Was ist 'Bildungstechnologie'?
Zum Begriff "Bildungstechnologie":
Wie Sie wohl richtig vermutet haben, gibt es keine einheitliche Definition, jeder versteht was Anderes darunter. Aber es klingt spannend und muss was Besonderes sein. Es klingt vor allem "technisch" und es hat bestimmt was mit Computern in der Bildung zu tun. Eine brauchbare Auseinandersetzung mit dem Begriff finde ich bei Ludwig Issing ("Entwicklungen und Tendenzen der Bildungstechnologie - Dokumentation einer Tagung des Fachverbandes Medien und Technik im Bildungsbereich". - Hrsg. J. Hüther und G. Lohoff, Expert Verlag, Ehningen bei Böblingen, 1989.- Reihe Medien, Technik, Bildung - Band 5; ISBN 3-8169-0480-7) in der Einleitung zu seinem Vortrag "Bildungstechnologie in Theorie und Praxis" (Kapitel 1: Begriffsbestimmung und Entwicklungsgeschichte, S. 2). Der Begriff wurde in der Zeit des sog. "Programmierten Unterrichts" aus den USA (educational bzw. instructional technology) übernommen und bezieht sich auf Verfahren zur Planung, Entwicklung, Evaluierung und Realisierung von Lehr- und Lernprozessen unter Verwendung von Lernprogrammen.
Die Professur für Bildungstechnologie an der TU Dresden steht in der Tradition des vormaligen "Forschungszentrums für technische Lehr- und Lernmittel", das im Wesentlichen ab Ende der 60er Jahre bis 1990 Forschung auf dem Gebiet des geräte- und programmgestützten Lehrens und Lernens betrieb. Mit der Umstrukturierung der Dresdner Uni 1990/1991 wurde in Anknüpfung an diese Tradition der Begriff "Bildungstechnologie" für die Professur gewählt. Heute würde man hier wahrscheinlich anders entscheiden.
Zu meinem eigenen Begriffsverständnis:
Der prozessorientierte Begriff "Technologie" macht Aussagen über die Anwendung von verfügbaren Techniken und Verfahren. Im griechischen Original stecken das "Techne" (Fähigkeit, Handwerk, Technik) und "Logos" (die Lehre von) drin. Bildungstechnologie verstehe ich im engeren Sinne daher als "Lehre von der Anwendung von verfügbaren Techniken und Verfahren in Bildungsprozessen". Wenn man dieser Begriffsbildung folgt, steht man allerdings bei den Verfahren in Kollision mit dem Begriff "Didaktik", der schon lange nicht mehr nur die "Lehre vom Unterricht" bezeichnet, sondern ebenfalls den Prozesscharakter der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen trägt. Und die entsprechenden Verfahren sind im Wesentlichen das, was wir in der Didaktik als Methoden und Erkenntniswegstrukturen bezeichnen. Und sieht man als Technik den Einsatz von Geräten (der Computer wäre für mich ein Gerät), dann sieht man, dass heute nur wenige Geräte gebaut und verwendet werden, die direkt für Lehr-Lern-Prozesse entwickelt wurden.
Auf Grund seiner Unklarheit und Unschärfe verwende ich selbst den Begriff "Bildungstechnologie" nicht. Der Ursprung des Begriffs Technologie bezieht sich ja auf die Lehre von der Gewinnung, Bearbeitung, Herstellung oder Verteilung von Waren und Dienstleistungen (mithilfe der verfügbaren Techniken), das kann man m. E. nicht einfach auf Bildung (als sozialen Prozess) übertragen. Es weckt vor Allem falsche Vorstellungen in Richtung: Es gibt Technologien, mit deren Hilfe man Bildung erlangen kann (der "Nürnberger Trichter" wäre demnach eine Bildungstechnologie). Bildung ist aber weit mehr ist als nur die Aneignung von Kenntnissen oder informiert zu sein. Darum sprechen wir heute viel sachlicher von "Informations- und Kommunikationstechnologien" (auch wenn eine Mehrheit hierunter wieder die Technik versteht).
Hartmut Simmert
Bakkalaureatsarbeit zum Thema: „Überblick zur historischen Entwicklung von computerunterstützten Lehr- und Lernsystemen"
Die komplette Arbeit ist hier nachzulesen.