Meilensteine der Professur Schulpädagogik: Schulforschung
Im Zuge der Neugründung der Fakultät Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Dresden im Jahre 1993 wurden in der Schulpädagogik zwei komplementäre Lehrstühle mit den Schwerpunkten „Empirische Unterrichtsforschung“ bzw. „Schulforschung“ eingerichtet. Die Professur für „Schulpädagogik: Schulforschung“ umfasste laut Berufungsurkunde (März 1993) die Bereiche: „Theorie der Schule, Schulforschung & Schule und Gesellschaft“. Die Forschungsaufgaben wurden im Rahmen der neu gegründeten „Forschungsgruppe Schulevaluation“ organisiert. Erste Meilensteine der Entwicklung einer Forschungsinfrastruktur waren:
- die Wissenschaftliche Begleitung des BLK-Modellversuches zur „Mittelschule im Freistaat Sachsen“,
- ein deutsch-polnisches Vergleichsprojekt zu den Strukturen der Jugendphase in Ost-, Westdeutschland und Polen mit Politologen der Universität Warschau und Sozialforschern des ehemaligen Zentralinstituts für Jugendforschung in Leipzig sowie
- die Vernetzung mit dem Sonderforschungsbereich (SFB 227) der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Thema „Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter“ an der Universität Bielefeld (Gesamtkoordination: Prof. Dr. Klaus Hurrelmann). Im Rahmen des SFB wurde ein Ost-West-Vergleichsprojekt zum Thema „Gewalt in der Schule“ durchgeführt (Kooperationspartner: Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann/Prof. Dr. Heinz Günter Holtappels).
Neben Projekten der Schulforschung und Schulqualitätsentwicklung sowie zum abweichenden Verhalten in der Schule konnte mit der Beteiligung an der internationalen Gesundheitsstudie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC), die im Turnus von vier Jahren im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt wird, ein dritter Forschungsschwerpunkt etabliert werden.
(Link zu HBSC International | Link zu HBSC Deutschland)
Neben der Grundlagenforschung war und ist der Wissenstransfer ein Anliegen der Forschungsgruppe: Dies kommt in der kontinuierlichen wissenschaftlichen Begleitung von Schulen ebenso zum Ausdruck wie bei der Grundlagenforschung: Den beteiligten Einrichtungen (meist Schulen) und Personen wurden immer vergleichende Rückmeldungen zu den Ergebnissen der empirischen Evaluation mit der Perspektive der Qualitätsentwicklung gegeben. Spezielle Rückmeldeverfahren wurden entwickelt und erprobt. Diese orientieren sich an Benchmarking-Strategien in den Wirtschaftswissenschaften und verfolgen den Zweck, die Schulentwicklung an den Einzelschulen zu unterstützen.
Ein Projekt, in dem der Wissenstranfer eine besondere Rolle spielt, ist der sog. Schulnavigator, der in Kooperation mit der Sächsischen Zeitung durchgeführt wurde. Beim Schulnavigator werden Elterneinschätzungen zur Qualität der Schule ihrer Kinder erhoben und für andere Eltern systematisch aufbereitet, um diesen die Schulwahl zu erleichtern.
Ein Meilenstein in der Arbeit der Professur war rückblickend die Gründung des Zentrums für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung“ (ZLSB), dessen Anfänge bis in das Jahr 2003 zurückgehen. Lehrerbildung besitzt in Dresden eine lange Tradition und war immer der Reform dieser Ausbildungsgänge verpflichtet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden an der damaligen Technischen Bildungsanstalt Dresden Lehrkräfte für das Höhere Lehramt, zunächst in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, ausgebildet. Seit 1923 hat die damalige Technische Hochschule Dresden als erste Hochschule im Deutschen Reich eine akademische Ausbildung für Volksschullehrer realisiert. Näheres zur Geschichte der Lehrerbildung an der TU Dresden ist auf der Webseite der Fakultät Erziehungswissenschaften nachzulesen. In die Amtszeit des Inhabers der Professur als Gründungsvorstand und Geschäftsführender Direktor des ZLSB fielen zwei grundlegende Reformwellen, die Umstellung auf Bachelor-/Masterstudiengänge und die Re-Reform mit einer Rückkehr zu Staatsexamensstudiengängen für alle Lehrämter.
Ein herausragendes Ereignis war die Durchführung des 21. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft zum Thema „Kulturen der Bildung“ vom 16. bis 19 . März 2008 – unsere Hochschule war Gastgeber für über 3.000 Erziehungswissenschaftler/innen aus dem In- und Ausland. Inhaltliche Gestaltung und Rahmenprogramm wurden mit der Verleihung des „Congress Award“ gewürdigt. Als ein nachhaltiges Veranstaltungsformat hat sich das beim Kongress erstmalig durchgeführte Pädagogische Quartett zum Thema „Was ist eine zeitgemäße Bildung?“ erwiesen, dieses besteht bis heute und wurde zusammen mit dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden weiterentwickelt.
Zum Profil des Arbeitsbereiches und zum Selbstverständnis des Inhabers der Professur gehört das ehrenamtliche Engagement. So wurde „Service Learning“ als optionales Studienmodul in der Studienordnung verankert. Mit dem sozialen Engagement ist die Perspektive der eigenen Kompetenzerweiterung verbunden. In diesem Rahmen wurde u. a. das Tutorenprojekt „Balu und Du“ realisiert, in dem Studierende für ein Jahr die Patenschaft und Betreuung für Kinder übernehmen, die dieser Unterstützung in besonderem Maße bedürfen. Der Inhaber der Professur engagiert sich ehrenamtlich in diversen Beiräten und Gesprächskreisen (u.a. beim WEISSER RING, dem Deutschen Jugendinstitut, Fan-Projekt Dresden) und ist als Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung tätig.
Die wissenschaftlichen Milieus und Entwicklungsphasen des heutigen Seniorprofessors Wolfgang Melzer können wie folgt skizziert werden: In der Osnabrücker Zeit erfolgte eine grundständige pädagogisch-didaktische Ausbildung, empirische Arbeiten in der Kita- und Lehrerforschung standen auf dem Programm. Die Mitarbeit in einem BLK-Modellversuch zur „Elternmitarbeit in Gesamtschulen“ bildete den Abschluss. In der Bielefelder Zeit wurden die Studien zur Elternpartizipation vertieft. Es erfolgte eine sozialwissenschaftliche Ausweitung des theoretischen und empirischen Zugriffs. Die Laborschulforschung kam hinzu, ebenso die Kindheits- und Jugendforschung, insbesondere auch in interkultureller und kulturvergleichender Perspektive. Historische und aktuelle Studien zur Kibbutzforschung bildeten einen Schwerpunkt. Höhepunkt war eine Konferenz zum Thema „Jugend in Israel und in der Bundesrepublik“ (Link zum Buch) mit renommierten Sozialisationsforschern und der persönlichen Begegnungen mit Uri Bronfenbrenner. Sein sozial-ökologischer Ansatz war ein Orientierungspunkt auch für die Dresdner Zeit (ab 1993), in der sich die drei Schwerpunkte Schulforschung, Gewaltforschung und Gesundheitsforschung als dauerhafte Aufgabengebiete im Verlaufe von über 20 Jahren herausgebildet haben und bis heute verfolgt werden.