01.08.2022
"Das Soziale geht nicht verloren"
Ein Balkendiagramm, dem man beim Wachsen zusehen kann, ein Video einer Berglandschaft, ein kurzer Clip eines Sportevents – wer seinen Instagram-Feed öffnet, sieht seit einiger Zeit ungewohnt viele Videos. Der Grund ist eine Entscheidung von Meta, dem Mutterkonzern von Instagram und Facebook: Videos sollen auf den Plattformen relevanter werden. Außerdem soll der Algorithmus mehr Inhalte fremder User:innen und weniger Fotos von Freund:innen in die Timeline spülen – ganz so wie beim erfolgreichen Konkurrenten TikTok.
Mit dieser Ankündigung erntete Meta viel Kritik. Die Influencer:in Tati Bruening startete sogar eine Petition, Motto: "Make Instagram Instagram again!" Bisher haben gut 280.000 Menschen unterschrieben. Instagram-Chef Adam Mosseri ist nun zurückgerudert: Über die Änderungen des Algorithmus werde man noch einmal nachdenken.
Trotzdem bleibt die Frage, ob auf Instagram und Facebook bald nicht mehr das soziale Miteinander im Vordergrund steht, sondern kurzweilige Unterhaltung. Kurzum: Läutet Meta das Ende der sozialen Medien ein?
"Das Soziale geht nicht verloren", sagte dazu IfK-Juniorprofessorin Anna Sophie Kümpel am Samstag (30. Juli) in der Sendung "Breitband" auf Deutschlandfunk Kultur. Schließlich könne man schon länger beobachten, dass die soziale Interaktion vermehrt hinter den Kulissen stattfindet, etwa, wenn man sich über den Instagram-Messenger Memes schickt oder beim gemeinsamen Kaffee über Posts von Influencer:innen redet. "Die sozialen Medien werden immer häufiger Lieferanten für Gespräche, die sich selbst dann aber von den Plattformen entkoppeln", so Kümpel.
Dass die Plattformen auf algorithmische Kuratierung der Inhalte setzen, sei zudem nicht neu, sondern werde nun lediglich offensichtlicher. "Bei Facebook zum Beispiel gibt es jetzt eine ganz interessante Entwicklung, dass der Feed gestaffelt werden soll", sagt Kümpel. User:innen können in Zukunft auswählen, ob sie einen "Home Feed" mit primär algorithmisch empfohlenen Inhalten durchscrollen wollen oder einen Feed ansehen, in dem die Inhalte von Freund:innen und gefolgten Seiten aufgeführt sind.
Kümpel verwies auch darauf, dass man von der Kritik vieler User:innen nicht auf deren tatsächliches Nutzungsverhalten schließen dürfe – so zeigten etwa interne Nutzungszahlen von Instagram, dass Videos, Reels und Stories bei den User:innen ziemlich gut ankommen, während die quadratischen Fotos im Feed weniger Aufmerksamkeit abbekommen. "Die Unternehmen haben natürlich ein großes Interesse, die Leute möglichst lange auf der Plattform zu halten", so Kümpel. Also bevorzugen sie Inhalte, bei denen die Leute hängen bleiben – Bewegtbild.
Auch wenn sie nicht überrascht ist, dass Meta die algorithmische Kuratierung verstärken will, sieht Kümpel die Gefahr negativer Konsequenzen. "Ich glaube tatsächlich, dass stärker reißerische Inhalte entsprechend positioniert werden." Wenn Medienanbieter auf einer Plattform erfolgreich sein wollen, müssen sie sich bis zu einem gewissen Grad der Darstellungslogik der Plattform anpassen: Das heißt nicht nur, dass ein TikTok nicht ohne Sound und ein Instagram-Post nicht ohne Visualisierung funktioniert. Es heißt auch: Inhalte müssen emotional und anregend sein, damit User:innen hängen bleiben. "Es funktioniert halt einfach nicht, dass ich einfach einen Link teile und hoffe, dass die Leute irgendwie auf meine Seite kommen."
Andererseits, so Kümpel, stelle gerade diese Anpassung an die Plattformlogik auch eine Chance dar: "Es gibt durchaus fruchtbare Ansätze, Inhalte informativ und ansprechend aufzubereiten – gerade für eine jüngere Zielgruppe."
Zum Beitrag "Breitband" von Deutschlandfunk Kultur mit Anna Sophie Kümpel
Die TU Dresden auf Instagram: www.instagram.com/tudresden
Kontakt
Jun.-Prof. Dr. Anna Sophie Kümpel
Junior-Professorin für Digitale Medien & die Methoden ihrer Erforschung
Institut für Kommunikationswissenschaft