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Quartschen (=Chwarszczany, Komturei, Polen)
Bauliche und territoriale Entwicklung
Die Niederlassung befindet sich am Fluss Mietzel, elf Kilometer von Küstrin entfernt. Das Dorf Quartschen (Chwarszczany), wurde dem Templerorden 1232 einschließlich 1000 Hufen Land durch Herzog Ladislaus Odoniz geschenkt. Neben den Immobilien erhielten die Templer außerdem das Privileg, einen Markt nach deutschem Recht abzuhalten (ed. Wohlbrück I, S. 60f). Laut Gahlbeck (2007) erneuerte der Herzog damit möglicherweise nur eine bereits zuvor durch Herzog Heinrich I. von Schlesien getätigte Schenkung (für die keine Urkunde erhalten ist). In einem heute verlorenen Nekrologfragment war der Todestag des schlesischen Herzogs Heinrich I. von Schlesien mit dem Vermerk „fundator curie in Quarsano“ enthalten (ed. Heckmann, 2014). Der Landschenkung folgte im gleichen Jahr eine Überlassung des Zehnten von diesen 1000 Hufen durch Bischof Lorenz II. von Lebus. Von einem Großteil ihrer Besitzungen durften die Templer den Zehnten erheben, mussten dafür aber dem Bischof von Lebus, in dessen Gebiet der Grund lag, eine Naturalienpacht entrichten. 1261 gehörten bereits elf Dörfer zum Besitz des Ordenshauses Quartschen sowie große Wald- und Heidebezirke, das Fischereirecht, einiger Viehbestand sowie ein oder zwei Mühlen. In allen Besitzungen verfügte der Orden über die hohe und niedere Gerichtsbarkeit. Seit 1236 hatten sie Zollfreiheit, die nicht nur für die Brüder selbst, sondern auch für ihre Untertanen galt. In den Dörfern besaßen die Templer das Patronatsrecht über die Pfarrkirchen – was allerdings keineswegs heißt, dass diese mit Ordenspriestern besetzt gewesen wären. Der erste Komtur ist allerdings erst für das 1282 belegt – wann genau Quartschen in den Status einer Komturei erhoben wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.
In den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurde Quartschen zu einer der bedeutendsten Templerniederlassungen im Osten Europas. Der Gebäudekomplex, bestehend aus ummauerter Hofanlage, Kirche und Friedhof, wurde in späterer Zeit von den Johannitern ausgebaut und verändert. Erst ein Inventar von 1737 gibt einen Überblick über die damalige bauliche Situation. Eine Kirche wurde sehr wahrscheinlich bereits kurz nach der Schenkung des Gebietes an den Templerorden errichtet. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde mit einem imposanteren Hallenkirchen-Neubau aus Backsteinen über einem Feldsteinsockel begonnen, der 1280 vom Bischof von Lebus mit Allerheiligenpatronat geweiht wurde.
Beziehungen und Konflikte
Das Ziel der Schenkung lag in der Förderung der Kultivierung und Besiedlung des Landes. Jedoch scheint auch die militärische Bedeutung der Templer, beziehungsweise die Funktion ihres Besitzes, als „geistliche Pufferzone“ zwischen den lokalen verfeindeten Mächten wichtig gewesen zu sein. 1233 verhinderten die Templer den Vorstoß Herzog Barnims I. von Pommern Richtung Süden und veranlassten diesen zur Aufnahme von Verhandlungen, offenbar ohne, dass es zu größeren militärischen Auseinandersetzungen kam. Jedenfalls beschenkte Barnim I. den Orden anschließend mit Land und Rechten über weitere Siedlungen. Die schwankenden politischen Verhältnisse in dieser Grenzregion veranlassten die Templer mehrfach, eine päpstliche Bestätigung ihrer Besitzungen und Rechte einzuholen, so auch 1257 von Papst Alexander IV., nachdem die Markgrafen von Brandenburg Anrechte auf die Ländereien geltend gemacht hatten. Die brandenburgischen Markgrafen nutzten Quartschen als Quartier und Lager bei ihren Jagden. Die Templer waren, wie später auch die Johanniter, zum Unterhalt des Gefolges und zur Haltung einer Jagdhundemeute verpflichtet.
1286 trat mit Markgraf Otto VI. von Brandenburg ein Mitglied des deutschen Hochadels in Quartschen in den Orden ein. 1291 wurde die Niederlassung zur Residenz von Bernhard von Eberstein, dem Provinzmeister von Polen, Pommern und der Neumark. Mindestens ein Provinzialkapitel wurde hier abgehalten. 1318 gingen die Komturei und ihre zugehörigen Häuser sowie Immobilien in den Besitz der Johanniter über. Auch die zum Zeitpunkt der Auflösung des Templerordens auf Quartschen lebenden Brüder scheinen übernommen worden zu sein.
Architektonische Überreste
Die Kirche von Quartschen ist erhalten geblieben und heute im restaurierten Zustand zu besichtigen. Im 19. Jahrhundert wurden die Langhausfenster mit einer Maßwerkrosette rekonstruiert, ob diese authentisch oder eine Erfindung des 19. Jahrhunderts ist, ist unklar. Es gibt unterschiedliche Forschungsmeinungen, ob der Feldsteinunterbau einer älteren Kirche zuzuordnen ist oder nicht. Das Westportal besitzt ein gestuftes Feldsteingewände, das südliche Portal ein Formsteingewände. Die Gestaltung der Westfassade weist Ähnlichkeiten mit zisterziensischen Anlagen in Chorin und Pelplin auf; ein weiterer Vergleichsbau ist die Franziskanerkirche in Neuruppin. Allerdings ist nach dem momentanen Stand der Forschung nicht festzustellen, ob Quartschen oder Neuruppin der jeweilige Vorbildbau war. Als gesichert kann jedoch gelten, dass dieselben Bauleute an beiden Kirchen tätig waren. Quartschen rezipiert in den Grundrissmaßen die biblischen Angaben zum Salomonischen Tempel, orientiert sich in der Bauausführung aber eher an herrschaftlichen Architekturkonzepten.
Die originalen Abschlüsse der Westtürme sind nicht mehr erhalten, sondern wurden in Johanniterzeit ersetzt. Die Kapelle ist kreuzrippengewölbt, mit Dienstabschlüssen, die Blattmotive auf der Unterseite tragen. Die Fresken stammen ebenfalls aus der Zeit der Johanniter. Außer der Kapelle wurden alle Gebäude der Komturei im 18. Jahrhundert zerstört. Von 2004 bis 2008 fanden archäologische Grabungen auf dem Gelände statt.
Komture von Quartschen:
~1282–1285 Heinrich
~ 1291 Bernhard von Eberstein
~ 1308 Günter von Köthen
Anke Napp
Quellen
- M.-L. Heckmann, Fecit pulsare campanas… Kriegsdienste und Frömmigkeit deutscher Templer aus der Perspektive ihrer Wohltäter, in: C. Gahlbeck / H.-D. Heimann / D. Schumann (Hgg.), Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, Berlin 2014, S. 91–120.
- S. W. Wohlbrück, Geschichte des ehemahligen Bisthums Lebus und des Landes dieses Nahmens, Bd. I, Berlin 1829, S. 60f: URL.
Sekundärliteratur
- H.-D. Heimann / K. Neitmann (Hgg.), Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 2 Bde., Berlin 2007, Bd. II, S. 991–1018 (mit ausgiebigen Quellenangaben).
- P. Kolosowski / D. Sieminska, The Templars‘ sites in Rurka (Rörchen) and Chwarszczany (Quartschen) in the light of latest studies, in: C. Gahlbeck / H.-D. Heimann / D. Schumann (Hgg.), Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, Berlin 2014, S. 442–457.
- B. Skazinski, La première et la seconde chapelle du chateau des Templiers à Chwarszczany. Les rapports locales et extrarégionales, in: K. Passuth (Hg.), Mitteleuropa. Kunst-Regionen-Beziehungen. Studentenkolloquium von 28. bis 29. April in Budapest, Budapest 1995, S. 63–76.
- D. Schumann, Die mittelalterlichen Ordensbauten der ehemaligen Templerkommenden in Lietzen und Quartschen (Chwarszcany). Konzepte sakraler Architekturgestaltung im späten 13. Jahrhundert, in: C. Gahlbeck / H.-D. Heimann / D. Schumann (Hgg.), Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, Berlin 2014, S. 412–441.
- M. Schüpferling, Der Tempelherren-Orden in Deutschland, Bamberg 1915, S. 131–137.