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Quartschen (=Chwarszczany, Komturei, Polen)
Bauliche und territoriale Entwicklung
Die Niederlassung befindet sich 11 km von Küstrin entfernt am Fluß Mietzel. Zu Beginn der 30er Jahre des 13. Jahrhunderts wurde das Dorf Quartschen (Chwarszczany) einschließlich umgebendem Land durch Herzog Heinrich I. von Schlesien dem Templerorden geschenkt. Für diesen Akt gibt es jedoch keine Urkunde. Überliefert ist dem hingegen die 1232 getätigte Schenkung von Quartschen durch Herzog Wladislaw Odonic von Großpolen, 1000 Hektar Land und das Recht, dort einen Markt nach deutschem Recht einzurichten. Es ist möglich, dass letzterer das Land, welches er hier verschenkte, jedoch gar nicht rechtskräftig besaß, sondern dieses Heinrich I. gehörte.
Das Ziel der Schenkung lag in der Förderung der Kultivierung und Besiedlung des Landes, jedoch scheint auch die militärische Bedeutung der Templer wichtig gewesen zu sein: So vereiteln die Ordensbrüder von Quartschen bereits 1233 den Vorstoß Herzog Barnims I. von Pommern Richtung Süden und veranlassen diesen zur Aufnahme von Verhandlungen. Allerdings könnte hier auch die reine Tatsache, dass ihm kirchlicher Besitz im Wege stand und das diplomatische Geschick der Templer gewirkt haben. Jedenfalls beschenkte Barnim I. den Orden anschließend ebenfalls mit Land und Rechten über weitere Siedlungen. Die schwankenden politischen Verhältnisse in dieser Grenzregion veranlassten die Templer, mehrfach eine päpstliche Bestätigung ihrer Besitzungen und Rechte hier einzuholen. So auch 1257 von Papst Alexander IV., nachdem die Markgrafen von Brandenburg Anrechte auf die Ländereien geltend gemacht hatten.
Von einem Großteil der Besitzungen durften die Templer den Zehnten erheben, mussten dafür aber dem Bischof von Lebus, in dessen Gebiet der Grund lag, eine Naturalienpacht entrichten. 1261 gehörten bereits 11 Dörfer zum Besitz des Ordenshauses Quartschen, sowie große Wald- und Heidebezirke, das Fischereirecht, einiger Viehbestand sowie ein oder zwei Mühlen. In allen Besitzungen verfügte der Orden über die hohe und niedere Gerichtsbarkeit. Seit 1236 hatten sie Zollfreiheit, die nicht nur für die Brüder selbst, sondern auch ihre Untertanen galt. In den Dörfern besaßen die Templer das Patronatsrecht über die Pfarrkirchen - was allerdings keineswegs heißt, das diese mit Ordenspriestern besetzt gewesen wären.
Die brandenburgischen Markgrafen nutzen den ihrer Meinung nach ideal gelegenen Platz als Quartier und Lager bei ihren Jagden, und die Templer waren wie später auch die Johanniter zum Unterhalt des Gefolges und zur Haltung einer Jagdhundemeute verpflichtet.
In den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurde Quartschen zu einem der bedeutendsten Templerhäuser im Osten Europas. Der Gebäudekomplex, bestehend aus ummauerter Hofanlage, Kirche und Friedhof, wurde in späterer Zeit von den Johannitern ausgebaut und verändert. Ein Inventar von 1737 gibt einen hervorragenden Überblick über die damalige bauliche Situation. Eine erste Kirche wurde sehr wahrscheinlich bereits kurz nach der Schenkung des Gebietes an den Templerorden errichtet. In der zweiten Hälfte des 13. Jhs. begann man mit einem imposanteren Hallenkirchen-Neubau aus Backsteinen über einem Feldsteinsockel, der 1280 vom Bischof von Lebus mit Allerheiligenpatronat geweiht wurde.
Der erste Komtur ist allerdings erst aus dem Jahr 1282 überliefert - wann Quartschen in den Status einer Komturei erhoben wurde, kann daher nicht mit Sicherheit gesagt werden. 1286 trat mit Markgraf Otto VI. von Brandenburg ein Mitglied des deutschen Hochadels in den Orden ein. 1291 wurde die Niederlassung zur Residenz des Provinzmeisters für Polen, Pommern und die Neumark, Bernhard von Eberstein, und mindestens ein Provinzialkapitel wurde hier abgehalten.
1318 ging die Komturei und ihre Dependancen in den Besitz der Johanniter über, und auch die zum Zeitpunkt der Auflösung des Templerordens auf Quartschen lebenden Brüder scheinen übernommen worden zu sein.
Architektonische Überreste
Die Kirche von Quartschen ist erhalten und heute im restaurierten Zustand zu besichtigen. Im 19. Jahrhundert wurden die Langhausfenster mit einer Maßwerkrosette rekonstruiert - ob diese authentisch ist oder eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, ist unklar. Es gibt unterschiedliche Forschungsmeinungen, ob der Feldsteinunterbau einer älteren Kirche zuzuordnen ist oder nicht. Das Westportal besitzt ein gestuftes Feldsteingewände auf, das südliche Portal ein Formsteingewände. Die Gestaltung der Westfassade weist Ähnlichkeiten mit zisterziensischen Anlagen in Chorin und Pelplin auf; ein weiterer Vergleichsbau ist die Franziskanerkirche in Neuruppin. Allerdings ist nach dem momentanen Stand der Forschung nicht festzustellen, ob Quartschen oder Neuruppin der jeweilige Vorbildbau war. Gesichert kann jedoch gelten, dass dieselben Bauleute an beiden Kirchen tätig waren. Auch Quartschen rezipiert in den Grundrissmaßen die biblischen Angaben zum Salomonischen Tempel, orientiert sich in der Bauausführung aber eher an herrschaftlichen Architekturkonzepten - vielleicht, weil Markgraf Otto VI. 1286 hier in den Orden eintrat.
Die originalen Abschlüsse der Westtürme sind nicht mehr erhalten, sondern wurden in Johanniterzeit ersetzt. Die Kapelle ist kreuzrippengewölbt, mit Dienstabschlüssen, die Blattmotive auf der Unterseite tragen. Die Fresken stammen ebenfalls aus der Zeit der Johanniter. Außer der Kapelle wurden alle Gebäude der Komturei im 18. Jh. zerstört. Von 2004 bis 2008 fanden archäologische Grabungen auf dem Gelände statt.
Komture von Quartschen:
˜ 1282-1285 Heinrich
˜ 1291 Bernhard von Eberstein
˜ 1308 Günter von Köthen
Anke Napp
Sekundärliteratur
- H. – D. Heimann / K. Neitmann (eds.), Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 2 vols., Berlin 2007, vol. II, pp. 991-1018. (mit ausgiebigen Quellenangaben)
- P. Kolosowski / D. Sieminska, The Templars' sites in Rurka (Rörchen) and Chwarszczany (Quartschen) in the light of latest studies, in: Chr. Gahlbeck / H.-D. Heimann / D. Schumann (eds.), Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, 2014, pp. 442-457.
- B. Skazinski, La permiere et la seconde chapelle du château des Templiers de Chwarszcany, in: K. Passuth (ed.), Mitteleuropa. Kunst-Regionen-Beziehungen, Budapest 1995.
- D. Schumann, Die mittelalterlichen Ordensbauten der ehemaligen Templerkommenden in Lietzen und Quartschen (Chwarszcany). Konzepte sakraler Architekturgestaltung im späten 13. Jahrhundert, in: Chr. Gahlbeck / H.-D. Heimann / D. Schumann (eds.), Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, 2014, pp. 412-441.