Aufbruch zu Demokratie und Nationalstaatlichkeit in Mittel- und Osteuropa? Aktuelle Forschungen mit Fokus auf die lokale Ebene (1917-1923)
Eine internationale Tagung in Zusammenarbeit zwischen dem am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung angelagerten, interdisziplinären Forschungsprojekt „Aufbruch zu Demokratie und Nationalstaatlichkeit im Dreiländereck. Deutschland – Polen – Tschechoslowakei nach dem ‚Großen Krieg‘ (1918-1923)“, der BKM-Juniorprofessor für „Soziale und ökonomische Netzwerke der Deutschen im östlichen Europa im 19. und 20. Jahrhundert“ und dem Prager Masaryk-Institut – Archiv der AV ČR, 3.-4.12.2018.
In der Mitte Europas kam es nicht erst mit dem Waffenstillstand 1918 und der Gründung neuer Staaten zu tiefgreifenden politischen wie sozialen Umwälzungen. Der Russischen Revolution 1917 folgte der in der Historiografie lange in seiner Bedeutung unterschätzte Vertragsschluss von Brest-Litowsk, der jüngst in Anlehnung an den Wilsonian Moment (Erez Manela) als "Brest-Litovsk Moment" (Borislav Chernev) für das östliche Europa bezeichnet wurde.
Bereits hier begann die staatliche Souveränität der Imperien zu erodieren und alternative Konzepte der Selbstverwaltung und Herrschaftssicherung wurden erprobt. Dies äußerte sich in der Bildung Dutzender kleiner "Saisonstaaten" ebenso wie im Auftreten lokaler Räte unterschiedlichster Formation und Motivation, um die wegbrechende Staatsmacht zu ersetzen und eine eigene politische Agenda zu forcieren.
Der Workshop hat das Ziel, die Transformationsprozesse der Nationalisierung und Demokratisierung in Mittel- und Ostmitteleuropa zwischen 1917 und 1923 in ihren Verflechtungen von der internationalen bis lokalen Ebene zu problematisieren. Dabei sollen vor allem Kontinuitäten und Brüche des politischen und gesellschaftlichen Wandels mit ihren Auswirkungen auf der bislang unterforschten lokalen und regionalen Ebene herausgearbeitet werden (etwa die – sich bildenden – Institutionen und zentrale Akteure/Akteurinnen). Von besonderem Interesse ist dabei, wie sich Prozesse der Nationalisierung und Demokratisierung in einer Gemengelage aus „top down“-Entscheidungen und „bottom up“-Prozessen in multiethnischen Grenzräumen vollzogen. Gerade auf lokaler Ebene boten sich dabei Spielräume, um erfolgreich Interessen sozialer Gruppen zu artikulieren und zwischen ethnischen Gruppen auszugleichen, die so auf zentralstaatlicher Ebene nicht erreichbar waren. Auch waren Frauen nicht erst seit 1918 an Prozessen der Demokratisierung und Nationalstaatsbildung beteiligt, deren wichtige Rolle bislang marginalisiert und ihrem Wirken auf lokaler und nationaler Ebene kaum Beachtung geschenkt wurde.