Form, Konstruktions- und Entwurfsprinzipien von spätgotischen Zellengewölben – „reverse engeneering“ und experimentelle Archäologie
Die Konstruktion- und Entwurfsprinzipien von Zellengewölben, einer Sonderform des spätgotischen Gewölbebaus, wurden untersucht, ausgehend von der mithilfe moderner Informationstechnik durchgeführten Vermessung und geometrischen Analyse von Gewölbefläche und Mauertextur, sowie anhand von experimentellen Nachbauten. Auf diese Weise konnten erstmals präzise Beschreibungen dieser Gewölbe, ihrer Form und konstruktiven Details, sowie belastbare Hypothesen zu deren Herstellung vorgelegt werden.
Zellengewölben sind ein besonderer Typus spätgotischer Gewölbe, der sich durch eine charakteristische, gefaltete Form der Gewölbefläche auszeichnet. Sie sind in einigen Fällen durch Rippen, meist aber durch rippenlose Grate strukturiert, zwischen denen die gemauerte Schale nach oben gefaltet ist und scharfkantige Grate und Kehlen bildet; so entstehen filigran wirkende Decken mit einem faszinierenden Spiel von Licht und Schatten. Ihre Erfindung ist im Zusammenhang mit dem 1471 begonnenen, von Arnold von Westfalen geplanten Bau der Albrechtsburg in Meißen zu sehen. In der Folge erfreute sich diese Gewölbeform zeitweise großer Beliebtheit und breitete sich bis ins 16. Jahrhundert schließlich über ein Gebiet aus, das große Teile Mittel- und Osteuropas umfasst. Über die Motive für die Erfindung und die Gründe für die Beliebtheit dieser Gewölbeform geben allerdings die zeitgenössischen Quellen ebenso wenig Auskunft wie über ihre Bauweise.
Im Projekt wurden die Konstruktions- und Entwurfsprinzipien dieser Gewölbe an Beispielen untersucht, und es gelang, ihren Herstellungsprozess zu rekonstruieren. Dies erfolgte anhand von geometrischen Analysen der Form und Mauerwerkstextur von untersuchten Gewölben, sowie praktischen Experimenten, bei denen Teile dieser Gewölbe in voller Größe und mit originalgetreuen Materialien nachgebaut wurden. Die so gewonnenen Erkenntnisse zur Bauweise der Zellengewölbe können nun als Grundlage für die Erhaltung und Restaurierung dienen; darüber hinaus lässt sich hierdurch auch die eigentümliche Form dieser Gewölbe verstehen. Zudem lassen sich Rückschlüsse auf die Bauorganisation, sowie auf den Planungsprozess und die dabei zugrunde liegenden Kriterien ziehen. Die geometrischen Eigenschaften der Gewölbe ergeben Aufschlüsse darüber, was geplant wurde und wie die Information vom Entwurf bis zur Herstellung übermittelt wurde.
Anhand der Analysen, Experimente und einer neu erschlossenen Quelle, einer spanischen Lehrschrift zum spätgotischen Kirchenbau, konnte auch das Lehrgerüst für den Bau von Zellengewölben rekonstruiert werden. Wie die Schlussfolgerungen zu den Entwurfsprinzipien ist auch diese Lehrgerüstkonstruktion von allgemeiner Gültigkeit für den spätgotischen Gewölbebau. Das Lehrgerüst und ein nachgestelltes Stück Gewölbemauerwerk werden in der Dauerausstellung auf der Albrechtsburg Meißen präsentiert und vermitteln auch der breiten Öffentlichkeit, wie diese Gewölbe geplant und gebaut wurden und wie ihr Erscheinungsbild dadurch mit geprägt ist.
Projektdauer | 1.3.2009 bis 31.12.2013 |
Art der Finanzierung: | Drittmittel |
Finanzierungseinrichtung: | Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) |
Folgeprojekte | Design Principles in Late-Gothic Vault Construction - A New Approach Based on Surveys, Reverse Geometric Engineering and Reinterpretation of the Sources |
PROJEKTLEITER & PROJEKTMITARBEITEr
Dr.-Ing. David Wendland |
Christian Mai M.A. |
PRESSE UND DOKUMENTATIONEN
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