24.10.2023; Vortrag
Lebender Fels: Steingesichter in der Kunst von Karl dem Großen über Heinrich Taddel bis zu Gede Mahendra Yasa
1200 Jahre alte Gesichter, die aus gemalten Steinsäulen starren, oder quicklebendige Nackte in karolingischen Handschriften zählen zu jenen unerwarteten Kunstäußerungen, die dem „Mittelalter“ zumeist nicht zugetraut werden. Tatsächlich waren in der Buchmalerei Freiheiten möglich, die kaum gebaut oder gemeißelt werden konnten. Etliche Steinsäulen des Mittelalters legen nahe, dass gemalte Miniaturen eine anregende Wirkung auf die monumentale Bildhauerei ausübten.
Der Vortrag will zeigen, dass es bei den in mittelalterlichen Handschriften dargestellten „lebendigen Steinen“ nicht ausschließlich um den Gegensatz von »antik-heidnisch« versus »christlich« ging, als vielmehr äußerst ambivalente Verhältnisse und Mischformen denkbar waren.
Die künstliche Grenze zwischen einer „wissenden“ Antike und dem vermeintlich „finsteren Mittelalter“ wäre damit hinfällig. Da in den letzten Jahren Konzepte belebter Materie in der Kunst zunehmend stärker wurden, skizziert der Beitrag eine mögliche longue durée dieser Ideen bis auf die heutige Zeit.
Stefan Trinks studierte Kunstgeschichte, Geschichte sowie Klassische und Mittelalterliche Archäologie in Bamberg und Berlin. Seine Dissertation verfasste er zur Renaissance-Skulptur des elften Jahrhunderts am Jakobsweg, seine Habilitation über eigenbewegte Stoffe vom frühen Mittelalter bis in die zeitgenössische Kunst. Seit 2017 ist Stefan Trinks für das Kunstressort im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zuständig. Im Laufe seiner langjährigen universitären Lehrtätigkeit war er als Vertretung der Professur für christliche Kunst der Spätantike und des Mittelalters bereits am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft der TU Dresden tätig.