03.09.2021
Neue Publikation: Wissenschaftler:innen als opportune Zeugen?
Wissenschaftler:innen sind für Journalist:innen eine zunehmend wichtige Quelle. Oft sollen sie nicht nur Forschungsergebnisse erklären, sondern als Expert:innen auch gesellschaftliche Sachverhalte einordnen und bewerten – die Corona-Politik von Bund und Ländern, den Wahlausgang, den Zusammenhang von Naturereignissen mit dem Klimawandel. Umso wichtiger ist die Frage, welche Wissenschaftler:innen in den Medien zu Wort kommen: Zitieren Journalist:innen jene mit der größten fachlichen Expertise? Oder nutzen sie Wissenschaftler:innen, um – unterstützt von Glaubwürdigkeit und (vermeintlicher) Objektivität der Wissenschaft – ihre eigene Meinung oder Argumentation zu stützen? Wissenschaftler:innen wären dann „opportune Zeugen“ (Hagen, 1992): Quellen also, die aufgrund ihrer generellen Position selektiert werden.
Inwiefern Journalist:innen Wissenschaftler:innen auf diese Art strategisch einsetzen, analysiert IfK-Mitarbeiterin Luise Anter in ihrem Beitrag „Mein Text, meine Meinung, meine Wissenschaftlerin? Eine qualitative Untersuchung zur Nutzung von Wissenschaftler:innen als opportune Zeugen“, der jüngst open access in der Fachzeitschrift Medien & Kommunikationswissenschaft erschienen ist. Der Artikel basiert auf ihrer Masterarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft der LMU München bei Prof. Dr. Carsten Reinemann, betreut von Dr. Manuel Menke.
Leitfadeninterviews mit 16 Journalist:innen von unterschiedlichen Medien (Tages-/Wochenzeitung, Magazin) und aus unterschiedlichen Ressorts (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) zeigen, dass Journalist:innen Wissenschaftler:innen nicht kontinuierlich als opportune Zeugen verwenden, da sie diese oft gerade dann konsultieren, wenn sie selbst zu einem Thema noch keine eigene Expertise und damit auch keine Meinung haben. Gleichwohl zeigen sich Unterschiede bei der Verwendung von Wissenschaftler:innen: Etwa scheint dies eher im Wirtschafts- oder Politikressort vorzukommen. Außerdem sehen die befragten Journalist:innen Sozial- und Geisteswissenschaftler:innen als besonders kommentierungsfreudig. Das erleichtert ihre Instrumentalisierbarkeit als opportune Zeugen.