20.01.2021
Call for Papers: Digitales Symposium zum Thema „Queere KI. Zum Coming-out smarter Maschinen“ // Einsendeschluss: 28. Februar 2021
Das Schaufler Lab@TU Dresden und die GenderConceptGroup der TU Dresden planen ein Symposium zum Thema „Queere KI. Zum Coming-out smarter Maschinen“ .
Das Symposium wird am 24. und 25. Juni 2021 digital stattfinden. Die Veranstaltung möchte sich dem Verhältnis von Queerness und KI aus einer theoretischen Perspektive widmen. Angestrebt wird eine Präzisierung der diskursiven Verschränkungen von KI und Queerness. Ziel ist es, die Diskussion stärker in die akademische Auseinandersetzung zu bringen und an diesbezügliche Debatten anzuknüpfen, die sich mit Diskriminierung und Bias auseinandersetzen, um diese stärker geisteswissenschaftlich rückbinden, historisieren und reflektieren zu können.
Insbesondere die geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung hat in den vergangenen Jahren in Anbetracht der rasanten Weiterentwicklung von Verfahren Künstlicher Intelligenz (KI) einige Anstrengungen geleistet, um auf die mit digitalen Technologien verbundenen Exklusions- und Marginalisierungsproblematiken aufmerksam zu machen. Dazu zählen die nicht vorhandenen Möglichkeiten für Trans- oder Interpersonen sich außerhalb heteronormativ-binärer Muster zu identifizieren, die nicht gelingende Wahrnehmung von People of Color durch Gesichtserkennungssoftware oder die Benachteiligung von Frauen bei automatisierten Bewerbungsverfahren im Berufsalltag. In dem auf dieser Problematik aufbauenden Forschungsfeld verweisen viele Stimmen auf einen lückenhaften Datensatz und stellen ein Aufbrechen der Exklusion durch die Einspeisung von zusätzlichen Daten aus pluralen Perspektiven in Aussicht. Wird Wissen zwar stets als partikular und situativ verstanden, eröffnen sich Möglichkeiten des Umgangs mit KI, die reduktive Kategorisierungen zu überschreiten versuchen. Was indessen aus einer queeren Perspektive deutlich werden kann, ist der Gedanke, dass der binären Codierung digitaler Technologien ein simplifiziertes Repräsentationsverständnis zugrunde liegt, welches in der Lage ist, sich über die Datensätze hinaus in digitale Sphären einzuschreiben. Queerness weist im Gegensatz dazu stets auf einen Überschuss an Bedeutung hin, auf die stete Gegebenheit von Pluralität wie auch auf Un- und Vieldeutigkeiten, welche ebenfalls nur partikular erfassbar sind.
Ausgehend von einer solchen Bestandsaufnahme sollte deutlich geworden sein, dass KI auch bestimmte normative Geschlechterbilder sowie klassistische und rassifizierte Vorstellungen widerspiegelt und diesem Bild entsprechende Körper, Handlungen und Verhaltensweisen durch autonome Entscheidungssysteme, Überwachungssysteme oder Wearables vermittelt. Es stellt sich somit die Frage nach der Politik und Ethik maschineller Verkörperungen auf der einen Seite und nach technischen Möglichkeiten einer von Diversität und Pluralität geprägten Produktion sozialer Identitäten auf der anderen Seite, die durch und mittels digitaler Technologien vermittelt werden. Die Idee, Maschinen Mehrdeutigkeit, Eigenartigkeit und Fluidität in Bezug auf Identität beibringen zu können und sie nicht nur auf rigide Klassifikationen zu reduzieren, sollte auch in einer wissenschaftlichen Reflexion des Denkens jenseits von Technik eine Entsprechung finden.
Das Symposium möchte sich daher – nach der bisher vor allem empirisch in den Mittelpunkt gerückten Auseinandersetzung mit Auswirkungen im Zuge des Einsatzes von KI – dem Verhältnis von Queerness und KI aus einer stärker theoretischen Perspektive widmen. Geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung zeichnet sich insbesondere durch eine Diversität an begrifflichen Instrumenten, kritischen Ansätzen und ideengeschichtlichen Traditionen aus. Daher scheint es angesichts vielfältiger disziplinärer Hintergründe sinnvoll, eine gemeinsame Präzisierung der diskursiven Verschränkungen von KI und Queerness anzustreben, beispielsweise hinsichtlich ihrer Materialitäten und Ästhetiken, ihres dialektischen Potentials oder des ihnen zugeschriebenen Autonomieverständnisses. Ziel ist es, Formen der Diskriminierung und der Reproduktion normativer Stereotype in Zusammenhang mit Verfahren von KI zu erschließen und Möglichkeiten der Reduktion dieser Diskriminierung zu verhandeln.
Folgende Begriffe und anhängliche Fragen sollen dabei im Mittelpunkt stehen:
Emanzipation und Repräsentation: Wie transformiert ‚intelligente‘ Automatisierung sozialen Verhaltens die Sicht auf und die Intelligibilität von Queerness? Können umfassendere Inklusionsstrategien innerhalb KI-basierter Systematiken Diskriminierungen queerer Menschen abbauen und welche theoretischen Ansätze dazu gibt es? Wo und wie bestehen Potentiale zu Widerstand und Emanzipation oder gar zur Transformation von digitalen Technologien abseits von inklusiveren Trainingsdatensätzen?
Disruption und Differenz: Welche Positionen weisen die jeweiligen technischen Perspektiven verschiedenen Menschen zu und mit welcher Argumentation werden diese Mechanismen begründet? Welche und wessen Politik wird derzeit in der algorithmischen Kultur konsolidiert und wie können Formen des Hacking-back aussehen? Welche Begrifflichkeiten lassen sich neben Bias heranziehen, um die differenzierende Wirkung digitaler Technologien zu erfassen?
Historisierung und Situierung: Wie lässt sich die der Thematik zugrundeliegende Problematik historisieren? Und an welche historischen Traditionen des Ausschlusses und der Abwertung lassen sich gegenwärtige Digitaltechnologien rückbinden? Welche Potentiale und Grenzen deuten sich in theoretischer und empirischer Hinsicht an?
Einreichungen: Folgende Fachrichtungen möchte wir für das interdisziplinäre Symposium ansprechen, sind aber auch für Einreichungen aus anderen Disziplinen, beispielsweise aus den Naturwissenschaften, offen:
- Critical Data Studies,
- Gender Studies,
- Geschichtswissenschaft,
- Kultur- und Medienwissenschaft,
- Kunst- und Literaturwissenschaft,
- Philosophie,
- Politikwissenschaft und
- Soziologie.
Wir bitten um Einreichung von Beitragsvorschlägen per E-Mail in Form eines Abstracts (300-500 Worte) bis 28.02.2021. Bitte senden Sie Ihren Beitrag als PDF-Datei an . Unter gleicher Adresse sind wir auch für Fragen und Anmerkungen zu erreichen. Einreichungen können in deutscher oder englischer Sprache verfasst werden.
Organisation: Dr. Sara Morais dos Santos Bruss, GenderConceptGroup; Ann-Kathrin Koster und Michael Klipphahn, Schaufler Kolleg@TU Dresden