10.11.2023
Einladung zum Abendvortrag von Prof. Dr. Markus Ophälders: Kunst als Lüge: Picassos Geschichtserfahrung als absolute Negativität – Guernica 1937, 21.11.2023, 18:30 Uhr, Hörsaal ABS/E08
Picassos Bild soll als das untersucht werden, was es wirklich ist: als Gemälde, nicht als politisches Pamphlet. Es wird sich dann zeigen, dass es in Guernica viel zu sehen gibt, alles in diesem Gemälde ist figural und fordert den Betrachter zum Anschauen auf. Je mehr man jedoch versucht, hinzusehen, desto weniger sieht man; in allen neun Figuren von Guernica ist nichts zu sehen. Auch im figuralen Ganzen von Guernica ist nichts zu sehen, da die Figuren in keinerlei Verhältnis zueinanderstehen; aber gerade in diesem Nichts muss man – wie Faust sagt – das All finden. In diesem Sinne ist das Gemälde überaus modern und zeitgenössisch. Tatsächlich lenken die Figuren von Guernica den Blick über sich selbst hinaus; Bei näherer Betrachtung ist nichts so, wie es zu sein scheint. Tatsächlich muss jede Figur in Guernica so gelesen werden, wie man einen Text liest, und mit einer philosophischen und historischen Begrifflichkeit interpretiert werden, die jedoch niemals ihren ästhetischen Ursprung vergisst, d. h. die Tatsache, dass sie aus der sinnlichen Wahrnehmung entsteht, die Guernica nicht nur heraufbeschwört, sondern sogar beansprucht. Das Nichts von Guernica ist ein Nichts, das den Betrachter dazu zwingt, sich bloßzustellen, das Bild anzuschauen und sich mit ihm zu konfrontieren. Am Ende wird sich erweisen, dass dieses Gemälde trotz allem noch als Historiengemälde interpretiert werden kann, allerdings als eines, welches die absolute Negativität der modernen Geschichtserfahrung darstellt.
Der Vortrag findet im Hörsaal ABS/E08 im Institutsgebäude auf der August-Bebel-Straße 20 statt und steht allen Interessierten offen.
Markus Ophälders ist in Poughkeepsie (N.Y./USA) als Sohn deutscher Eltern geboren. Er hat Philosophie, Germanistik und Psychologie in Berlin, Mailand und Bologna studiert und lehrt Ästhetik und Philosophie der Kunst und der Musik an der Universität Verona, wo er auch als Direktor des Forschungszentrums ORFEO – Suono Immagine Scrittura tätig ist. Er beschäftigt sich in der Hauptsache mit Themen, welche Kunst- und Geschichtsphilosophie sowie das Problem der Kultur und ihres Ursprungs unter den heutigen Bedingungen von Macht, Masse, Technik, Entfremdung und Verdinglichung verbinden, wobei die Schwerpunkte in der deutschen Philosophie, Literatur und Musik des 19. und 20. Jahrhunderts liegen, insbesondere in der deutschen Frühromantik und im deutschen Idealismus sowie, was das 20. Jahrhundert betrifft, in der Frankfurter Schule.
Veröffentlichungen: Dialettica dell’ironia romantica. Saggio su K.W.F. Solger, Bologna 2000; Costruire l’esperienza. Saggio su Walter Benjamin, Bologna 2001; Romantische Ironie, Würzburg 2004; Labirinti, Milano 2008; Filosofia, arte, estetica, Milano 2008; Auswege sind Umwege, Würzburg 2012, Konstruktion von Erfahrung. Versuch über Walter Benjamin, Nordhausen 2016, Dialettica dell’ironia romantica, Milano 22016.