die auch Auswertungen machen. Im Ausland plant - oder nicht plant, sondern gibt es wohl sogar schon Versuche dazu, dass KI‘s auch Patentanmeldungen schreiben. Die sind allerdings im Moment noch nicht so ganz zu gebrauchen. Zumindest halten die dann einem Prüfverfahren meistens nicht stand, aber tatsächlich entwickelt sich die Branche definitiv dahin, dass viel von KI übernommen werden wird. Und ich glaube auch, dass entsprechend weniger Anwälte leider irgendwann gebraucht werden, also wie sich das entwickelt und wie schnell weiß man nicht, aber definitiv ist das was, womit wir uns in den nächsten Jahren auseinandersetzen müssen.
Sarah Naumann:
Verstehe.
Hast du vielleicht jetzt ganz zum Abschluss noch ein Ratschlag für entweder Berufseinsteiger direkt oder vielleicht so als zweite Frage, für die, die jetzt gerade im Abschluss ihrer Promotion sind und überlegen, ob sie die Ausbildung zum Patentanwalt starten sollen?
Dr. Arlett Baltzer:
Ja ein Tipp: Also ich glaube, dass es eine ganz gute Entscheidung war, so wie ich das gemacht habe, dass man vielleicht erstmal in den Beruf reinschnuppert. Dass man einfach darin arbeitet als Patent Professional, Patent Sachbearbeiter, wie auch immer man das nennen will, und dass man einfach schaut, ist es wirklich was für mich, halte ich das durch kann ich das mein Leben lang machen oder ist dann die Akte doch zu langweilig? Weil ich glaube einfach, wenn man einmal die Ausbildung gemacht hat und eine Zeit in dem Job gearbeitet hat, ist es super schwer, sich da wieder raus - also, ich sage immer das ist wie eine kleine Sackgasse, wenn man so will. Weil ich glaube, wenn man irgendwie nach mehreren Jahren dann versucht, wieder in der normalen Industrie einen Job zu bekommen, also jetzt in meinem Fall als Laborleitung oder so, ist das glaube ich super schwer, weil andere sich dann schon viel weiter entwickelt haben und dort entsprechende Berufserfahrung gesammelt haben. Und wie gesagt, wenn man jetzt nach 5, 6, 7 Jahren versucht, da eben rauszukommen aus diesem Patentwesen, dann ist das glaube ich relativ schwer, deshalb sollte man wirklich vorher schauen ist das wirklich was für mich? Und dann erst die Ausbildung angehen, zumal auch der Ausbildungswee einfach wirklich lang und zeitintensiv ist.
Sarah Naumann:
Ja, damit auch irgendwo kostenintensiv, weil man ja in der Zeit keinem anderen Beruf nachgehen kann, oder?
Dr. Arlett Baltzer:
Absolut ja.
Sarah Naumann:
Und du warst dann quasi hier in Dresden bei dem Patent Informationszentrum und hast Zuarbeit geleistet bei den Patentanwälten dort oder wie kann man sich das vorstellen?
Dr. Arlett Baltzer:
Nein, Ich hab tatsächlich in einer Dresdner Kanzlei gearbeitet.
Sarah Naumann:
Ach so!
Dr. Arlett Baltzer:
Ja, und dort arbeitest du im Prinzip auch als Patent Professional machst die ganz normale Anwaltsarbeit. Du arbeitest genauso an der Akte, also du kriegst einen kompletten Einblick in die Arbeit tatsächlich. Das einzige was du eben noch nicht hast, ist die Ausbildung beziehungsweise darfst entsprechend halt auch nicht unterschreiben. Das sind dann so Sachen, das macht dann eben dein Chef sozusagen, aber du erhältst den kompletten Einblick in die Arbeit.
Sarah Naumann:
Das klingt wirklich perfekt um sich zu überlegen, ob das was für einen ist.
Und für Berufseinsteiger, also für jene, die die Ausbildung mal angenommen jetzt gemacht haben, hast du da auch noch einen Ratschlag, die jetzt vielleicht überlegen was für Möglichkeiten stehen mir offen? Muss man selbstständig werden oder was kann man noch tun?
Dr. Arlett Baltzer:
Nee, also man kann natürlich auch ganz normal in einer Kanzlei als angestellter Anwalt arbeiten. Das ist, glaube ich, auch eher der Standard, weil man muss sich natürlich auch bewusst sein, wenn man sich selbstständig macht, die Mandanten klingeln nicht von selbst an der Tür. Also die Akquise, sagt man immer so schön, ist die Königsdisziplin des Ganzen. Man muss sich natürlich dann auch irgendwo präsentieren oder zeigen, dass es einen gibt. Das heißt also eine Festanstellung ist sicher auch ganz attraktiv. In einer großen Kanzlei hat man ja dann tendenziell auch nach ein paar Jahren dort die Chance, irgendwann aufzusteigen und gegebenenfalls auch Partner in der Kanzlei zu werden.
Sarah Naumann:
Das klingt auf jeden Fall nach einem sehr interessanten Beruf. Auch mit viel Arbeit verbunden, finde ich vor allem auch der Ausbildungsweg. Aber ich denke, es lohnt sich.
Dr. Arlett Baltzer:
Ich denke auch.
Sarah Naumann:
Ok, dann würde ich das Ganze hier abschließen und mich nochmal ganz herzlich bei dir bedanken, dass du dir die Zeit genommen hast.
Und wünsche allen, die jetzt hier zuhören, viel Erfolg bei der Orientierung. Ich hoffe, das war eine kleine Hilfe, dass ihr euch vielleicht für den Beruf des Patentanwalts, der Patentanwältin entscheidet. Und ich wünsche dir noch einen schönen Tag.
Dr. Arlett Baltzer:
Vielen Dank nochmal für die Einladung.
Sarah Naumann:
Gerne!
Dr. Christian Demuth (*1971)
Politikwissenschaftler und Historiker, Parlamentarischer Berater auf Landes- und Bundesebene
Experte für politische und parlamentarische Prozesse auf kommunaler-, Landes- und Bundesebene, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, politische Parteien
"Die Politik wird dann halt doch in der Politik gemacht. Dort geht es eben auch darum, das Leben der Menschen und die Gesellschaft immer besser zu machen und ich glaube, dass diese Anstrengung es – trotz der Abwertung der Politik durch Teile der Gesellschaft – Wert ist."
Audiodatei
Dr. Christian Demuth (Philipp) 1.m4a
Das Interview wurde maschinell transkribiert und nur leicht überarbeitet.
Philipp Buchallik
Lieber Herr Doktor Demuth, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben mit uns ein Interview zu außer akademischen Karrierewegen nach der Promotion zu führen. Ich fange auch direkt mit der ersten Frage an. Würden sie uns kurz sich und ihren Beruf vorstellen?
Christian Demuth
Ja, danke für die Einladung mache ich gerne. Mein Beruf ist parlamentarischer beziehungsweise politischer Berater, das heißt ich arbeite als Berater für Politikerinnen und Politiker in verschiedenen Institutionen und bereite Information politische Informationen auf, arbeite über politische Kommunikation, arbeite über verschiedenste Politikfelder, Policy-Felder und arbeite auch an politischen Netzwerken etc mit, in verschiedenen politischen Institutionen. So kann man das wahrscheinlich zusammenfassen.
Philipp Buchallik
Und was haben Sie studiert und warum?
Christian Demuth
Eigentlich habe ich Geschichte studiert, mit Nebenfächern Deutsche Literaturwissenschaft und Politikwissenschaft und habe mich zudem politisch sehr interessiert, auch politikwissenschaftlich, obwohl es mein Nebenfach war, war das ein ganz zentrales Fach für mich und war auch immer sehr politisch engagiert. Sag ich mal, ich war in der Studierendenvertretung. Ich habe mich quasi auch über das Studium hinaus sehr, sehr stark für Politik interessiert und wollte aber doch auch wirklich den wissenschaftlichen Weg gehen, also deswegen habe ich mich auch um die Promotion bemüht und habe die dann eben auch angefangen in Dresden. Und ja, und wollte mich eben auch tiefgehend mit politikwissenschaftlichen Fragen beschäftigen und das war schon meine Grundintention am Anfang und hab das dann auch so durchgezogen.
Philipp Buchallik
Und inwieweit kann man jetzt sagen, als promovierter Politikwissenschaftler sind sie bei ihrem Fach geblieben, als politischer Berater?
Christian Demuth
Naja, eigentlich natürlich. Natürlich bin ich so gesehen im Fach geblieben, weil natürlich Politikwissenschaften mit seinen verschiedenen Dimensionen mit Politik, Forschung mit Institutionen, Forschung mit letztlich auch politischer Theorie. Das geht immer ein bisschen unter. Also natürlich ist man da im Fachgebiet geblieben, aber gleichzeitig natürlich ist das etwas komplett Anderes. Also es war am Anfang vor allem, sodass mir sehr schnell vor Augen geführt wurde, dass eigentlich Politikwissenschaft das Fach wenig in der Praxis mit meinem Job zu tun hat und trotzdem wäre es ohne die Vorbereitung im Fach auch noch viel, viel schwieriger gewesen.
Also es gibt ja vom Prinzip zwei Möglichkeiten, in diesem Beruf zu gelangen, als politischer Berater. Das eine ist quasi, dass man aus dem politischen Engagement heraus. Politischer Berater wird also, indem man in einer Jugendorganisation in der Zivilgesellschaft aktiv ist zu Politik, über Politik und dann sich quasi in einer politischen Beratungsstelle begibt oder eben aus der fachlichen, aus der inhaltlichen Motivation heraus. Das sind viele Juristinnen und Juristen sind in diesem Bereich tätig, aber auch einige Ökonomen, aber natürlich auch viele Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler und auf jeden Fall auch aus dem Bereich Politikwissenschaft. Deswegen ist es quasi nicht so, dass nur eine politikwissenschaftliche Promotion dazu befähigt den Job als politischer Berater oder Beraterin zu übernehmen. Aber es ist auch nicht ganz schlecht das studiert zu haben, vor allem, wenn man selber ein bisher noch nicht in also quasi wirklich engagiert war in politischen Prozessen und das noch nicht wahrgenommen hat, wie das denn wirklich dann in der Praxis funktioniert.
Philipp Buchallik
Und wie ist das konkret bei Ihnen gelaufen? Wie sind sie vom promovierten Politikwissenschaftler zum politischen Berater geworden?
Christian Demuth
Weil ich glaube, ein Grund war ich habe es gerade schon erwähnt, ich war schon immer sehr politisch und gesellschaftlich engagiert und wenn man das ist - um mal die gewagte These reinzuwerfen - dann ist es wirklich auch wenn man das wirklich auch anstrebt und macht, dann wird es mit der Konzentration allein auf die Wissenschaft eben auch schwieriger. Wie ist denn die Wissenschaft? Also wenn man schaut, wer wird Professor dann ist das eben… Gibt ja Studien, die sich das auch einmal angeschaut haben und dann ist der erste Grund, dass wenn man Professor wird, oder Professorin, die quantitative Veröffentlichungsliste. Es ist zweitens, dass man vor allem in Berufungskommissionen. – so hat das mal jemand auf einer auf einer Tagung beschrieben - mindestens einen Freund hat und drittens keinen Feind hat in diesen Berufungskommissionen und diese Konstellation die, dass man eben eigentlich ständig auf Tagungen sein muss, dass man sich völlig konzentrieren muss auf diese wissenschaftliche Laufbahn und links und rechts vieles nicht machen kann. Selbst die Lehre, das ist, hat sich zwar in den letzten Jahren auch ein bisschen gebessert, aber selbst die Lehre an der Universität nicht das beinhaltet was, was ich mir zum Beispiel gewünscht habe. Dann muss man sich irgendwann entscheiden, dass man eben eine wissenschaftliche Karriere weiterführt oder eben in einen anderen Bereich geht und es ist natürlich auch nicht so, dass man sich davon dann völlig von der Wissenschaft verabschiedet, also ich arbeite parallel immer und immer wieder wissenschaftlich veröffentlichte in Zeitschriften und in verschiedenen Publikationen. Das habe ich quasi auch nicht aufgegeben und das hilft auf jeden Fall Politik auch besser zu machen. Ich glaube, dass sich Politik, Wissenschaft und Politik gegenseitig stärker wieder annähern sollten. In dem quasi die Politik mehr auf die Wissenschaft hören sollte, aber auch die Wissenschaft sich stärker öffnen sollte gegenüber der Politik und da ein gegenseitig besseres Verhältnis bekommen sollten und da arbeite ich quasi auch persönlich an diesem Gleichgewicht und deswegen bin ich so gesehen auch im Fachgebiet geblieben, hab mich aber trotzdem eben auch stark umorientiert und genau das gibt dreht sich da so ein bisschen.
Philipp Buchallik
Für was würden Sie sagen, sind Sie Experte?
Christian Demuth
Es gibt natürlich im politischen Bereich sehr unterschiedliche Expertinnen und Experten, also in meiner Profession jetzt, was ich jetzt konkret arbeite, bin ich Grundsatzfragenreferent, das heißt ich weiß, ich muss eigentlich über fast alle Themen, die es gibt, grundsätzlich Bescheid wissen und eine gewisse – ja - Tiefe an Wissen, erwerben und Zusammenhänge verstehen und zusammenbringen und im besten Falle auch eben über Politikwissenschaft hinaus eben auch in andere Fachbereiche wie Psychologie wie Soziologie und Ökonomie. Auf der anderen Seite bin ich eben auch in ein paar Themen, zum Beispiel beim Thema Demokratie, aber auch im Bereich Arbeit, Arbeitsmarkt, Arbeits- und Sozialstaat und auch bei dem Thema Rechtspopulismus würde ich mich schon auch als Experten bezeichnen, so dass ich da auch tiefergehendes wissen erarbeitet habe und natürlich ist es so, wie in jedem Job, dass natürlich das Wissen steigt. Dass man eben auch, selbst wenn man jetzt einen Schwerpunkt im Studium hatte oder in der Promotion. politische Institutionen das ist nicht, dass man nur dann ein politisches, guter politischer Berater Beraterin sein kann, wenn man eben auch einen Bereich wie politische Kommunikation. Oder in policy Forschung eben auch. Tiefer Einblicke bekommt und dort Interessen, verschiedene Macht, Konstellationen usw erkennt und die auch einschätzen kann, also von daher ist es natürlich nicht unwichtig. Ich einerseits diesen generalistischen Blick zu haben auf der anderen Seite eben auch in ein paar Themen Gebieten auch. Einen tiefen Einblick und da hat auf jeden Fall die Promotion sehr geholfen, dass man es eben ein einfacher gemacht wird, schnell. Gut in verschiedenste Themenbereiche schnell eintauchen zu können und die sehr schnell zu erfassen, sehr viel zu lesen also es geht eigentlich in meinem Job sehr, sehr viel zu lesen. Wahrscheinlich lese ich täglich 60 70 Seiten allein Pressespiegel und andere Dokumente und und Artikel und oder Studien also das lernt man auf jeden Fall auch in der Promotion und kann eben dann auch helfen. Experte und Experte in ganz verschiedenen Bereichen der Politik zu werden.
Philipp Buchallik
Und was mussten sie nach der Promotion für ihren Beruf erst noch dazulernen?
Christian Demuth
Also zunächst Mal, dass man zum Beispiel Fußnoten in politischen Vermerken nicht braucht. Also es geht quasi weniger um eine lange theoretische Herleitung von Themen und Bereichen, sondern um eine knappe Darstellung. Politiker und Politikerinnen haben kaum Zeit zu lesen, weil sie einfach einen unheimlich dichten Zeitplan haben, wirklich. Es geht quasi um eine Komprimierung von politischen Informationen. Das ist zum Beispiel das, was man lernen muss. Ein 67 Seiten Vermerk wird von Ministerinnen oder Bundestagsabgeordneten oder anderen Entscheidungsträgern kaum gelesen, weil sie dafür keine Zeit haben. Also es geht quasi um Kürze und Komprimierung. Das zweite, was man lernen muss, ist das ja das eine die Theorie ist und das andere eben die Praxis, in der man sehr viel stärker darüber nachdenken muss handlungsweisendes Wissens zu erstellen. Also, dass das quasi wirklich auch einen Mehrwert hat, was man dort schreibt und auf der anderen Seite.
Als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler muss man lernen, dass man, dass man stärker Produkte beschreibt, die dem Nutzer also dem, der den Vermerk oder andere Analysen annimmt, eben auch was bringen, also Handlungsweisen mit klaren Handlungsanweisungen und nicht im Wagen bleiben und nur im Theoretisieren, sondern sehr klare Vorschläge auch mit zu erarbeiten, durchaus im kritischen Sinne also, dass man aber dann sollte sich eben schon auch aus dem Fenster lehnen müssen, um eben bestimmte Vorschläge zu machen.
Und vielleicht drittens noch, was man lernen muss, ist, dass die, das auf der anderen Seite ist, durchaus auch in der Politik gewisse intellektuellenkritische Haltungen gibt. Sagen wir es mal so, und das ist eben auch eine Aufgabe des Politikwissenschaftlers ist oder überhaupt des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerinnen, diese eher theoretischen Ansätze sag ich mal herunter brechen muss auf eine Aussage und auf Möglichkeiten der Umsetzung, weil die meisten Politiker und Politikerinnen wenig Zeit haben, sich mit diesen Theorien zu beschäftigen, sondern sie wollen handlungsleitendes Wissen und daraus dann Ableitungen für sich selbst und für ihre Arbeit und für ihre Politik und das ist quasi auch die andere Aufgabe, dass man das klug herausarbeiten muss und das eben nicht runterfallen lässt.
Philipp Buchallik
Kommen wir vielleicht ein bisschen zu ihrem Berufsalltag? Was sind denn die drei wichtigsten oder drei typischen Aufgaben, die sie ganz regelmäßig erledigen müssen?
Christian Demuth
Wie gesagt es gibt ja sehr unterschiedliche Bereiche, als parlamentarischer Berater oder als politischer Berater in den verschiedenen Institutionen. Es kommt natürlich auf die Institutionen drauf an, aber ich sag mal drei Punkt: Das eine ist quasi viel lesen, man muss quasi in über den Politikbereich für die man zuständig ist, ständig aktuell informiert sein das bedeutet, man muss sowohl Zeitungen, natürlich heutzutage auch soziale Medien, auch Fach Publikationen im Blick haben und muss eigentlich ständig ja letztlich up to date sein und im nicht nur today im Sinne von was ist bisher passiert, sondern eigentlich muss man auch Trends erkennen. Man muss sich Zukunftsentwürfe anschauen und die einordnen, je nachdem, wo man halt einordnet, ob das quasi etwas ist mit dem man irgendwelchen Wegen gehen kann, oder nicht.
Zweitens ist es ein wichtiger Punkt, dass man Vermerke oder eben Produkte dann also produziert. Die Politik hat natürlich - je nach Institution, in der man arbeitet - natürlich einen unheimlichen schnellen Lauf. Oft, also jeden Tag wird eine Sau durchs Dorf getrieben, kann man einerseits sagen und andererseits hört es ja nie auf, also es werden ständig Gesetze oder Kommunikation produziert, dass man ist also quasi immer auch in Arbeit, dass man einen bestimmte Produkte erarbeitet, sei es quasi einen Gesetzestext, sei es eine Pressemitteilung, sei es ein Analysepapier, sei es die Darstellung von aktuellen Themen und Problemen. Also das ist natürlich auch ständig, also jeden Tag macht man das und ich glaube drittens, wenn man ein guter politischer Berater oder Beraterin ist, dann ist glaube ich auch wichtig, sich anzugucken, wie denn die Stimmung ist, ja, sich die Gesellschaft anzugucken, die Entwicklungen und verschiedene Studien anzugucken. Insgesamt quasi auf bestimmte Sachen reagieren und das auch einordnen in seiner Arbeit, das heißt auch und muss letztlich auch nah am Puls der Zeit sein, also nicht nur der Policy-Ideen der konkreten, sondern auch wie sich Gesellschaft entwickelt und daraus auch eigentlich eine Sprache entwickeln, die die Leute verstehen, und da hapert es oft, weil vielleicht auch viele aus der Wissenschaft kommen und weil quasi viele eine Abstrakte Sprache und Schrift entwickelt haben, die weit weg ist von vielen Leuten, die ja in Stadtteilen irgendwo auf dem Dorf oder wo auch immer wohnen. Und ich glaube, das ist auch eine große Herausforderung, selbst eigentlich immer wieder zu lernen und sich quasi an zu arbeiten, also quasi die abstrakte Analysefähigkeit zu behalten und gleichzeitig die Sprache zu verändern, dass es auch andere Leute verstehen können. Das ist glaube ich, auch ein Punkt mit was sich politische Beraterinnen eigentlich beschäftigen sollten.
Philipp Buchallik
Und was für Aufgaben gibt es manchmal, für die sie sich vielleicht besonders motivieren müssen oder die eine größere Herausforderung sind?
Christian Demuth
Es kommt ja immer drauf an, es ist ja auch quasi jede politische Beraterin und Berater natürlich anders, weil es verschiedene Aufgabenbereiche gibt, die mal mehr oder weniger Spaß machen.
Ich könnte jetzt gar nicht sagen, was mich jetzt weniger motiviert in meiner Arbeit, aber es ist natürlich so, dass in besonders heiklen gesellschaftlichen Konflikten, weil man natürlich involviert ist und solche Prozesse, natürlich auch besonders solche emotionalen Konflikte in der Gesellschaft, natürlich auf einen selbst zurückfallen. Nehmen wir zum Beispiel Pegida in Dresden oder Konflikte über Migration, über welche Themen auch immer. Das schlägt natürlich selber auf einen zurück und motiviert einen einerseits natürlich, indem man mit der eigenen Arbeit etwas verbessern will und verändern will. Auf der anderen Seite wirkt das natürlich auch negativ. Wenn die Stimmung halt mega tief ist, dann hat das natürlich auch ganz konkrete Auswirkungen.
Natürlich ist es auch so, wenn man jetzt nicht in einer neutralen Institution als politischer Berater arbeitet, sondern parteipolitisch engagiert ist, dann hat es natürlich auch Auswirkungen, wie es der eigenen Partei oder der eigenen Gruppe geht. Das hat natürlich auch konkrete Auswirkungen auf die eigene Motivation, aber das ist vielleicht noch ein wichtiger Punkt. Das ist natürlich auch immer wieder darum geht das es die Neutralität nicht so richtig gibt, weil gerade Politik hat ja nichts mit Neutralität zu tun, sondern das bedeutet eigentlich immer Konflikt der verschiedenen Interessenlagen, verschiedenen Standpunkte, verschiedenen Zielpunkte und für manche, die vielleicht dieses politische Spiel nicht gerne haben, die vielleicht auch selber keine Haltung haben, die vielleicht selber eben unsicher sind in verschiedensten Positionen. Ich glaube, für die ist es schon manchmal schwer, sich zu motivieren, weil natürlich Politik was mit Mehrheitsverhältnissen zu tun hat. Es hat was mit Machtstrukturen zu tun. Es hat natürlich auch mit damit zu tun, dass man ja letztlich auch Haltung zeigen muss zu verschiedenen Punkten und sich vielleicht nicht durchsetzen kann und so weiter und das sind natürlich ist natürlich eine Grundvoraussetzung, ist anders, als wenn man in der Wissenschaft halt seinen Aufsatz oder ein Buch irgendwie beschreibt und dann kriegt man natürlich auch Feuer von Kolleginnen und Kollegen oder in irgendwelchen Zeitschriften in Rezensionen. Aber es ist natürlich was Anderes in diesem öffentlichen Bereich Teil einer öffentlichen Auseinandersetzung zu sein, die ja heutzutage auch immer heftiger ausfällt. Als politische Beraterin und Berater ist man nicht in der ersten Reihe. Das trifft dann immer die Politikerinnen und Politiker, aber trotzdem ist man natürlich trotzdem irgendwie getroffen, in diesen öffentlichen Auseinandersetzungen, weil man eben doch Teil des Spiels ist.
Philipp Buchallik
Vielleicht jetzt nochmal eine etwas persönlichere Frage? Wie schaffen Sie es denn, Privatleben und Berufsleben in Einklang zu bringen?
Christian Demuth
Also auch hier wird jeder ein bisschen anders sein, natürlich. Wenn man den Beruf der politischen Beraterin oder des politischen Beraters ernst nimmt, dann ist das meistens so, dass man nicht um 05:00 Uhr quasi den Stift hinlegt oder den Computer ausschaltet oder den Füller auf den Schreibtisch legt und sagt, so jetzt das war es für heute. Sondern man ist natürlich auch nach Dienstschluss sag ich mal in diesen Themen drin, also wenn am Abend Nachrichten kommen oder man am Abend nochmal auf Spiegel online schaut - Egal in welches Medium man am Abend nochmal schaut, oder man sitzt am Abend in der Kneipe und die Freundinnen und Freunde wissen, dass man im politischen Bereich arbeitet - bei Partei X oder im Parlament z, dann kommt man natürlich nie raus, man wird immer quasi auch von Bekannten oder Freundinnen und Freunden eben auch darauf angesprochen.
Und man selber ist natürlich involviert, wenn man selber zum Beispiel gerade einen Vermerk und eine Pressemitteilung gelesen hat und man sieht die dann am Abend in der Zeitung oder man spricht darüber oder man sieht eben die eigene Entscheidung und das, was alles so passiert, dann ist man natürlich da beteiligt und da kann man nicht einfach abschließen, sondern man ist eigentlich ständig damit konfrontiert. Natürlich, hat das ja auch seine positiven Seiten und alles hat gute und schlechte Seiten. Aber natürlich muss man es auch immer wieder schaffen Distanz zwischen beruflichen Alltag und persönlicher Freizeit zu legen, was in diesem Job, glaube ich besonders schwer ist. Also jeder und jede nimmt mal nach Dienstschluss irgendwelche Probleme oder Themen mit nach Hause. Aber natürlich ist das im politischen Bereich noch schwerer, was noch dazu kommt, dass es ja kein Wochenende gibt, also auch am Wochenende wird irgendeine Sau durchs Dorf getrieben, durch die Medien oder durch andere oder eben das irgendwelche Sachen passieren oder es irgendwelche Presseberichterstattung gibt oder ja, oder Krieg ausbricht oder was auch immer. Oder eine Katastrophe passiert.
Das heißt, es gibt auch oft keine Pausen. In der Sommerpause kann es sein das mal weniger los ist, aber es passiert eigentlich ständig was und das ist glaube ich nochmal ein wichtiger Punkt, dass das einem das klar ist, dass man sich da auch immer wieder davon auch ein bisschen ja distanzieren muss und manche machen das natürlich stärker als andere, aber das ist natürlich ein wichtiger Punkt.
Philipp Buchallik
Das ist eigentlich eine super Überleitung zur nächsten Frage: Was muss ich denn mitbringen, um in so einem Job zu arbeiten als politischer Berater? Was würden Sie sagen, sind die wichtigsten Eigenschaften?
Christian Demuth
Na ja, also ähm so nen Interesse für Gesellschaft und Politik etwas zu ändern. Also es gibt natürlich für verschiedene Herangehensweisen es gibt natürlich Leute, die besonders Policy affin sind zum Beispiel. Ich kenne jetzt jemanden, der sich sehr stark mit Windrädern beschäftigt hat und mit Klimaschutz usw und für den quasi das Anliegen ist natürlich da etwas zu bewegen und man kann natürlich einiges bewegen, wenn man zu Greenpeace geht und so weiter. Aber man kann natürlich auch sehr stark was bewegen, wenn man zum Beispiel in einem Ministerium geht, in den Bereich und dann muss man aber natürlich auch kompromissfähig sein, weil man wird natürlich nie hundertprozentig seine eigenen Interessen oder sein das eigene Wollen natürlich immer hundert Prozent durchsetzen, sondern muss natürlich auch Kompromisse schließen und gleichzeitig weiter dafür brennen, etwas verändern zu wollen und ich glaube, diese grundsätzliche Fähigkeit nicht zynisch zu werden in einem Bereich und gleichzeitig eben Kompromisse zu schließen und gleichzeitig Motivation zu behalten, auch Sachen zum Positiven zu verändern, das ist glaube ich schon ein wichtiger Punkt.
Das zweite ist natürlich auch, dass man lernen muss in Schnelligkeit zu arbeiten. Es gibt natürlich überall auch Jobs im politischen Bereich, wo man länger Zeit hat für bestimmte Themen und Prozesse, gerade wenn man zum Beispiel in einem Ministerium arbeitet, dann gibt es natürlich auch dort längere Gesetzgebungsprozesse, wo man auch länger Zeit hat, zu bestimmten Themen zu arbeiten Aber natürlich insgesamt ist der politische Prozess natürlich sehr schnelllebig und sehr schnell und da ist es natürlich dann auch wichtig, dass man ja, dass man da bereit ist, auch quasi diese Schnelligkeit, was da passiert, auch nachzuvollziehen.
Und es ist natürlich ein sehr öffentlicher. Ja, genau, das ist vielleicht der zweite Punkt und der dritte Punkt, was nicht schadet, ist Haltung zu bestimmten Themen. Also man sollte schon auch eine Haltung zu bestimmten Bereichen haben, weil es gibt bestimmt auch viele Opportunisten die sowas machen, aber ich glaube immer, man kann den Job besser machen, wenn man bestimmte Haltungen hat, um bestimmte Sachen auch ja zu forcieren und umzusetzen und gleichzeitig eben kompromissfähig zu sein.
Das ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt, um den Job gut zu machen und natürlich gibt es dann auch Leute, für die politischen Berater zu sein auch ein Sprungbrett in politische Karrieren ist. Das kann natürlich auch ein Sprungbrett sein in bestimmten Jobs, die Ministerien, die natürlich dann auch relativ einflussreich sind also und da muss man schauen eben ob man, ja eben Lust hat, hier diese Karrierewege zu gehen und oder eben ja natürlich kann man auch als ganz normaler politischer Berater, Referent oder Referentin eben einiges erreichen.
Philipp Buchallik
Wunderbar was ist denn ihre Prognose, wie sich das Berufs Umfeld in der nahen Zukunft entwickeln wird und was würden Sie sagen für Leute mit was für Qualifikationen werden benötigt?
Christian Demuth
Na ja, also ich glaube das Arbeitsumfeld für politische Berater hat sich natürlich in den letzten Jahren auf jeden Fall geändert, wie ich es eigentlich schon erzählt habe. Es ist alles schneller geworden, es ist alles schwieriger geworden. Es ist quasi gesellschaftlich konfliktreicher geworden. Das ist glaube ich, auf jeden Fall der Fall.
Gleichzeitig ist es eben auch eine ganz zentrale Position, also der Marsch durch die Institution ist eben auch wichtig, um letztlich auch Politik zu verändern. Ich glaube, dass viele sich so ein bisschen einfach machen heutzutage und gehen zu zivilgesellschaftlichen Organisationen, um dort Druck von außen auf die Politik zu machen, aber die Politik wird halt dann doch in der Politik gemacht und dort geht es eben auch darum das Leben der Menschen oder die Gesellschaft eben auch immer besser zu machen und ich glaube, dass diese Anstrengungen es jetzt eben wert ist und dass die Leute wieder sehen müssen, was das für einen Wert es hat in diesem Bereich zu arbeiten, weil viele natürlichr despektierlich über den politischen Bereich reden. Parteien werden abgewertet, Institutionen werden abgewertet, die da oben usw. Und hohes Institutionenmisstrauen in bestimmten Milieus und das ist natürlich auch nicht besonders hilfreich, weil ja dennoch irgendwie die Politik eben in diesen Institutionen gemacht wird.
Philipp Buchallik
Für wen ist der Beruf geeignet? Was für Qualifikationen soll ich mitbringen? Welche Leute werden gebraucht?
Christian Demuth
Ich glaube das mehr Ökonominnen und Ökonomen, also Leute die die Volkswirtschaft studiert haben, dass mehr so solche Leute auch in die Politik gehen sollten. Ich glaube auch, dass es viele Leute benötigt, die in neuen Themenbereichen aktiver in die Politik gehen, also zum Beispiel im Bereich Klimaschutz. Und ich glaube auch, dass zwar oft darüber gelästert wird, dass quasi nur Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler oder Sozialwissenschaftler in diesem politischen Bereich gehen, aber dennoch ist es natürlich so, dass die weiter sehr, sehr wichtig sind und sogar noch wichtiger werden, um bestimmte Prozesse in der Politik zu verstehen und nachzuvollziehen, weil es ist ja immer so ist. Warum geht nicht ein Arzt ins Gesundheitsministerium zum Beispiel? Ja, weil er natürlich eigene Interessen hat. Weil jede Berufsgruppe in diesem Politikfeld Gesundheit natürlich seine eigenen oder ihre eigenen Interessen hat und umso wichtiger ist es, was Sozialwissenschaftler und Politikwissenschaft dazu sagen, diese Machtprozesse oder auch soziologischen und psychologischen Kommunikationseffekte eben verstehen und nachvollziehen können und ich glaube da rüber müsste auch die die Wissenschaft noch mal stärker überlegen, welche Inhalte man innerhalb des Curriculums eigentlich auch den Leuten beibringt. Mehr Austausch mit der Praxis würde ich sagen und ich glaube, wenn ich das vielleicht auch gehabt hätte damals schon, dann hätte ich wahrscheinlich sogar ein anderes Thema für die Promotion gewählt. Ich hätte es wahrscheinlich handlungsleitender gemacht. Ich hätte es praktischer gemacht und stärker an gesellschaftliche Prozesse angelehnt. Viele Promotionen, gerade im Bereich der Politikwissenschaft sind schon sehr Elfenbeinturmmäßig und sehr, sehr theoretisch angelehnt und ich glaube das man das auch stärker bedenken sollte bei der Wahl des Promotionsthemas, wenn man sich vorstellen könnte, in so einem Bereich zu gehen.
Philipp Buchallik
Was ja wunderbar herzlichen Dank wir sind doch schon fast am Ende angelangt. Als letzte Frage: Wenn sie sich nochmal an den Berufseinstieg zurück erinnern und ihr heutiges ich würde ihr damaliges ich treffen, welchen Tipp würden Sie dem jüngeren Christian Demuth geben?
Christian Demuth
Also vor der Promotion oder im Übergang von der Promotion in meinen neuen Job?
Philipp Buchallik
Genau genau.
Christian Demuth
Naja, eigentlich habe ich es natürlich genau richtiggemacht, ohne es genau zu wissen. Also ich hab vom Prinzip in der Promotion also, während ich promoviert, habe mich eben sehr stark politisch engagiert. Ich war im Verein gegen Rechtsextremismus, ich hab aber auch Aufsätze geschrieben in Publikationen, die jetzt nicht unbedingt nur meiner Karriere als Wissenschaftler gedient haben, sondern einfach auch weil ich wichtig fand mich einzubringen in gesellschaftspolitische Debatten und Diskussionen. Und da ist ja schon der erste Punkt, wenn man das tut, das nutzt einen vielleicht nicht für die für die Karriere als Professorin oder Professor, als Wissenschaftler, aber eben für den Einstieg in den Job des politischen Beraters sehr wohl, weil diese Kombination plus Netzwerken, indem ich quasi mich auch eingemischt habe in politische und gesellschaftliche Debatten bei denen auch Politiker anwesend waren und dort eben mich eingebracht habe – Diese Kombination hat mich letztlich dann in eine relativ prominente Stelle als politischer Berater gebracht, ohne dass ich vorher in irgendeiner Partei oder sowas groß aktiv gewesen wäre. Das heißt, diese Kombination: sich einmischen in politische Prozesse, glaubwürdig Ideen zu entwickeln für diesen Bereich, der sich nicht nur reduziert, auf irgendwelche wissenschaftlichen Debatten plus eben dieses in gewisser Weise Netzwerken, das bringt einem dazu, dass man in diesem Bereich eintauchen kann. Das wusste ich damals gar nicht, dass es so ist. Das war eher Zufall, das war quasi einfach nur mein persönliches Interesse, was ich dort gemacht habe. Aber diese Kombination hat eben dazu geführt, dass ich dann als politische Berater, dass ich angerufen wurde, irgendwann und man mich dann gefragt hat, ob ich nicht nach Berlin als politischer Berater gehen will.
Diese Kombination hat das erreicht, und deswegen habe ich natürlich trotzdem in deren meiner Position auch wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht, in Büchern und auch in Zeitschriften. Aber wenn man sich nur darauf konzentriert, ist es natürlich dann schwerer ins Politische-Berater- Geschäft einzusteigen, als wenn man eben sich in gesellschaftliche Debatten einmischt und ich glaube an diese Kombination, das muss halt jeder wissen. Aber so habe ich das zufällig damals gemacht und im Nachhinein sehe ich natürlich auch, hätte ich das nicht gemacht, hätte mich viel stärker auf Publikationen oder wissenschaftliche Publikationen, dass ich in den wichtigsten Politik wissenschaftlichen Zeitschriften auftauchen usw, hätte ich das stärker gemacht – Klar, dann hätte man vielleicht auch mehr Chancen gehabt, vielleicht auf eine wissenschaftliche Karriere, aber auf der anderen Seite hätte das eben auch verhindert, dass ich in einen Politischen-Berater-Job komme und von daher alles richtig gemacht. Letztlich auch, wenn es natürlich am Anfang – vor allem wenn man ganz oben einsteigt – als Referent schon auch ganz schön hart ist, weil man in bestimmten politischen Debatten einfach sehr naiv als Wissenschaftler in der Politik wahrgenommen wird. Und man wahrscheinlich auch teilweise naiv ist, wenn man im politischen Prozess ist, wenn man das alles immer nur so theoretisch überblicksartig gelesen hat, manchmal auch tiefergehend, aber was das quasi dann emotional und ganz im Konkreten bedeutet und wie oft eben Zufall, menschliche, ja, einfach Menschlichkeit, also menschliche Abgründe und positive Emotionen, eigentlich dann die Politik mit beeinflussen, das bedenkt man natürlich immer nicht, wenn man nur der Theoretiker ist und das muss man am Anfang schon dann auch lernen und schnell lernen, weil sonst wird man im politischen Bereich auch nicht ganz ernst genommen.
Philipp Buchallik
Vielen Dank für dieses tolle Interview!
Dr. Katja Lindenau (*1976)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett
Expertin für Provenienzforschung
"Es macht mir großen Spaß mit den Objekten so nah zu tun zu haben, aber auch mit den Nachfahren schöne Situationen zu erleben - darauf würde ich nicht verzichten wollen."
Anke Dietrich
Herzlich willkommen zu unserer Podcast-Reihe zum Thema außerakademische Karrierewege im Rahmen des Future Career Programm der Graduiertenakademie. Ich bin Anke Dietrich und ich freue mich heute, Katja Lindenau hier begrüßen zu dürfen. Sie ist Provenienzforscherin und gleichzeitig auch im Arbeitskreis Provenienzforschung tätig und herzlich willkommen, Katja. Ich freue mich. Stell doch mal kurz dich und deinen Beruf näher vor.
Katja Lindenau
Ja Hallo, das kann ich gerne machen, also mein Name ist wie gesagt Katja Lindenau und mein Arbeitsbereich ist die Provenienzforschung - also die Frage, insbesondere wie Objekte in eine Sammlung in ein Museum gekommen sind. Ich arbeite schon seit vielen Jahren in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in verschiedenen Sammlungszusammenhängen also in der Porzellan Sammlung und jetzt schon länger im Kupferstich Kabinett und die Frage, der wir nachgehen ist tatsächlich, ob sich eben die Kunstwerke rechtmäßig und der Sammlung befinden oder ob sie irgendwann unrechtmäßig ihren Eigentümern weggenommen worden. Und das versuche ich sozusagen zu prüfen und im Positiven wie im Negativen dann zu einem Ergebnis zu kommen also entweder ja, die Dinge sind korrekt hier oder nein, sie haben eigentlich einen anderen Eigentümer, woraus dann eben weitere Dinge resultieren. Und das Ganze betrifft nicht nur die Objekte, die sich schon in der Sammlung befinden, sondern auch beispielsweise Objekte, die neu erworben werden sollen durch Ankauf, durch Schenkung oder auch Objekte, die für eine Ausstellung geliehen werden oder die man beispielsweise an ein anderes Museum verleiht. Bei all diesen Zusammenhängen kommt es immer auch auf Provenienzfragen an.
Anke Dietrich
Was hast du studiert und warum hast du dich letztendlich dann doch für eine Promotion entschieden?
Katja Lindenau
Ich habe Kunstgeschichte im Hauptfach studiert und als Nebenfächer Mittelalterliche Geschichte und Romanistik, also mein Studium liegt schon ein bisschen zurück, so dass ich also diese Kombination Hauptfach und 2 Nebenfächer im Magisterstudium hatte. Und ich habe das schon studiert, weil ich eine Vorliebe für musische Fächer und Sprachen hatte und versucht habe, das so viel wie möglich miteinander zu verbinden, auch mein Interesse an der Vergangenheit, an der Geschichte, an historischen Entwicklungen. Und die Entscheidung für die Promotion war jetzt gar nicht unbedingt so eine zwingende. Am Anfang also natürlich versucht man, wenn man Kunstgeschichte studiert hat, dann im Museum unterzukommen - in der Regel. Da ist der Einstieg aber nicht leicht. Es werden viele bestätigen können. Die Volontariate sind dünn gesät und auch sonst kommt man da nicht so einfach rein, so dass ich nach dem Studium erstmal ein bisschen weggegangen bin von der Kunstgeschichte und mich mehr auf die Geschichte konzentriert habe. Es gab einen Sonderforschungsbereich an der TU Dresden, „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ und dort habe ich in einem Projekt der Frühen Neuzeit mitgearbeitet bei Gerd Schwerhoff. Ich habe dort einen Bereich bearbeitet, der sich mit öffentlichen Räumen beschäftigt und da ging es unter anderem auch um die Stadt Görlitz und ich habe im Laufe meiner Tätigkeit dafür gemerkt, dass das total spannend ist und ein sehr schönes abgrenzbares Thema für eine Arbeit ist und hab mich dann entschieden, dass zum Promotionsthema zu nehmen und konnte das dann im Rahmen dieses Sonderforschungsbereichs auch relativ zügig abschließen. Das ist der Vorteil, wenn man das im Rahmen solcher Projekte macht und nicht wie viele, die ich sehr bewundere, dann nebenher, neben ihrer Arbeit, noch dann tun.
Anke Dietrich
Genau. Du hast nämlich zum Thema „Brauen und Herrschen. Die Görlitzer Braubürger als städtische Elite im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit“ promoviert. Da stellt sich natürlich mir die Frage, wie du dann doch den Sprung ins Museum geschafft hast. Wie bist du zu deiner beruflichen Tätigkeit gekommen?
Katja Lindenau
Also das Interesse für die Kunstgeschichte und das Museum ist natürlich geblieben. Ich habe parallel auch mich interessiert, beispielsweise schwerpunktmäßig für die Künstlergemeinschaft Brücke und habe dort dann in dem Bereich auch Stadtführungen in Dresden und Moritzburg gemacht, habe also auf der Ebene versucht, den Kontakt zur Kunst zu halten und tatsächlich waren es dann glaub ich auch meine Kenntnisse und meine Fähigkeiten in der Archivarbeit, die ich für die Promotion sehr stark benötigt habe, die dazu geführt haben, dass ich 2007 in den staatlichen Kunstsammlungen Dresden einsteigen konnte. In dem Projekt, wo es darum ging zu prüfen, ob Ansprüche des ehemaligen Königshauses Wettin auf Kunstwerke in den SKD gerechtfertigt sind? Und das war einerseits die Prüfung am Objekt, aber andererseits die Archivrecherche und die war erstmal noch gar nicht so provenienzbezogen, sondern einfach erstmal zu gucken was gibt es überhaupt für Informationen über die früheren Besitzungen der Wettiner und wie sie sich dann vielleicht auch verändert haben, verkauft wurden und so weiter? Und das Ganze wurde dann aber eben bezogen auf ganz konkrete Objekte, also Porzellan, Vasen, Teller, Koppchen, Tierplastiken, die wir da alle bewundern können in der Porzellansammlung und da bin ich dann hängengeblieben, kann man so sagen.
Anke Dietrich
Du bist sozusagen Experte für Detektivarbeit oder wie würdest du das umschreiben?
Katja Lindenau
Hm, ja, Detektivarbeit ist ein gern gewählter Begriff für die Provenienzforschung. Ich habe einige Kolleginnen und Kollegen, die das gar nicht so gut finden, weil das so ein bisschen nach Zufallsfund auch klingt. Man muss sagen, der Zufall spielt auch immer eine große Rolle, aber es steht dahinter schon auch mehr eine Methode, die auch übertragbar ist. Also ich arbeite jetzt im Bereich der Grafik, also mit Drucken und Zeichnungen und bin da auch spezialisiert, aber die eigentliche Recherchemethode lässt sich natürlich auf Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk übertragen, auch auf Bücher beispielsweise. Und eine Detektivarbeit ist natürlich, sich die Objekte genau anzugucken, ob sie Spuren aufweisen, die etwas über die Herkunft aussagen. Die Spuren findet man meist, aber man kann sie noch nicht zwingend zuordnen und da setzt dann wiederum die methodische Recherche ein, zu gucken was gibt es für Akten, was gibt es für Inventare, wo sich diese Spuren dann widerspiegeln und man die Verbindung zwischen einer Sammlung und dem Objekt, dass man heute beispielsweise im Kupferstich-Kabinett dann eben diese Verbindung herstellen kann.
Anke Dietrich
Was würdest du sagen, welche Fähigkeiten für deinen Beruf elementar sind?
Katja Lindenau
Natürlich ein großes Interesse und Kenntnisse an den historischen Vorgängen, also an diesen zeitlichen Umbrüchen. Und natürlich auch sehr wichtig: Kenntnisse über die NS Zeit und insbesondere da die Entrechtung der Jüdinnen und Juden also es ist auch einiges an juristischem Wissen notwendig, ohne dass wir in der Provenienzforschung dann am Ende die Entscheidungen treffen, beziehungsweise da allenfalls sozusagen Vorschläge machen, was aus unserer Kenntnis der Quellen eine mögliche Lösung, ein mögliches Ergebnis dieser Recherche sein könnte. Was man auch gut können muss, sind alte Schriften lesen. Und ja, im Grunde die Fähigkeiten, wie man an Archivmaterial herankommt, also sich durchzuarbeiten durch die Bestände eines Archivs ist die eine Möglichkeit, aber von vornherein auch ein bisschen einzugrenzen. Wo könnten relevante Unterlagen sein? Und vielfach ist es heutzutage eben auch digital erschlossen, das heißt viel Arbeit passiert tatsächlich auch am Computer über Datenbanken und Digitalisate. Ja, also detektivische Fähigkeiten ja, aber auch sagen wir mal solide Kenntnisse in Archivarbeit und eben vor allem auch das Lesen alter Schriften ist ganz hilfreich.
Anke Dietrich
Wie sieht für dich ein typischer Arbeitsalltag aus? Also wie muss man sich das vorstellen? Gibt es das überhaupt oder ist jeder Tag anders? Beschreib mal oder was sind die 3 wichtigsten Aufgaben, die du so am Tag machen musst?
Katja Lindenau
Ähm, ich war zuerst geneigt zu sagen, die wichtigste Aufgabe ist, Emails beantworten. Das nimmt natürlich gerade in Zeiten von Home Office auch einen großen Teil der Arbeitszeit ein, weil man darüber kommuniziert und zwar nicht nur mit den Kollegen im eigenen Haus, sondern ganz wichtig mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk, also in anderen Museen, anderen Sammlungen, in Bibliotheken, in Archiven. Also vieles ist Informationsbeschaffung - über die schon erwähnten Datenbanken, in die man schaut, um ein Objekt wiederzufinden oder eben in die digitalisierten Bücher oder Quellen. Der sehr schöne spannende Teil im Arbeitsalltag ist dann die Arbeit am Objekt selbst. Also ein großes Privileg für uns, dass wir die Objekte sozusagen in die Hand bekommen, je nach Objektart mit entsprechender Vorsicht, und sie untersuchen können auf ihre Merkmale, auf Stempel beispielsweise, auf Ziffern, auf Beschriftungen. Der Vorgang wird häufig als Autopsie bezeichnet, also dass man sich ein Objekt sehr genau angeguckt und dann aber diese Befunde auch dokumentiert, also über Foto und in Datenbanken. Auch das nimmt ein Großteil der Arbeitszeit ein. Und der dritte Punkt ist dann häufig diese Erkenntnisse dann in eine Textform zu bringen, also zu beschreiben, was man da eigentlich vor sich hat, welchen Hinweisen man nachgegangen ist, welche Spuren man gefunden hat und auch, wie man die bewertet, also ob sie ausreichen, um zu sagen ja, das ist ein Kunstwerk, das wurde der Person XY im Jahr 1938 entzogen, es wurde beschlagnahmt, es wurde unter Wert verkauft. Oder es ist ein Objekt, was aus Schloss XY stammt, und der adligen Familie zurückgegeben werden muss, die ihr Schloss eben nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone verlassen musste. Also das Ganze dann zu einem Abschluss zu bringen und in Textform zu fassen, sodass man es dann auch denjenigen geben kann, die darüber am Ende – ich sag mal juristisch – entscheiden.
Anke Dietrich
Jetzt hast du schon erzählt, wofür du besonders brennst, nämlich die Arbeit mit dem Kunstwerk selber. Gibt es auch was, wo du möglicherweise immer ein bisschen mit dir zu kämpfen hast beziehungsweise für welche Aufgaben du dich besonders motivieren musst?
Katja Lindenau
Hm, gibt es eigentlich wenig. Natürlich ist es ist es dann schwierig, wenn man lange etwas recherchiert hat und zu keinem Ergebnis gekommen ist, also wenn man das Ganze eigentlich gerne dann in die Ecke werfen würde, weil man weder nachweisen konnte, dass das Kunstwerk zu Recht in der Sammlung ist, noch herausfinden konnte, wer der frühere Eigentümer war und an wen es, gegebenenfalls zurück zu geben wäre, also wenn das so uneindeutig ist und quasi so zwischen den Stühlen liegen bleibt, das ist so ein Frustfaktor. Und natürlich hat man wie in jeder Institution dann auch Dinge, die einem von der eigentlichen Arbeit abhalten, die aber zur Organisation dazugehören, wie die Dienstberatungen usw. Die gibt es überall. Die sind aber jetzt nicht Teil meiner eigentlichen Arbeit, so dass ich jetzt nicht sagen würde es gibt etwas, was ich sogar nicht gerne mache, aber regelmäßig machen muss.
Anke Dietrich
Jetzt gab es ja vor einigen Jahren diesen Gurlitt Fund den sogenannten und dadurch ist die Provenienzrecherche als Arbeitsfeld bzw. hat die Provenienzrecherche sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Hast du das auch direkt zu spüren bekommen bei deiner Arbeit?
Katja Lindenau
Ja, das kann man schon so sagen, also das sind mehrere Punkte, an denen man das merkt. Also das eine ist, dass man anfänglich in seinem Bereich ja auch so ein bisschen Einzelkämpfer gewesen ist und inzwischen gibt es eine große Community an Provenienzforschern. Es gibt den Arbeitskreis Provenienzforschung, den du schon genannt hast, der auch Untergruppen hat, die sich mit einzelnen Themenbereichen beschäftigen, also Koloniales beispielsweise, oder den verschiedenen Ländern. Ich interessiere mich im Moment sehr stark für Dinge, die nach 1945 passiert sind, eben im Osten Deutschlands, in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR. Also da gibt es für alles so Spezialgebiete. Es ist auch natürlich eine große Zunahme an Tagungen und Veranstaltungen zu beobachten gewesen. Und ja, es ist auch eine Zunahme an ich sag mal Akademisierung passiert, also man kann inzwischen tatsächlich Provenienzforschung studieren. Und ja, wobei man dazu sagen muss, Provenienzforschung jetzt als solche, also herauszufinden, in welcher Sammlung ein Werk mal gewesen ist, wann es vom Künstler das erste Mal verkauft wurde, wie es dann den Weg genommen hat in verschiedene andere Häuser bis zu dem Museum, wo es jetzt ist, das hat natürlich auch die Wissenschaftler in den Museen schon immer interessiert, aber nicht so sehr unter dem Aspekt, ob dort unrechtmäßige Vorgänge dazwischen passiert sind. Und da hat der Gurlitt Fund natürlich schon große Aufmerksamkeit erweckt und in vielen Häusern, die das vorher noch nicht betrachtet haben, dann dafür gesorgt, dass man Gegenstände anschaut. Also die Community ist grösser geworden und in der Folge gab es auch an einigen Häusern zum Beispiel dann erste feste unbefristete Stellen für Provenienzforscher:innen, was aber noch nicht die Regel ist.
Anke Dietrich
Da wären wir nämlich auch bei dem Punkt, ob es etwas gibt, das Du an deiner aktuellen Position gern ändern würdest, wenn du könntest.
Katja Lindenau
Ja, das ist tatsächlich ein Punkt, der betrifft natürlich nicht nur mich, sondern der betrifft viele in der Wissenschaft, viele im Museumsbereich, und hat damit zu tun, dass man für die Provenienzforschung natürlich erst mal eine gewisse Konjunktur gesehen hatte. Nach 1998 als in Washington die Konferenz war, mit der Frage, wie man denn mit den immer noch vielen nicht zurück gegebenen Kunstwerken umgeht, die in der NS Zeit entzogen worden sind, dass man dachte, man bearbeitet diese Dinge jetzt schon einen gewissen Zeitraum und dann ist die Provenienzforschung wieder zu Ende. Und das ist sie natürlich nicht, weil sie sich auf andere Themenbereiche ausdehnt, in denen es genauso Zwangsbeschlagnahmungen, Zurücklassung von Kunstwerken gegeben hat. Und was auch häufig vergessen wird, ist ja die Frage, die ich eingangs schon mal angesprochen habe. Die Museen bekommen ja auch heutzutage noch Werke dazu, die sich in Privatbesitz befunden haben die letzten Jahrzehnte, mit deren Herkunft sich bisher noch niemand beschäftigt hat und die uns beispielsweise zum Kauf oder als Schenkung angeboten werden. Auch das wird hoffentlich noch lange so der Fall sein, dass die Museen auf diese Weise Werke bekommen und diese müssen geprüft werden. Das ist also eine Aufgabe auf Dauer, genauso wie gerade in den Museen in Ostdeutschland die Frage, was ist mit den ganzen Verlusten, die in der Folge des Zweiten Weltkrieges passiert sind? Auch da gibt es Recherchen, auch da tauchen Dinge auf und das wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten so sein. Insofern ganz klar würde ich mir natürlich wünschen, dass ich eine unbefristete Stelle bekomme und dann einfach auch die Dinge, die schnell zu tun sind schnell tun kann, aber auch langfristig mich eben noch mehr mit der Sammlungsgeschichte beschäftigen kann. Also einfach noch besser zu wissen, wie ist die Sammlung aufgebaut worden? Wann gab es die großen Schnitte? Wo ging was verloren? Wo kann man noch weitersuchen? Und das kann man nur, wenn man nicht Zahlen und Zeiten im Nacken hat.
Anke Dietrich
Das klingt nach einem wirklich umfangreichen und vollen Arbeitstag. Wie schaffst du es trotzdem, dein Privatleben und dein Arbeitsleben in Einklang zu bringen?
Katja Lindenau
Hm, das schaff ich nicht immer so ganz gut. Also weil ich nehme schon gedanklich einige Dinge mit nach Hause. Das ist das eine und das andere ist, dass ich tatsächlich auch häufiger schon Literatur zu Hause lese, die eigentlich arbeitsbezogen ist, die aber, weil mir die ganze Sache ja auch wichtig ist und ich sie spannend finde, jetzt keine Belastung ist, in dem Sinne ich muss das jetzt nach der Arbeit noch machen, sondern das nehme ich halt einfach mit, um zu Hause mich noch ein bisschen weiter zu belesen. Ja also, das hat natürlich auch mit familiärer Unterstützung zu tun, das Kind ist nicht mehr so klein, das macht seine Dinge alleine. Und dann kriegt man das schon ganz gut hin. Was auch schön ist, glaub ich, was aber die Trennung etwas erschwert, ist, wenn die Arbeitskolleginnen gleichzeitig auch gute Freundinnen sind, also mit denen man sich auch nach der Arbeit trifft, zu mal einem Barbesuch oder zu einem Filmabend oder was auch immer, wo man dann natürlich ja unwillkürlich auch wieder bei Arbeitsdingen landet. Aber so ein richtiges „Ich mach die Tür vom Büro zu und dann denk ich nicht mehr dran“ – das gibt es bei mir eigentlich nicht.
Anke Dietrich
Was denkst du, wie sich dein Arbeitsbereich in den nächsten Monaten oder vielleicht auch in den nächsten Jahren entwickeln wird – so ein bisschen ein Blick in die Zukunft… Welche Kenntnisse, welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollten Personen mitbringen, die in die Provenienzforschung gehen wollen? Also jetzt in Zukunft gesehen?
Anke Dietrich
Ja also, es gibt ja keinen klassischen Beruf Provenienzforscher. Das hat man ja schon so ein bisschen raus gehört, auch wenn man das wie gesagt inzwischen studieren kann, also als Aufbaustudium Masterstudiengang nach dem Kunstgeschichtsstudium beispielsweise. Also ich glaube, wenn man das in Zukunft machen will, muss man sich sehr breit mit erstmal den historischen Kontexten beschäftigen, sich dann aber vermutlich einen Bereich spezialisiert heraussuchen. Ich sagte zwar, dass die Methoden ähnlich sind, aber die Herausforderungen und Herangehensweisen, beispielsweise zu Objekten, die aus kolonialen Kontexten stammen, sind teilweise schon sehr verschieden von dem, was man im Bereich vom sogenannten NS-Raubgut bearbeitet und was man nutzt an Quellen, an Möglichkeiten. Also aufgeschlossen sein natürlich, gegenüber allem, was digital immer mehr möglich ist, da sollte man sich auch gut auskennen technisch. Und was auch wichtig ist, dass man nicht denkt, man ist da so ein Einzelkämpfer also, am besten geht das, wenn man alle im Museum mitnimmt, also die die Kuratoren, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, aber auch die Depotverwalter. Und es schadet auch nichts, beziehungsweise wird auch immer wichtiger, einen guten Umgang mit sozialen Medien zu haben, also sich da auszukennen, was ist sinnvoll zu posten? Was ist hilfreich, was ist eher ungünstig? Und auch mit den Abteilungen oder Kollegen, die dafür zuständig sind, einen guten Draht zu finden. Weil natürlich wie überall die Vermittlung dessen, was man macht auch ganz wichtig ist für die Weiterexistenz. Also einmal um es unter die Leute zu bringen, was macht man da eigentlich? Wie wichtig das ist. Aber auch eben, um zu sagen, was passiert da? Was hilft das dem Museum und auch deutlich zu machen, es geht nicht darum oder nicht immer nur darum, dass Dinge das Haus verlassen, sondern dass man auch mit seinen Recherchen dafür sorgen kann, dass man einen positiven Schlussstrich unter eine Frage zieht, also dem Museum quasi Sicherheit gibt, mit dem brauchen wir uns jetzt nicht mehr zu beschäftigen, das ist geklärt. Und dann? Also jetzt so die Perspektive: Ich glaub nicht, dass sich das Berufsbild jetzt wahnsinnig ändert, aber die Kontexte und die Themen, mit denen man sich beschäftigt, die werden immer breiter werden.
Anke Dietrich
Wenn du zurückgehen könntest und dir selbst einen Rat geben, als du Berufseinsteiger warst, welcher Rat wäre das?
Katja Lindenau
Das ist eine schwierige Frage. Also, das fällt mir schwer, das zu beurteilen. So tatsächlich auch ein bisschen das, was ich zuletzt gesagt hab. Also, dass man jetzt das nicht als eine Aufgabe nur für sich sieht, die man ganz allein macht, sondern sich möglichst ganz schnell ins Team einzufinden und zu wissen, wer sich wofür interessiert, mit wem man was besprechen kann, auch wen es nicht so interessiert, wen man damit lieber in Ruhe lässt. Was auch, was ich auch wichtig finde, was ich und auch meine Kolleginnen so in der Anfangszeit nicht gemacht haben, eben mehr über das zu sprechen, was man tut, also Texte zu verfassen, die publiziert werden oder jetzt eben die Medien zu nutzen, wie Film, die Webseiten der Museen. Dort einfach bekannter zu machen, worum es geht. Das ist aber auch eine Entwicklung, die neu ist und die vor 10/15 Jahren noch nicht so gewollt war. Da fand das alles eher im Verborgenen statt und das sollte es eigentlich.
Anke Dietrich
Ne, sollte es nicht, weil es auch wirklich eine spannende Sache ist und ich finde da auch wirklich viele Menschen darüber informiert werden sollten, was ihr da Tolles macht im Museum. Als letzte Frage ähm, und damit komme ich dann auch schon zum Abschluss unseres Interviews, wenn Geld für dich, wenn Geld keine Rolle spielen würde, was würdest du denn am liebsten tun?
Katja Lindenau
Also prinzipiell würde ich vermutlich die gleiche Arbeit machen, die ich jetzt mache, aber mit ein paar Änderungen sag ich mal hinsichtlich der Zeiträume, und der ja, die man sich nehmen kann. Also mehr Zeit, um sich auch weiterzubilden und mehr Zeit zu lesen und nachzudenken über die Dinge, also einfach, ja, zu sagen ok, wenn ich das Gehalt jetzt, was ich jetzt für einen Monat kriege eben für ein Jahr krieg, dafür aber die gleiche Arbeit in diesem Zeitraum erledigen kann, ganz in Ruhe und ganz akribisch und auch mit ausreichend Pausen dazwischen, weil ich anderweitig keine Geldsorgen hätte oder das nicht bräuchte, dann wäre das glaub ich manchmal ganz schön, das ein bisschen zu entschleunigen. Aber es ist nicht so, dass ich sagen würde, ich würde dann ganz was anderes machen, oder ich werde gar nichts in dem Bereich arbeiten wollen. Weil das macht schon großen Spaß und insbesondere dann, wenn man erstens mit den Objekten so nah immer zu tun hat und zweitens, wenn man, was ja auch ab und zu vorkommt, die Dinge abgeben muss an die früheren Eigentümer oder deren Nachkommen, wenn sich daraus dann oft sehr schöne Begegnungen ergeben und wenn man da in guten Kontakt kommt, was sicherlich auch nicht immer der Fall ist, aber wo es schon sehr schöne Situationen gab mit den Nachfahren, mit deren Familien. Darauf würde ich auch nicht verzichten wollen, das zu haben und ja. Deswegen würde ich die Arbeit glaub ich weitermachen.
Anke Dietrich
Danke für das ehrliche und nette Interview, liebe Katja und vielen Dank fürs Zuhören. Und bis bald. Tschüss.
Dr. Lars Vandrei (*1987)
Associate Director Research Residential
Experte für Wohnimmobilienmärkte
„Eigentlich war der Job ein Kompromiss, der sich als spannend erwies."
Prof. Dr.-Ing. Sebastian Zaunsender (*1981)
Professor/Ingenieur
Experte für Biosignalverarbeitung
"Wenn Geld keine Rolle spielen würde, dann würde ich das gleiche machen wie jetzt auch. Ich würde mir wohl mal ein halbes Jahr Zeit nehmen, um für einen Ironman zu trainieren."
Audiodatei
Prof. Dr. Sebastian Zaunseder 1.mp3
Transkript
00:00:12 Matthieu Scherpf (GA)
Herzlich willkommen zur Podcast-Reihe der Graduiertenakademie, die sich mit dem Thema der Berufswahl beschäftigt.
00:00:21 Matthieu Scherpf (GA)
Heute haben wir zu Gast Sebastian Zaunseder. Dann würde ich erst mal sagen, dass du dich kurz vorstellst. Das heißt erst mal wer bist du und welchen Beruf übst du aus?
00:00:35 Sebastian Zaunseder
Ja Hallo, ich freu mich, dass ich hier mitmachen darf. Mein Name ist Sebastian Zaunseder und ich bin Professor für Medizintechnik an der Fachhochschule Dortmund. Ich hab in Dresden studiert, Elektrotechnik hab danach in Dresden erstmal im Fraunhofer Institut gearbeitet, dann habe ich längere Zeit an der TU Dresden gearbeitet und bin 2019 dann an die Fachhochschule Dortmund gegangen, weil ich hier eine Professur bekommen habe.
00:01:09 Sebastian Zaunseder
Ich beschäftige mich mit Medizintechnik und noch ein bisschen genauer gesagt mit Sensorik, Signalerfassung und Datenverarbeitung.
00:01:21 Matthieu Scherpf (GA)
War das schon immer dein Ziel, Professor zu werden?
00:01:25 Sebastian Zaunseder
Nee, das kann man nicht sagen, aber was man schon sagen kann ist, am Ende meines Studiums konnte ich mich eigentlich schon sehr für Forschung begeistern.
00:01:37 Sebastian Zaunseder
Die Arbeit in einem Forschungsumfeld, sei es eine Hochschule oder auch im Forschungsinstitut, wie das Fraunhofer Institut, hat mir schon sehr gefallen. Aber zu der Zeit habe ich mir jetzt noch keine Gedanken darüber gemacht, dass ich Professor werden könnte, sondern diese Arbeit hat mir einfach Spaß gemacht.
00:02:04 Matthieu Scherpf (GA)
War das nicht am Fraunhofer Institut IPMS in Dresden?
00:02:11 Sebastian Zaunseder
Genau, ich habe nach dem Studium am Fraunhofer Institut für Photonische Mikro Systeme gearbeitet. Und hab dort meine Promotion angefertigt.
00:02:26 Matthieu Scherpf (GA)
Wofür würdest du denn sagen, dass du Experte bist?
00:02:31 Sebastian Zaunseder
Ich würde sagen, ich bin Experte für Signalverarbeitung, was das Fachliche betrifft und zusätzlich würde ich sagen, dass ich so unter globalerer Sicht Experte für Medizintechnik, insbesondere im Kontext des Herzkreislaufsystems, bin.
00:02:59 Matthieu Scherpf (GA)
Würdest du denn sagen, wenn du sagst du bist Experte für Signalverarbeitung, dass man das auch noch allgemeiner anwenden könnte, also jetzt nicht bezogen auf Vitalparameter oder eben physiologische Signale, sondern könntest du mit deiner Expertise auch in einem anderen Feld arbeiten?
00:03:22 Sebastian Zaunseder
Auf alle Fälle. Davon bin ich überzeugt, das versuche ich auch den Studierenden zu vermitteln. Die fachlich methodischen Grundlagen sind eigentlich erstmal ziemlich unabhängig vom konkreten Gebiet. Die Medizintechnik, die Medizin ist für mich ein extrem interessantes Anwendungsgebiet und deswegen mach ich das so gerne. Aber ich bin absolut überzeugt davon, dass im Prinzip dieselben Kompetenzen für diverse andere Gebiete auch befähigen.
00:03:56 Matthieu Scherpf (GA)
Was fasziniert dich denn an deinem Beruf?
00:04:00 Sebastian Zaunseder
Also was mich auf alle Fälle fasziniert, sind die Möglichkeiten, die man hat, wenn man eine Professur hat. Man kann sich selber relativ frei schon gestalten, was man machen möchte. Das finde ich faszinierend, denn das gibt mir natürlich die Möglichkeit, mir Themen auszusuchen, die ich persönlich besonders spannend und innovativ finde. Und das ist schon das, was ich am meisten herausstellen würde, wenn es darum geht, was mich fasziniert. Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Dingen, die machen mir Freude. Und da gehört dann auch die Lehre dazu. Insbesondere der Teil der Lehre, wo man merkt, dass Studierende was mitgenommen haben und dann vielleicht auch zusehen, wie die Studierenden nach ihrem Studium weiterkommen und vorankommen. Das macht mir sehr viel Freude. Aber faszinierend ist wirklich, dass man eben sich selber Themen raussuchen kann und da kann ich mir dann natürlich das raussuchen, was ich besonders spannend finde.
00:05:14 Matthieu Scherpf (GA)
Aber das heißt dann quasi, das ist jetzt der Punkt, wo du stehst. Weil bis zur Professur kam noch die Post-Doc Phase und die Promotionsphase. In der Promotionsphase konntest du dich ja auch entscheiden, mit welchem Thema du dich beschäftigen willst. Inwiefern konntest du das in der Post-Doc Phase machen, dass du dich da frei entscheiden kannst, was du genauer betrachten und erforschen willst?
00:05:42 Sebastian Zaunseder
Da hatte ich Glück. Ich konnte das im Prinzip in der Post-Doc Phase auch schon machen, weil mein damaliger Chef Professor Mahlberg mir da ziemlich freie Hand gelassen hat. Das muss aber natürlich nicht so sein, das kann durchaus auch so sein, dass es da mehr Vorgaben gibt. Generell sehe ich das schon auch so, dass man in diesem ganzen wissenschaftlichen Betrieb immer eine gewisse Selbstbestimmung hat. Bei der Promotion ist es ja auch so. Da hat man normalerweise ein grobes Thema vorgegeben, weil es irgendein Förderprojekt gibt. Und dann bewegt man sich in diesem Thema, aber halt frei. Man ist nicht vollkommen frei, aber man bewegt sich im Thema frei. In der Post-Doc Phase hat man dann mehr Freiheiten, weil man typischerweise auch selber Anträge stellen kann und damit irgendwie die Richtung selber auch ein Stück weit beeinflusst. Nichtsdestotrotz kriegt man eben die Vorgaben, die Strategie vom Chef bzw. vom Institut. Wie gesagt, da hatte ich Glück, da konnte ich eigene Ideen eigentlich immer versuchen umzusetzen. Und in der Phase, in der ich jetzt bin, da ist es dann aber wirklich so, da gibt es in dem Sinne eigentlich kaum noch Vorgaben. Die totale Freiheit.
00:07:02 Matthieu Scherpf (GA)
Was würdest du denn sagen, was du nach der Promotion noch dazulernen musstest, um quasi die Post-Doc Phase anzutreten? Kamen da irgendwelche neuen Sachen dazu, die du so jetzt erstmal noch erlernen musstest und vielleicht auch im Rahmen der Professur, die du jetzt ausübst?
00:07:21 Sebastian Zaunseder
Ja, das gab es. Das trifft für mich persönlich zu, ich glaube, das kann man nicht ganz verallgemeinern, aber in meinem persönlichen Fall war es sicherlich so, dass ich in der Promotion fachlich schon relativ gut aufgestellt war, aber das ganze Drumherum neben dem fachlichen Wissen und Können, dass ich dort sicherlich noch Nachholbedarf hatte. Also beispielsweise die Kooperation mit anderen Wissenschaftlern, mit anderen Einrichtungen, die Vernetzung. Alles sowas hat bei mir in der Promotionsphase eigentlich überhaupt keine Rolle gespielt und das musste ich dann auch entsprechend danach noch lernen, wie man das geschickt macht, um dann eben die Möglichkeit zu haben, gemeinschaftliche Projekte zu machen und die ganze Forschung weiterzuentwickeln. Das trifft auf mich persönlich zu, das ist aber sicherlich nicht immer so. Bei mir persönlich war es so, dass ich in der Promotionsphase gewisser Weise ein bisschen Einzelkämpfer war, mit dem Thema, auf dem ich gearbeitet habe im Fraunhofer Institut. Es gab da keine Gruppe oder gar eine Professur, die genau das gemacht hätte. Ich glaube, wenn man in so eine bestehende Gruppe reinkommt, ist das vielleicht ein bisschen anders, weil man dort gleich von Anfang an eben schon verschiedene Kooperationen hat. Das gab es bei mir nicht und das musste ich dann nach meiner Promotion auf alle Fälle noch lernen, wie man das sinnvoll macht.
00:08:55 Matthieu Scherpf (GA)
Und Projektanträge schreiben war sicherlich auch kein Teil deiner Promotionsphase oder?
00:09:02 Sebastian Zaunseder
Es stimmt. Wobei in der Promotion, das war jetzt kein essenzieller Teil, hab ich allerdings schon ein bisschen damit angefangen und zwar aus zwei Gründen. Das eine war, ich habe damals auch schon Signalverarbeitung, Vital Parameter, Extraktion gemacht und es gab in meiner Abteilung eigentlich sonst niemanden, der das so nativ gemacht hat und das hat dann ein bisschen dazu geführt, dass wenn wir einen Antrag in die Richtung geschrieben haben, dann habe ich bei dem Antrag schon mitgemacht. Und hatte da dann schon ein bisschen höheren Bezug zu den Anträgen, als man sonst vielleicht während der Promotionsphase hat. Und das zweite war, im Rahmen meiner Arbeit bei Fraunhofer hatten wir auch mal ein Ausgründungsprojekt angestoßen, dass ich dann federführend mitgemacht hab und auch in dem Zuge hatte ich dann schon einiges mit Anträgen zu tun. Aber nichtsdestotrotz natürlich auch da, musste ich und konnte ich sicherlich noch viel dazulernen, ich hatte aber schon erste Erfahrungen aus der Promotionsphase.
00:10:11 Matthieu Scherpf (GA)
Wenn du mal einen typischen Arbeitstag beschreiben würdest, wie sieht er denn aus? Man könnte vielleicht unterscheiden in aktuell, also Corona bedingt, und wie sah der davor aus?
00:10:25 Sebastian Zaunseder
Tatsächlich so einen ganz typischen Arbeitstag, den habe ich eigentlich kaum. Den hatte ich auch vor Corona nicht, jetzt wahrscheinlich noch weniger. Wenn man das jetzt trotzdem versucht, müsste man erstmal unterteilen zwischen Vorlesungszeit und Nicht-Vorlesungszeit. Vorlesungszeit ist ja nur im Prinzip die Hälfte des Jahres und die andere Hälfte des Jahres sind ja keine Vorlesungen und das ist natürlich schon mal ein großer Unterschied. Wenn wir uns die Vorlesungszeit angucken, dann ist es schon so, dadurch, dass ich an der Fachhochschule tätig bin, habe ich eine relativ große Lehrverpflichtung, also 18 Semesterwochenstunden und da ist es dann schon so zu Vorlesungszeiten, dass ich typischerweise an drei Tagen die Woche Vorlesungen hab und dann mach ich dann auch von früh bis Nachmittag eigentlich nichts anderes als Vorlesung. Vor Corona habe ich das in Präsenz gemacht und jetzt habe ich das in den letzten zwei Jahren eher nicht in Präsenz gemacht, sondern online, hat sich aber nicht wesentlich unterschieden. Die Abläufe waren eigentlich gleich. Ich mach dann auch nicht nur Vorlesungen, sondern teilweise auch Praktika und das mache ich dann eigentlich so ziemlich den ganzen Tag, zur Vorlesungszeit und an drei von fünf Tagen. Und der Rest ist dann eben offen und in den Semesterferien oder in der vorlesungsfreien Zeit, ist es erst recht offen, da gibt es keinen Standard-Tagesablauf, sondern da sind mal Termine, mal keine Termine. Wenn keine Termine sind, nutze ich die Zeit meine eigene Forschung zu machen, Papers zu schreiben, wie auch immer. Und was vielleicht auch noch ganz typisch ist, ist, dass mein Arbeitstag normalerweise jetzt nicht so von 8 – 16 Uhr ist, sondern wenn ich zwischendrin mal eine Pause brache, dann mach ich die. Dafür arbeite ich an zumindest vier Tagen pro Woche dann auch abends.
00:12:44 Matthieu Scherpf (GA)
Also mehr als die angesetzten 40 Stunden die Woche?
00:12:52 Sebastian Zaunseder
Stunden zählen sollte man generell nicht, mach ich auch nicht. Es gibt immer Sachsen, die sind vielleicht ein bisschen nervig, aber eigentlich macht mir Arbeit nichts aus. Und bevor ich irgendwas im Fernsehen schaue, was mich vielleicht gar nicht so interessiert, arbeite ich lieber, freue mich darüber, dass ich was geschafft hab danach. Das stört mich tatsächlich nicht, aber Stunden sollte ich nicht zählen und mache ich auch nicht, aber ich denke mit den 40 Stunden ist es sicherlich eher nicht getan.
00:13:28 Matthieu Scherpf (GA)
Das heißt aber, du hast jetzt im Rahmen von Corona quasi deine Vorlesungen nicht digitalisiert und lässt für die Studenten nur Videos ablaufen, sondern du machst es online, aber live?
00:13:42 Sebastian Zaunseder
Ist ein bisschen unterschiedlich je nach Fach. Ich habe auch digitalisiert, also Videos wirklich vorbereitet, aber in den Fächern, wo ich das hab, mach ich trotzdem die Vorlesung. Die Studierenden die gucken sich dann vorab die Videos an und in der Vorlesung rechnen wir dann, machen Verständnisaufgaben und die Studierenden haben die Möglichkeit Fragen zu stellen. Das heißt, den Termin dann online mach ich trotzdem. Dass der nicht so sehr angenommen wird, wie es sicherlich sinnvoll wäre, das ist dann eher das Problem der Studierenden. Sind natürlich auch nicht alle, aber mehr Mitarbeit und Zuspruch wäre sicherlich schön, aber ich biete das doch an.
00:14:29 Matthieu Scherpf (GA)
Um das nochmal zusammenzufassen, so die Aufgaben, mit denen du dich beschäftigst, sind also Vorlesungen halten, Projektanträge schreiben, eigene Veröffentlichungen vorantreiben und dann natürlich auch deine eigenen Mitarbeiter und Promovenden zu betreuen.
00:14:50 Sebastian Zaunseder
Genau, das sind so die Aufgaben, aber wie gesagt, wann was anliegt, ist extrem unterschiedlich. Schon allein dadurch, dass es halt die Hälfte des Jahres Vorlesungszeit gibt, da ist da ein größerer Fokus drauf, insbesondere weil Fachhochschule eben eine höhere Lehrverpflichtung hat.
00:15:07 Matthieu Scherpf (GA)
Würdest du denn sagen, dass wenn du sagst, du arbeitest an eigenen Veröffentlichungen, dass du dann wirklich auch Handarbeit machst im Sinne von, dass du Daten wirklich auch selbst auswertest, oder ist das eher, dass du auf Basis von Ergebnissen deiner Promovenden quasi an der Veröffentlichung mitarbeitest?
00:15:32 Sebastian Zaunseder
Tatsächlich sowohl als auch, ich arbeite natürlich viel mit. Die Veröffentlichungen sind dann nicht zwangsweise von mir als Erstautor, sondern teilweise geht es um die Veröffentlichung der Promovenden, aber tatsächlich und das ist ein Unterschied zu anderen Professoren, zu Universitätsprofessuren - zu großen Professuren sage ich mal, wo man viele Mitarbeiter hat, ich mach auch selber. Das ist schon so und das ist hier auch durchaus üblich. Das ist nicht nur bei mir, sondern hier an der Fachhochschule auch bei anderen Professoren so und ich denke auch an anderen Fachhochschulen wird es so sein. Man macht schon noch mehr selber, also es ist nicht nur delegieren und drängen darauf, dass die anderen die Ergebnisse erzielen, sondern es ist schon auch Selbermachen.
00:16:25 Matthieu Scherpf (GA)
In welchen Momenten würdest du denn sagen, dass du besonders viel Begeisterung bei deiner Arbeit hast? Also was macht dir am meisten Spaß?
00:16:35 Sebastian Zaunseder
Am meisten Spaß macht mir wahrscheinlich tatsächlich Projektanträge zu entwickeln. Das ist das, was mir am meisten Spaß macht, um eben irgendwie eine Idee zu haben und diese dann irgendwie zu durchdenken, zu beschreiben und das macht mir sehr viel Spaß. Die Ergebnisse sind leider dann oft ernüchternd. Die Förderquoten sind halt generell einfach niedrig, das heißt in den meisten Förderschemen werden ja nur ungefähr 10% der Anträge gefördert und die anderen Anträge, die eingehen, die sind natürlich auch gut. Ich unterstelle jetzt mal, dass die eigenen Anträge auch gut sind. Aber da weiß man dann halt, worauf man sich einstellen muss, dass es meistens eben nicht gefördert wird und das ist dann natürlich traurig, jedes Mal wieder. Aber nichtsdestotrotz macht die Entwicklung der Projektidee und das Schreiben des Antrags, die Absprache mit den Partnern, das ist alles etwas, was mir sehr viel Spaß macht auf alle Fälle.
00:17:45 Matthieu Scherpf (GA)
Und dann mal andersrum gefragt. Was sind denn die Aufgaben, für die du dich besonders motivieren musst, weil sie jetzt nicht so deine Lieblingsaufgaben sind?
00:17:59 Sebastian Zaunseder
Verwaltung. Und zwar auch im Zuge von Projekten, die mir Spaß machen, aber die ganze administrative Seite, die Verwaltung von Geldmitteln in irgendwelchen SAP-Systemen, das sind Dinge, die muss man machen, die muss ich machen, aber Freude machen sie mir nicht.
00:18:25 Matthieu Scherpf (GA)
Wie schaffst du es denn, dein Arbeits-und Privatleben in Einklang zu bringen? Ist ja bei dir besonders interessant dadurch, dass du so einen hohen Workload hast.
00:18:36 Sebastian Zaunseder
Wenn du meine Frau fragen würdest, dann würde die dir sagen, ich schaffe es überhaupt nicht. Und ich sage, ich schaffe es dadurch, dass ich versuche meine Arbeit zumindest teilweise auf Zeiten zu verlagern, wo es sonst niemanden stört. Also dieses abends Arbeiten, die Kinder schlafen dann sowieso und ansonsten muss man aber auch sagen, das ist bei mir auch durch ganze Wohn-und Lebenssituation kein ganz normaler Zustand, weil meine Familie ist nicht in Dortmund und ich bin ja in Dortmund. Während Corona war das jetzt weniger, aber meine Familie ist in Dresden und insofern, wenn ich unter der Woche in Dortmund bin, zumindest 3 - 4 Tage, dann habe ich hier vollkommen freie Hand und arbeite dann auch schon nochmal mehr, als wenn ich jetzt in Dresden bin und da kann man, wenn man sonst wirklich nichts anderes macht als Arbeiten, da kann man da schon einiges wegarbeiten und hat dann mehr Zeit für die Familie, wenn ich dann bei der Familie bin. Aber es ist schon tatsächlich so, an Wochenenden gibt es dann immer mal Phasen, wo man auch sagen könnte ok, jetzt wäre es doch eigentlich auch sinnvoll, mal mit den Kindern was zu spielen und ich arbeite dann. Das heißt nicht, dass ich nie mit den Kindern spiele, aber klar man könnte sicherlich auch mehr Zeit noch mit den Kindern verbringen. Andererseits sehe ich das auch immer so, man muss in dem, was man tut im ganzen Leben ja irgendwie glücklich sein, und das überträgt sich dann auch auf das ganze Familienleben. Das heißt, wenn ich unzufrieden wäre, weil meine Arbeit nicht vorangeht, dann werden wir auch als Familie nicht glücklich, auch wenn ich dann zwei Stunden mit den Kindern was spiele. Aber wenn ich dabei schlechte Laune hab, dann hat niemand was davon.
00:20:45 Matthieu Scherpf (GA)
Wahrscheinlich ist der Knackpunkt also ein bisschen, dieses Erfüllt-Sein von der Arbeit, auch wenn man viel tut, aber nicht viel tun, weil man gestresst ist von der Arbeit. Also dass man das aus Motivation tut, weil man Spaß dran hat und nicht, weil man sich gestresst fühlt und quasi gezwungen fühlt, so viel zu machen, denke ich mal.
00:21:06 Sebastian Zaunseder
Ja, das ist ganz, ganz essentiell und ich glaube, das ist für jegliche Arbeit das Entscheidende. Wenn das gegeben ist, dann hat man die richtige Arbeit.
00:21:17 Matthieu Scherpf (GA)
Man muss auch dazu sagen, das muss die Familie auch ermöglichen, gerade auch die Partnerin einem das ermöglichen, dass man das so viel Zeit investieren kann.
00:21:29 Sebastian Zaunseder
Absolut ja, das ist definitiv so. Und auch da hatte ich Glück, dass es mir ermöglicht wird. Ich kann zu meiner Verteidigung nur sagen, das kam jetzt für meine Partnerin nicht vollkommen überraschend, weil ich schon länger so bin. Das hat auch nicht mit allen Partnerinnen vorher dann funktioniert, aber momentan funktioniert es so. Man kann immer sagen, mehr Zeit wäre doch noch besser, aber man hat auch immer wieder Zeit und da komme ich dann auch wieder zu den großen Freiheiten, die ich hab. Ich mach sicherlich mehr als diese 40 Stunden, aber was dann halt auf der anderen Seite auch wieder sehr schön ist ist, wenn ich Zeit brauche, dann kann ich mir die Zeit eigentlich auch immer nehmen, wenn irgendwas Wichtiges ansteht, wenn wir irgendwohin fahren wollen, wenn irgendwas ist, dann funktioniert es eigentlich immer und das ist dann halt auch wiederum das Gute an der ganzen Sache.
00:22:28 Matthieu Scherpf (GA)
Was ist denn deine Erwartung, wie sich dein Arbeitsbereich in den nächsten Jahren entwickelt? Also gerade so Forschung ist sehr abhängig von Projektmitteln, die zur Verfügung stehen, die gewährleistet werden und wir haben ja schon gehört, dass die Annahmequote von Projektanträgen relativ niedrig ist. Meinst du denn, das wird in Zukunft noch niedriger werden oder wie meinst du, wie wird sich das in Zukunft entwickeln?
00:22:56 Sebastian Zaunseder
Tatsächlich meine ich, dass die Annahmequoten eher noch niedriger werden. Was damit zu tun hat, dass es noch mehr Anträge gibt. Also gerade die Fachhochschulen sind ein gutes Beispiel dafür, weil die Fachhochschulen historisch eigentlich überhaupt keine Forschung gemacht haben. Jetzt ist es aber so, dass die Fachhochschulen eben zunehmend Wert auch darauflegen, selbst auch Forschung zu machen. Das ist bei uns an der FH Dortmund so. Das wird honoriert, also wenn ich Drittmittel für Forschung einwerbe, krieg ich Lehrermäßigung und man kriegt auch Bonusmittel. Das heißt, die Fachhochschulen wollen das zunehmend und das ist bei allen Fachhochschulen oder bei vielen Fachhochschulen so. Das heißt, die Anträge, die von Fachhochschulen kommen, werden auch nochmal zunehmen. Es gibt sehr viele Fachhochschulen, das heißt, ich rechne damit, dass die Förderquoten sogar noch niedriger werden, und damit muss man halt klarkommen. Ich denke, was auch passieren wird, also was zukünftig noch wichtiger wird, ist Forschung in Konsortien, also größere Konsortien. Ich denke, da wird zukünftig noch mehr Wert daraufgelegt, dass man sich irgendwie in Verbünden zusammentut und aus diesen Verbünden eben dann Anträge stellt, die dann auch bessere Chancen auf eine Förderung hat. Beispielsweise in diesen ZIM Programmen - Zentrale Innovation Mittelstand. Dort kann man solche Konsortien bilden und dann aus dem Konsortium heraus immer wieder Projektanträge stellen. Solche Formate denke ich, dass sowas in der Zukunft noch wichtiger wird, unter Umständen auch international könnte es sowas dann zukünftig geben und da ist der Aufwand erst mal grösser, um sowas überhaupt einzurichten, aber dann hat man eine bessere Perspektive und irgendwie größere Chancen. Ist mehr Verbindlichkeit, als dieses „ich stell einfach nur Einzelanträge und weiß, dass wenn es gut läuft, jeder 10. bis 15. gefördert wird“. Aber es ist so rein zufällig auch, man kann das nicht absehen. Ich habe schon Anträge bewilligt bekommen, wo ich dachte naja, ob der jetzt so gut ist? Auf der anderen Seite habe ich sehr gute Anträge gehabt, wo ich eigentlich sicher war, das müsste doch jetzt langen und es hat halt nicht gelangt und ich glaube aber, wenn man eben in so Konsortien und gegebenenfalls solchen strukturierten Programmen unterwegs ist, dann hat man da eine höhere Sicherheit. Dann lässt sich das besser planen, ist nicht ganz so zufällig und ich glaube, das wird in der Zukunft wichtiger und mehr an Bedeutung noch gewinnen.
00:25:42 Matthieu Scherpf (GA)
Wie würdest du denn einen zukünftigen Studenten beschreiben, der in diesen Arbeitsbereich rein will, also bezüglich seiner Ausbildung? Was sollte der am besten mitbringen?
00:25:56 Sebastian Zaunseder
Fachlich sollte er auf alle Fälle gut programmieren können. Ich denke, das ist erstmal für das, was ich jetzt hier tue und für diesen Bereich absolut essentiell. Das muss dabei sein, das ist das Handwerkszeug. Daneben sehe ich eigentlich als zweiten Punkt nur die Begeisterung fürs Thema als wichtig. Also das sind eigentlich die zwei wichtigsten Sachen. Und wenn die zusammen da sind, dann so meine Erfahrung, hat es eigentlich immer ganz gut geklappt.
00:26:33 Matthieu Scherpf (GA)
Jetzt mal zu den Was-wäre-wenn Fragen. Wenn du zurückgehen und dir selbst einen Rat geben könntest, als du denn Job angefangen hast, wie würde der lauten?
00:26:43 Sebastian Zaunseder
Jetzt den Job an der FH Dortmund?
00:26:46 Matthieu Scherpf (GA)
Nee, ich würde tatsächlich sagen, vielleicht schon zurück zur Promotion. Also wirklich zum Beginn, wo es losging mit dem Beruflichen, mit der beruflichen Laufbahn.
00:26:59 Sebastian Zaunseder
Also rückblickend auf die Promotion würde ich sagen, versuchen auf alle Fälle mehr zu veröffentlichen, gegebenenfalls eben in Kooperationen. Das früher anzufangen. Das war bei mir so gut wie nicht. Ich habe in der Promotion sehr wenig veröffentlicht und das hat aber auch eben damit zu tun, was ich vorher schon gesagt hab. Irgendwie war ich alleine, aber mir war auch nicht so richtig klar, dass es wichtig wäre, sich mit anderen zusammenzutun und dementsprechend habe ich in meiner Zeit der Promotion vergleichsweise wenig veröffentlicht und das hat mir dann irgendwie hintenraus eine Zeitlang einfach gefehlt. Mittlerweile ist es nicht mehr so schlimm. In der Zeit der Habilitation ist es dann schon geworden, aber rückblickend muss man sagen, dass das schon irgendwie etwas war, was mir gefehlt hat. Ich hatte dann Glück, weil die Stelle an der TU Dresden habe ich dann bekommen, weil bei meinem damaligen Chef, da wurde ich sozusagen empfohlen, von anderen Leuten, die mich kannten. Insofern hat sich das nicht so negativ ausgewirkt, aber wenn ich mich frei beworben hätte auf eine Post-Doc Stelle, dann hätte ich die unter Umständen nicht bekommen, weil mir einfach Publikationen gefehlt hätten.
00:28:19 Matthieu Scherpf (GA)
An der Stelle vielleicht nochmal nachgehakt, wie lang hast du an deiner Promotion gearbeitet?
00:28:24 Sebastian Zaunseder
Ich hab insgesamt 4 Jahre dran gearbeitet, quasi von Beginn bis zur Verteidigung, also abgegeben habe ich dann glaub nach dreieinhalb Jahren.
00:28:36 Matthieu Scherpf (GA)
Würdest du alles nochmal genauso machen?
00:28:39 Sebastian Zaunseder
Schwierige Frage, weil alles genauso machen. Natürlich würde man nicht alles genauso machen, aber auf der anderen Seite muss ich sagen, dass im Rahmen von dem, was man erwarten kann, ich jetzt sehr zufrieden bin. Also natürlich wäre es schön, am selben Ort zu sein wie die Familie, aber gerade bei so einer Professur, das kann man sich nicht so ohne weiteres aussuchen. Deswegen würde ich schon sagen ja, ich würde es eigentlich genauso wieder machen. Einen Punkt hab ich vorhin schon gesagt, klar mehr Publikationen während der Promotion wäre etwas. Was ich vielleicht auch in Erwägung ziehen würde wäre, mich früher schon mal auf eine Professur bewerben, also wenn ich quasi meine Habilitationsphase sehe - ich war an der TU Dresden, hab habilitiert, das hat mir super Spaß gemacht die Arbeit dort. Und als ich da angefangen hab, da war mir aber gar nicht so klar, dass ich überhaupt nicht habilitiert sein muss, um eine Professur zu bekommen. Also, dass ich beispielsweise nach 3 Jahren an der TU Dresden mal versuchen hätte können, mich auf irgendeine Junior Professur zu bewerben, das ist etwas ja, das hätte ich machen können, aber andererseits bin ich jetzt sehr zufrieden. Insofern wahrscheinlich sollte man es machen in der Situation, aber mir hat es jetzt auch nicht geschadet, das nicht zu machen.
00:30:08 Matthieu Scherpf (GA)
An der Stelle nochmal nachgehakt jetzt, wo du an der FH die Professur hast, würdest du denn lieber an einer Uni eine Professur haben oder siehst du da gerade keinen besonderen Vorteil drinnen?
00:30:23 Sebastian Zaunseder
Ich sehe schon Vorteile. Ein Vorteil ist sicherlich die, das mit der Lehrlast. Denn 18 SWS ist schon ne Menge. Man kann die Sachen natürlich wieder verwenden und dann macht man auch bei Praktika mit, wodurch man relativ schnell die SWS Anzahl hochschrauben kann, also es ist jetzt auch nicht katastrophal und Vorlesungen sind sowieso nur die Hälfte des Jahres, aber nichtsdestotrotz 18 SWS, die muss man erstmal leisten, sage ich mal und das ist definitiv ein Vorteil an einer Universität, als die Lehrverpflichtung einfach geringer ist. Ansonsten ist vielleicht ein Punkt, jetzt mit meinem Wissen von drei Jahren Fachhochschule, der mich auch noch dazu bringen würde, vielleicht an eine Universität zu gehen, ist die Erwartungshaltung bei Teilen der Studentenschaft. Das betrifft beileibe nicht alle, das muss man ganz klar so sagen. Aber ein Teil der Studierenden tritt schon an eine Fachhochschule, in dem Glauben, dass es dort ja irgendwie deutlich leichter und eben kein richtiges Studium ist. Aber diese Meinung vertrete ich nun absolut nicht, also man macht an der Fachhochschule einen Abschluss, der im Prinzip gleichwertig ist zu dem Abschluss an einer Universität und dementsprechend gibt es eben einfach gewisse Anforderungen, die müssen erfüllt sein, egal ob da Fachhochschule oder Universität draufsteht. Das ist aber nicht bei allen so angekommen und führt dann auch immer wieder zu Problemen, Reibereien und das ist auf Dauer schon etwas anstrengend. Weil man hat im Prinzip nichts davon. Ich lass dann in gewissen Fächern viele Leute durchfallen. Und das sorgt nur dafür, dass ich erst Probleme habe, weil die sich beschweren und dann kommen die natürlich auch wieder, weil das Pflichtfächer sind. Das heißt, ich hab zusätzliche Arbeit, Mehrarbeit. Man überlegt sich immer zweimal, muss ich denn jetzt wirklich durchfallen lassen? Aber ja, ich muss es, weil es einfach zu schlecht ist. Ich hab jetzt nicht ausreichend Vergleich, sag ich mal, aber das wäre auch ein Grund, wo ich sagen will, na gut an der Universität sind viele dieser Leute dann nicht. Das wäre dann auch etwas, was für eine Universität spricht. Aber die Erfahrung, auch das mal hier an der Fachhochschule mitzunehmen, die ist auf alle Fälle gut und die Arbeitsbedingungen hier sind grundsätzlich gut. Das heißt, ich würde jetzt dieses Modell Fachhochschule keineswegs verurteilen, ich finde das grundsätzlich schon durchaus in Ordnung.
00:33:17 Matthieu Scherpf (GA)
Dann habe ich noch eine abschließende Frage für dich. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, was würdest du am liebsten tun?
00:33:25 Sebastian Zaunseder
Wahrscheinlich würde ich trotzdem einfach weiterarbeiten, meine Forschung machen. Ich mach sie ja so gerne. Ich wäre wahrscheinlich noch mehr unterwegs, ich reise sehr gerne, das würde ich vielleicht noch ein bisschen mehr machen, aber andererseits jetzt mit Kindern sind die Möglichkeiten begrenzt, aber das wäre noch etwas, das würde ich machen. Ich würde ansonsten, glaube ich gar nicht so viel anders machen. Eigentlich bin ich sehr zufrieden. Die Sachen, die ich wirklich haben will, die kann ich mir jetzt auch schon leisten, mit dem Geld das ich hab. Also ich glaub, es wäre gar nicht so anders, was ich tatsächlich nicht machen würde, wäre einfach aufzuhören zu arbeiten.
00:34:12 Matthieu Scherpf (GA)
Ich glaube, das ist sehr gut, wenn man das auf die Frage antworten kann. Wenn man darauf antworten muss, dass man eigentlich etwas ganz anderes machen würde, dann spricht das eher dafür, dass man nicht so zufrieden ist.
00:34:25 Sebastian Zaunseder
Ja tatsächlich, ich wüsste nicht, was das sein sollte, was mich noch mal interessieren würde, aber das würde ich ein halbes Jahr maximal machen, dann wäre es vorbei. Wenn ich jetzt wirklich überhaupt nicht mehr arbeiten müsste. Ich könnt mir vorstellen irgendwie nochmal auf ein großes Sportereignis hinzutrainieren, irgendwie nen Iron Man oder sowas. Aber da reden wir von einem halben Jahr und was mach ich dann die restlichen 35 Jahre meines Arbeitslebens? 35 sind es nicht mehr 30. Ja, da würde ich dann doch wieder das machen, was ich jetzt mache wahrscheinlich.
00:34:59 Matthieu Scherpf (GA)
Sehr schön ok, dann Sebastian vielen Dank für deine Zeit und das tolle Gespräch und ich hoffe, es gibt vielen Leuten einen Einblick in dein Berufsfeld. Dankeschön!
00:35:11 Sebastian Zaunseder
Sehr gerne. Dann bis irgendwann.
Das Projektteam
Das Projekt wurde von einem siebenköpfigen Team Promovierender
unterschiedlicher Fachrichtungen verwirklicht:
- Philipp Buchallik, Politikwissenschaftler
- Anke Dietrich, Kunsthistorikerin
- Xenia Frei, Volkswirtin
- Sarah Naumann, Chemikerin
- Maria Neufeld, Psychologin
- Sven Reitzig, Physiker
- Matthieu Scherpf, Elektrotechnikingeneur
Danksagung
Das Projekt wäre ohne die Unterstützung von Angela Böhm (Referentin der GA für Karriereentwicklung) und unseren Referent:innen für die einzelnen Module des FCP: Business nicht möglich gewesen. Wir möchten uns darüber hinaus herzlich bei unseren Interviewpartner:innen und bei Stefan Menzel für die Komposition des Jingles bedanken.
Herzlichen Dank an alle Beteiligten!
Viele Akademiker:innen streben eine außeruniversitäre Karriere an, sind sich aber häufig nicht der Vielfältigkeit der beruflichen Perspektiven und Fülle an Unternehmen bewusst, die für sie infrage kommen. Zudem besteht oftmals die Ungewissheit, wie der Sprung von der akademischen Laufbahn in die Wirtschaft gelingen kann.
Unser Projekt
Daher haben wir, die Teilnehmer:innen des Future Career Program: Business
der Graduiertenakademie der TU Dresden, es uns zur Aufgabe gemacht, verschiedene Berufsbilder für Akademiker:innen zu beleuchten.
Hierzu haben wir vier Akademiker:innen, die eine außeruniversitäre Karriere gewählt haben, in Videoportraits zu ihrem Einstieg in das außeruniversitäre Arbeitsumfeld sowie ihrem Berufsalltag befragt. Außerdem hatten interessierte Promovierende im Vorfeld die Möglichkeit, Fragen an die Referent:innen zu stellen.
Die Videoporträts
Dr. rer. nat. Sebastian Melzer
Senior Consultant | SQL Projekt AG
Dr. med. Juliane Putz
Oberärtzin | Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Dr.-Ing. Sebastian Schellhammer
Koordinator des Verbindungsbüros Lehrerbildung | Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung (ZLSB)
Dr.-Ing. Sophie Zorn
Product Owner Robot Integration | Wandelbots GmbH
Das Projektteam
Das Projekt wurde von einem achtköpfigen Team Promovierender
verschiedener Fachrichtungen verwirklicht:
- Dimitri Eigel, Chemiker
- Bettina Keperscha, Chemikerin
- Tim Kühne, Physiker
- Robin Liebfried, Elektrotechniker
- Wenke Markgraf, Chemikerin
- Stefanie Moritz, Biologin/Biomedizinerin
- Anne Seifert, Neurobiologin/Biomedizinerin
- Sebastian Wilbrecht, Maschinenbauingenieur
Danksagung
Das Projekt wäre ohne die Unterstützung von Frau Böhm (Referentin GA, Karriereentwicklung), Herrn Goepfert (Durchführung der Interviews), dem Social-Media-Team der TU Dresden, den Student:innen der TU Dresden und unseren Referent:innen in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Hiermit möchten wir uns herzlich bei allen Beteiligten bedanken!
FREITAG, 18. JANUAR 2019 | 15:00 - 18:00 Uhr
Programm
15:00 - 15:05 | Begrüßung
15:05 - 15:15 | Keynote
"Dr. Hut! Alles gut? - Karriereperspektiven nach der Promotion"
Angela Böhm | Referentin für Karriereentwicklung, Graduiertenakademie
15:15 - 15:45 | Vorstellungsrunde der Referenten
- Dr. Anne Roscher | Lehramt Quereinstieg
- Dr. Patrick Ilg | Senior Consultant, PricewaterhouseCoopers
- Dr. Daniel Tillich | Risikocontroller, Sächsische Aufbaubank
- und viele mehr!
15:45 - 16:30 | All-You-Can-Ask
16:30 - 18:00 | Speed-Dating
18:00 - 19:30 | Get-together
Organisiert von Nachwuchswissenschaftler:innen für Nachwuchswissenschaftler:innen!
FREITAG, 11. OKTOBER 2019 | 14:00 - 17:00 Uhr
Fragst du dich auch, wie es nach der Promotion weitergehen soll?
Du möchtest raus aus der Forschung, weißt aber nicht, welcher Job zu dir passt oder welche Möglichkeiten dir offen stehen?
Wir laden interessierte Promovierende und Postdocs, sowie alle anderen Interessent*innen, herzlich zu unserer Informations- und Networking-Veranstaltung ein. Unsere Referent*innen aus Industrie, Wirtschaft und öffentlichem Dienst geben spannende Einblicke in die vielfältigen Karrieremöglichkeiten abseits der akademischen Forschung und stehen für die Beantwortung eurer Fragen im persönlichen Gespräch zur Verfügung.
Programm
14:00 – 14:45 | Keynote: Recruiting-Strategien // Hans-Jürgen Neufing, Staff Talent Acquisition Professional, GLOBALFOUNDRIES
14:45 – 15:15 | Career Pitches
- Dr. Tom Adler, Geschäftsführer & Produktmanager, Fiplor
- Dr. Maria Begasse, Geschäftsführerin, Exzellenzcluster PoL TU Dresden
- Dr. Marc W. Hentz, Geschäftsführer, Dewpoint Therapeutics
- Dr. Stefanie Krenzlin, Projektmanagerin, Deputy Head of Technology Transfer
- Dr. Kai Kranich, Leiter Kommunikation & Marketing, Deutsches Rotes Kreuz e. V.
- Dr. Stephan Weiß, Global Technology Manager, ASIGA
- Dr. Richard Wetzel, Chief Scientific Officer, denovoMATRIX
15:15 – 17:00 | Triff die Expert*innen! Networking & Snacks
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt, Fragen & Diskussion können aber natürlich gerne auf Englisch erfolgen.
Wir freuen uns auf euer Kommen!
Die Teilnehmer*innen des GA Future Career Business Programms!
FREITAG, 16. MÄRZ 2018 | 13:00 - 16:00 Uhr
Haben Sie sich schon die Frage gestellt, wie es beruflich nach Ihrer Promotion weitergehen soll? Interessieren Sie sich für Karriereoptionen außerhalb der Wissenschaft?
Bei der Podiumsdiskussion mit Gästen aus den Bereichen Industrie, Start-up, Recruiting, etc. wird es um die zentrale Frage gehen, wie der Berufseinstieg im Anschluss an die Promotion gelingen kann. Die anschließenden Tischgespräche bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihre persönlichen Fragen an die Referenten zu stellen, untereinander ins Gespräch zu kommen und Ihr Netzwerk zu erweitern.
Unsere Gäste sind:
- Dr. Johannes Bittner / Bertelsmann Stiftung
- Tanja Gert / Otto Group Solution Provider
- Dr. Stefan Köppl / BMW München
- Prof. Dr. Peter Schmiedgen / Knowledge Design
- Dr. Frank Striggow / Life Sciences Inkubator
- Dr. Kathrin Wiertelarz / Heliatek
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt.
Herzliche Grüße
Das Team des GA Programms „Future Career Program: Business“
FREITAG, 11. AUGUST 2017 | 13:00 - 16:00 Uhr
Der Abschluss Deiner Doktorarbeit ist in Sichtweite oder Du bist Postdoc und suchst den Berufseinstieg außerhalb des akademischen Bereichs?
Dann besuche unsere Informationsveranstaltung „Beyond Academia: Career Steps after Your PhD”.
Programm:
- 13:00 – 13:15 | Begrüßung durch Dr. Barbara Könczöl (Graduiertenakademie)
- 13:15 – 13:45 | Vorstellung der eingeladenen Gäste (inkl. deren Berufswege)
- 13:45 – 14:30 | Podiumsdiskussion
- 14:30 – 15:30 | Round Table Diskussion (15-minütig pro Tisch)
- 15:30 – 16:00 | Abschluss und Möglichkeit zum Netzwerken
Gäste:
- BASF – Dr. Maria Heuken
- Catalent Germany Schorndorf GmbH – Dr. Loai El Shall
- Global Foundries – Dr. Ralf Sprenger
- d-fine – Dr. Sebastian Schlenkrich
- Papiertechnische Stiftung – Dr. Marcel Haft
- Fraunhofer IWU – Thomas Töppel
Die Gäste stellen ihre Berufswege nach der Promotion vor. Bei einem Podiumsgespräch werden allgemeine Fragen bezüglich Einstieg ins Unternehmen, Stellenanforderungen und Karriereplanung besprochen.
Es wird Tischgespräche geben, bei denen Ihr Eure eigenen Fragen an die Fachmänner und -frauen stellen könnt. Und bei ein paar Snacks, die freundlicherweise von SZ Jobs gesponsert werden, könnt Ihr danach im Biologie-Innenhof Euer persönliches Netzwerk erweitern.
Diese interaktive Veranstaltung wurde im Rahmen des „Future Career Program: Business“ von GA-Mitgliedern für GA-Mitglieder organisiert.
MITTWOCH, 15. März 2017 | 14:00 Uhr
Programm
- 14:00 Uhr | Impulsvortrag
Dr. Antje Wegner, Leiterin des ProFile Promovierendenpanel am DZHW - 15:00 Uhr | Podiumsdiskussion
- 16:30 Uhr | Tischgespräche
Mit Experten diskutieren über:
- Einstieg in das Unternehmen
- Selbstständigkeit
- Öffentlicher Dienst
- Internationale Karriere
- Wirtschaftsunternehmen
- Quereinstieg Lehramt
FREITAG, 1. JULI 2016 | 15:00 Uhr
Liebe Mitglieder der Graduiertenakademie,
wir laden Euch herzlich ein zum Karriere Café – „Einstieg in die außeruniversitäre Karriere“. Diese einmalige, interaktive Veranstaltung wurde im Rahmen des GA Future Career Program von den Kursteilnehmern:innen für Euch auf die Beine gestellt.
Den Auftakt bildet ein zentrales Interview mit Herrn Stoschek von Global Consultancy und dem Profiler Herrn Sobiella. Im Anschluss könnt Ihr selbst aktiv werden. In entspannter World Café Atmosphäre stellen sich promovierte Berufseinsteiger verschiedener Fachgebiete Euren Fragen. Mit dabei sind:
- Dr. Birgit Lenz, Robert Bosch GmbH, Stuttgart
- Dr. Denis Klemm, Sunfire GmbH, Dresden
- Dr. Daniel Lukas, Finanzministerium, Dresden
- Dr. Marek Baumann, GlaxoSmithKline, Dresden
Damit habt Ihr die einmalige Chance, mit ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern persönlich in Kontakt zu treten, Eure allerwichtigsten Fragen zum Absprung aus der Universitätskarriere zu klären und von ihren Erfahrungen zu profitieren!
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Wir freuen uns darauf, Euch am 1. Juli begrüßen zu können.
Die Teilnehmer:innen des GA-Future Career Program