Jun 28, 2022
Neue Publikation: Weltgeschehen oder Freundeskreis – was Social-Media-User:innen unter „Informiertheit“ verstehen
Ergebnisse des G7-Gipfels, Tipps für einen besseren Schlaf, der Konzertbesuch von Freund:innen – auf sozialen Medien können User:innen sich über verschiedenste Bereiche informieren. Diese Vielfalt adressieren bisherige Studien über Informationsnutzung und Wissenserwerb auf Instagram, Facebook & Co. aber kaum: „Informationen“ werden meist mit „politischen Informationen“ und „Nachrichten“ gleichgesetzt. Als Richtwert dient – mehr oder weniger explizit – das Ideal des informed citizen, der umfassend über alle wichtigen (politischen) Ereignisse Bescheid weiß. Diese Verengung ist nicht nur unrealistisch, sie führt auch zu einer Wissenslücke: Was verstehen Social-Media-User:innen selbst unter „Informiertheit“? Wie viel wollen sie über Nachrichten und Politik wissen – und welche anderen Informationen finden sie relevant? Und wie hängt das mit dem Gefühl zusammen, sich durch die Nutzung der Plattformen gut informiert zu fühlen?
Diesen Fragen gehen Anna Sophie Kümpel, Luise Anter (beide TU Dresden) und Julian Unkel (LMU München) in einem Aufsatz nach, der jüngst open access in der Fachzeitschrift Media & Communication erschienen ist. Ihre repräsentative Online-Umfrage unter deutschen Social-Media-User:innen (n = 1.091) zeigt, dass diesen Informationen über die eigenen Hobbies und das soziale Umfeld wichtiger sind als solche über Nachrichten und Politik. Im Detail sieht man unter anderem, dass es Menschen mit hoher Fear of Missing Out – also der Sorge, andere hätten tolle Erlebnisse, die man selbst verpasst – besonders wichtig ist, über Familie und Freunde informiert zu sein. Politisches Interesse wiederum führt zu einem höheren Stellenwert von Nachrichten.
Trotz der Vielfalt an Informationsbedürfnissen setzen viele User:innen „Informiertheit“ scheinbar mit „politischer Informiertheit“ gleich: User:innen fühlen sich vor allem durch jene Plattformen gut informiert, die sie für nachrichtentauglich halten – obwohl ihnen politische Informationen insgesamt am wenigsten wichtig sind.
Wie entsteht ein solches Begriffsverständnis? Wie leiten die eigenen Informationsbedürfnisse tatsächliches Informationsverhalten? Diesen Fragen könnten künftige Studien weiter auf den Grund gehen. Denn nur user-zentrierte Ansätze erlauben es uns, die Nutzung von Social-Media-Plattformen und deren Wirkung umfassend zu verstehen.