09.10.2023
2.-3. November 2023: Workshop "Unfassbare Eingriffe in der Kontaktzone. Inklusion an Bildungsinstitutionen"
Workshop an der TU Dresden und am Deutschen Hygiene Museum
2.-3. November 2023
Als „Kontaktzonen“ wurden in den 1990er Jahren sowohl Universitäten (Pratt 1991) als auch Museen (Clifford 1997) bezeichnet, nämlich als „Orte, in denen geographisch und historisch getrennte Menschen in Kontakt miteinander kommen und Beziehungen knüpfen, die meistens Zwangsbedingungen, radikale Ungleichheit und unlösbare Konflikte beinhalten“ (Pratt 1991). Während der Begriff zunächst im amerikanischen Kontext der Postcolonial Studies entstand und für Untersuchungen von kollaborativen Projekten mit indigenous people eingesetzt wurde, übertrug ihn Siegfried Saerberg in den 2010er Jahren versuchsweise auf inklusive Initiativen deutscher Museen, an denen blinde und sehbehinderte Menschen beteiligt waren.
Spätestens das in der UN-Behindertenrechtskonvention (2006) verankerte Recht von Menschen mit Behinderung auf Teilhabe auch im kulturellen Bereich hat dazu geführt, dass in Bildungsinstitutionen, wie in einigen anderen Einrichtungen auch, vermehrt auf Zugänglichkeit geachtet wird, etwa zu den Räumlichkeiten (Rollstuhlrampe) aber auch den vermittelten Inhalten (z.B. Audiodeskription von Theateraufführungen, Zoomleser in Bibliotheken).
Doch diese als „reasonable accommodations“ bezeichneten Anpassungen, die finanziell und materiell tragbar bleiben sollen, führen auch zu unerwarteten Auswirkungen: Der Blindleitstreifen brachte das Würfelmuster der Marmorfußboden im denkmalgeschützten Landesmuseum Mainz durcheinander, und in der Gedenkstätte Hadamar baten Menschen mit Lernschwierigkeiten um einen Gedenkmoment an die Opfer während der Führungen in Leichter Sprache (Tervooren und Weber 2012). Zunehmend werden Menschen mit Behinderung auch in den gesamten Konzeptionsprozess inklusiver Bildungsangebote miteinbezogen, was über die reine Barrierefreiheit hinaus zu einer „Umgestaltung des wissensvermittelnden Innenraums“ (Saerberg 2012) führt.
Im Fokus des Workshops stehen inklusive Projekte, die zusammen von Menschen mit und ohne Behinderung gestaltet werden. Untersucht wird die Art und Weise, wie sie in das, was Bildungsinstitutionen bislang ausmachte – u.a. (Prunk)Gebäude, (Fach)Sprache, (berufliche) Expertise – eingreifen, und wie sie das, was als unwissenschaftlich betrachtete Sinnlichkeiten, Emotionen und Lebenserfahrungen galt, aufwerten.
Der Workshop findet am 2. und 3. November 2023 an der TU Dresden und am Deutschen Hygiene Museum im Rahmen des TU-Fellowship Programms an der Professur für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literatur statt (Prof. Dr. Lars Koch). Mit Unterstützung der CEREG-Forschungsgruppe der Université Sorbonne Nouvelle (Paris).
Organisation: Dr. Sarah Neelsen
Programm
Donnerstag, den 2. November 2023
Raum W48/0.16 | Institut für Germanistik und Medienkulturen
Wienerstr. 48 | 01062 Dresden
14 Uhr: Ankunft und Begrüßung (Lars Koch, Sarah Neelsen)
14.30-15.15 Uhr: Benjamin Wihstutz (Mainz), Un/geteilte Räume. Über Dramaturgie und Access im Theater und an der Universität
15.15-16 Uhr: Sarah Neelsen (Paris), “Situated Knowledges” relocated? Neue Wissenskonfigurationen in umgestalteten Räumen.
Pause
16.20-17.15 Uhr: Anke Langner und quaBIS Team (Dresden), Hochschule als Kontaktzone – ernstgemeinter Richtungswechsel oder unzumutbare Unmöglichkeit?!
17.15-18 Uhr: Alexander Lasch (Dresden), Vom Verlust der Deutungshoheit. Barrierefreie Kommunikation und Service Learning
Freitag, den 3. November 2023
Seminarraum 9 | Deutsches Hygiene Museum | Lingnerplatz 1 | 01069 Dresden
9 Uhr: Begrüßung im Deutschen Hygiene Museum
9.15-10.15 Uhr: Besuch des Kinder-Museums mit Susanne Weckwerth (Dresden). Vielfalt (er-)leben. Vorstellung des inklusiven Ansatzes des Kinder-Museums „Welt der Sinne“.
10.30-11.15 Uhr: Carola Rupprecht (Dresden), Mehr als eine Haltung. Überlegungen zu Barrierefreiheit, Inklusion und Diversitätsorientierung am Deutschen Hygiene-Museum
11.15-12 Uhr: Siegfried Saerberg (Hamburg) und Fabian Korner (Frankfurt-am-Main), Die Dominanz des Visuellen und die Resistenz des Taktilen
Pause
13.30-14.15 Uhr: Beate Ochsner (Konstanz), Technomediatisiertes Hören - Chancen und Herausforderungen
14.15-15.30 Uhr: Katja de Braganca und Team (online), Die Touchdown-Ausstellung in der Bundeskunsthalle 2016-2018