Gottfried Semper: Architektur – Design – Theorie
Lehrkraft | Prof. Dr. Henrik Karge |
Termin | Di., 6. DS |
Ort | ABS/114/U |
Beginn | 17.10.2023 |
Einschreibung | OPAL |
Module | PhF-KG-MA-TMH-B PhF-KG-MA-TMH-V MAKU-KG-VT 1 (MA LA) LA / Staatsexamen PHF-SEMS-KU-KG3 PHF-SEGY-KU-KG3 |
Inhalt der Lehrveranstaltung
Kein anderer Architekt hat die Dresdner Architektur des 19. Jahrhunderts so nachhaltig geprägt wie der aus Hamburg stammende Gottfried Semper (1803 – 1879): Mit dem Hoftheater, der sogenannten ersten Semperoper, und dem Galeriebau am Zwinger schuf er mustergültige Lösungen für diese Bauaufgaben, und im Villenbau (Villa Rosa 1838/39) begründete er eine Tradition, die bis ins späte 19. Jahrhundert fortwirkte. Sempers Dresdner Werke, aber auch die späteren Bauten in Zürich und Wien stehen für einen neuen Bau- und Dekorationsstil, der mit dem Rückgriff auf die prunkvollen und sinnlichen Formen der italienischen und französischen Renaissance eine radikale Abkehr von der strengen Ästhetik des Klassizismus verband.
Gottfried Semper hat nicht allein aufgrund seiner Bauwerke europäische Bedeutung erlangt; er war auch einer von ganz wenigen Architekten, die ein wissenschaftliches Œuvre von hohem Rang hervorgebracht haben. Dafür waren seine Erfahrungen im Londoner Exil zwischen 1850 und 1855 von entscheidender Bedeutung. Interessanterweise hatten Sempers Schriften nur zu einem kleinen Teil das Ziel, eigene Bauwerke vorzustellen, ja sie befassten sich großenteils gar nicht mit Architektur. Stattdessen ergründete Semper die Grundprinzipien künstlerischer Gestaltung in verschiedenen Materialien, wie Textilkunst, Keramik und Metallotechnik, und führte diese auf die frühesten Entwicklungsstufen der Menschheit zurück – der eurozentrische Kanon der Kunstgeschichte wurde hier weitgehend überwunden. Sempers Studien zur Geschichte der menschlichen Kreativität, die von der englischen Kunstgewerbebewegung inspiriert wurden, gipfelten in dem zweibändigen Hauptwerk Der Stil (1860-1863), dessen Ideen die Künstler, Designer, Architekten und Theoretiker bis ins 20. Jahrhundert hinein stark beeinflusst haben.
Auf der anderen Seite war Gottfried Semper auch ein polemischer Geist, der vehement in die Gesellschafts- und Architekturdebatten seiner Zeit eingriff. Seit der sog. Polychromieschrift von 1834 sprach er sich mit Leidenschaft für die Rekonstruktion einer vielfarbigen Antike aus; in anderen Schriften wandte er sich gegen die Verfechter der Neugotik. Die Weltausstellung von 1851, die er zu Beginn seiner Londoner Exiljahre erlebte, inspirierte ihn zu radikalen Überlegungen zum Verhältnis von Kunst und Markt in einer bereits weitgehend globalisierten Welt.
Durch die Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Werk Gottfried Sempers eröffnet sich eine weite Perspektive auf die Design- und Architekturgeschichte sowie die Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts. In der Architekturszene der letzten Jahre ist Sempers Bekleidungstheorie wieder neu entdeckt und rezipiert worden ist, und so soll abschließend auch der Blick auf die Situation der Gegenwart gerichtet werden.
Falls ein besonderes Interesse an speziellen Bauten, Schriften oder Fragestellungen besteht, kann der Seminarleiter bereits im Vorfeld kontaktiert werden: .
Grundliteratur:
- Gottfried Semper, Gesammelte Schriften, hrsg. von Henrik Karge, Hildesheim / Zürich / New York 2008-2014 (Bd. 1, 1 und 1, 2: Wissenschaftliche Abhandlungen und Streitschriften, mit Einleitung v. H. Karge; Bd. 2-3: Der Stil);
- Heidrun Laudel, Gottfried Semper. Architektur und Stil, Dresden 1991;
- Harry Francis Mallgrave, Gottfried Semper. Architect of the Nineteenth Century, New Haven / London 1996 (dt. Übersetzg. 2001);
- Winfried Nerdinger / Werner Oechslin (Hrsg.), Gottfried Semper 1803-1879. Architektur und Wissenschaft, München / Zürich 2003;
- Henrik Karge (Hrsg.), Gottfried Semper – Dresden und Europa. Die moderne Renaissance der Künste, München / Berlin 2007;
- Hans-Georg von Arburg, Alles Fassade. ‚Oberfläche‘ in der deutschsprachigen Architektur- und Literaturästhetik 1770-1870, München 2008;
- Martin Tschanz, Die Bauschule am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich. Architekturlehre zur Zeit von Gottfried Semper (1855-1871), Zürich 2015;
- Uta Hassler (Hrsg.), Polychromie & Wissen, München 2019;
- Michael Gnehm / Sonja Hildebrand (Hrsg.), Architectural History and Globalized Knowledge. Gottfried Semper in London, Mendrisio / Zürich 2021.
Kontakt
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Professur für Kunstgeschichte
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