14.06.2024
#76 Aufsuchende Politische Bildung neu denken
Aufsuchende Politische Bildung – das ist ein kluges Konzept. Im Mittelpunkt der Idee steht die Überzeugung, dass es keinen Sinn macht, im Rahmen politischer Bildungsangebote darauf zu warten, dass alle Menschen zu uns finden – sondern dass Bildungsangebote dahin gebracht werden müssen, wo die Menschen sind. Das ist richtig und wichtig und gut. Denn es geht in der politischen Bildung um ALLE Menschen und nicht nur um die, die sich von alleine für unsere Angebote interessieren. Wenn wir uns ansehen, was unter der Überschrift aufsuchende Bildung gemacht wird, dann finden wir häufig Bildungsangebote im Kontext von Quartiersmanagement, in Kooperation mit sozialer Arbeit oder aber auch politische Bildung im ländlichen Raum. Die Menschen zu denen „die Bildungangebote gebracht“ werden, werden in diesem Zusammenhang unterschiedlich bezeichnet, aber nicht selten geht es um „armutsbetroffene“ Menschen – Pierre Bourdieu würde sagen Menschen mit wenig sozialem Kapital. Diese Menschen sollen sollen aktiviert und empowert werden. Es geht darum, sie für die Demokratie zurückzugewinnen. Wir halten das für eine klassistische Vorstellung. Wer wird hier aus welchen Gründen als politisch bildungsbedürftig markiert und warum?
Die jüngsten Ereignisse in Sylt zeigen, dass nicht nur armutsbetroffene Menschen sich von der Demokratie abwenden. Warum machen wir eigentlich keine aufsuchenden politischen Bildungsangebote im Poyclub auf Sylt oder auf Afterwork-Partys von Hedgefontmanager:innen? Die Oberen 10 000 scheinen uns – was politische und demokratische Bildung angeht, zuweilen auch ziemlich bildungsbedürftig zu sein. Versuchen wir es mit der aufsuchenden politischen Bildung doch mal unter Millionär:innen in Radebeul bevor wir mit unseren Angeboten wieder nach Prohlis ziehen.