Elimination organischer Spurenstoffe in Pflanzenkläranlagen mit sequenzieller Kreislaufführung
Forschungsziel
In dem Forschungsvorhaben wurde untersucht, inwieweit Pflanzenkläranlagen (PKA) mit sequentieller Kreislaufführung geeignet sind, organische Spurenstoffe aus konventionell gereinigten Abwässern zu eliminieren. Des Weiteren wurde das Potential der Bioaugmentation mit Weißfäulepilzen zur Beschleunigung eines Abbaus der Pharmazeutika geprüft.
Hintergrund
Pharmazeutika in der Umwelt
In Deutschland werden in der Humanmedizin über 2700 Wirkstoffe eingesetzt. In der Tiermedizin sind ca. 600 Wirkstoffe erfasst, wobei bestimmte Stoffe sowohl in Human- als auch Veterinärarzneimitteln verwendet werden. Pharmazeutika in der Umwelt wurden in den letzten Jahren als wachsendes Problem erkannt. In Deutschland wurden bisher 274 Arzneimittelwirkstoffe und -metaboliten in verschiedenen Umweltmatrices nachgewiesen; ein Problem, das ähnlich in allen Industriestaaten festgestellt wird. In der Umwelt wurden Arzneistoffkonzentrationen im Bereich von ng/L bis µg/L gemessen. Für viele Wirkstoffe liegen damit die gemessenen Umweltkonzentrationen in der gleichen Größenordnung wie die entsprechenden Wirkkonzentrationen. Studien belegen, dass Arzneimittel auch in niedrigsten Konzentrationen von erheblicher Bedeutung für die Umwelt sind aufgrund ihrer potentiellen Langzeitwirkung auf Mensch und Tier . Als Haupteintragspfade von Arzneistoffen in Oberflächengewässer wurden kommunale Kläranlagen sowie pharmazeutische Betriebe (Punktquellen) identifiziert. Bei der Anwendung werden Arzneimittelwirkstoffe und ihre Metaboliten zu einem hohen Anteil vom Menschen wieder ausgeschieden.
Sequenziell betriebene Pflanzenkläranlagen
Die Reinigungsleistung herkömmlicher PKA wird vor allem begrenzt durch die passive Belüftung und den damit verbundenen limitierten Sauerstofftransfer. Mit einer Steigerung des Sauerstofftransfers kann die Leistung der Anlagen erhöht und damit deren Einsatzmöglichkeiten erweitert werden. Ein Verfahren hierzu ist die sequentielle Kreislaufführung des Wassers. Dabei durchläuft das zu reinigende Wasser (mehrere) Zyklen zwischen zwei bepflanzten Bodenfiltern, wobei ein Filter geflutet ist und der zweite leer. Im leeren Filter zieht Luft in die Poren, was eine effektive Belüftung des Biofilms bewirkt. Es wurden Sauerstofftransferrate von 350 bis 475 g/(m²*d) ermittelt, die erheblich über der entsprechenden Rate in konventionelle PKA von <100 g/(m²*d) liegen. Der erhöhte Sauerstoffeintrag führte zu einem erhöhten Organik-Abbau, ohne dabei die Restkonzentration an Sauerstoff im Ablaufwasser zu senken. Der Energieverbrauch für die Steigerung des Sauerstoffeintrags liegt bei ca. von ca. 0,18 kWh/m³ und ist damit gering, verglichen mit dem Energieverbrauch beim Belebungsverfahren, der bei ca. 0,75 kWh/m³ liegt.
Bioaugmentation mit Pilzen
Unsere eigenen Untersuchungen und die Arbeiten anderer Arbeitsgruppen verdeutlichten die Fähigkeit verschiedener Vertreter der Weißfäulepilze zum Abbau von Pharmazeutika, insbesondere Carbamazepin. Dies legt nahe, Weißfäulepilze für eine Bioaugmentation in der biologischen Abwasserreinigung zu testen, um die getestete naturnahe Technologie speziell für die Arzneistoffe zu optimieren.
Testsubstanzen
Bei den in den Versuchen geprüften Substanzen handelte es sich um Pharmazeutika, die auf Basis von Literaturdaten zu Verbrauchsmengen (> 10.000 kg/a), Auftreten im Wasserkreislauf und biologischer Abbaubarkeit ausgewählt wurden (s. Tab.1).
Tab. 1 Testsubstanzen mit Daten zur Relevanz für den Wasserkreislauf
Substanz |
Einsatzzweck |
Konzentration in Oberflächen-gewässern bis [µg/l] |
Biol. Abbaubarkeit [%] |
---|---|---|---|
Carbamazepin |
Antiepileptikum |
> 0,1 |
< 10 |
Ciprofloxacin |
Antibiotikum |
> 0,001 |
k. A. |
Diclofenac |
Schmerzmittel |
> 0,1 |
< 10 |
Gabapentin |
Antiepileptikum |
1,9 |
< 7,9 |
Ibuprofen |
Schmerzmittel |
> 0,01 |
10 – 50 |
Metformin |
Diabetes-behandlung |
k. A. |
< 10 |
Propanolol |
β – Blocker |
> 0,01 |
k. A. |
Sulfamethoxazol |
Antibiotikum |
> 0,1 |
< 10 |
Versuchsdesign
Für die Untersuchungen wurden vier Versuchs-Pflanzenkläranlagen auf dem Gelände der Zittauer Kommunalkläranlage installiert. Den Zulauf der Versuchsanlagen bildete Wasser aus der Nachklärung der Kommunalkläranlage. Dieses Wasser wurde in einen Vorlagebehälter gepumpt aus dem die Pflanzenbeete beschickt wurden. Die Pflanzenbeete wurden in IBC-Tanks aufgebaut (s. Abb. 1).
Zwei Pflanzenkläranlagen (PKA) wurden mit sequentieller Kreislaufführung ausgestattet. Sie wurden aus jeweils zwei bepflanzten Bodenfiltern mit Übergabeschacht errichtet (s. Abb. 2). Zwei konventionell betriebene, vertikal durchströmte bepflanzte Bodenfilter dienten als technologische Referenz, um mögliche Effekte der sequenziellen Kreislaufführung erkennen zu können.
Die Bioaugmentation mit Weißfäulepilzen wurde an beiden Technologien (konventionell bzw. sequenziell betriebene PKA) getestet. Dazu wurde in alle Anlagen zentral eine Schicht aus Holzhackschnitzeln integriert (s. Abb 3 und 4). Dieser Bereich wurde in jeweils einer konventionellen und einer sequentiellen Anlage mit Pilzen beimpft, während die jeweilige Referenzanlage unbeimpfte Holzhackschnitzel enthielt. Bei den Pilzen handelte es sich um die Weißfäulepilze Agrocybe aegerita und Coprinellus radians.
Alle Bodenfilter wurden im Sand-/Kiesteil mit Phragmites australis bepflanzt.
Die konventionell betriebenen PKA wurden mit täglich 160 l/d, aufgeteilt beschickt, was einer Flächenbelastung der bewachsenen Bodenfilter von 240 l/(m2 d) entspricht. Bei den sequenziell betriebenen PKA lag die Flächenbelastung zwischen 260 und 1.045 l/(m2 d), abhängig von den eingestellten Versuchsbedingungen (s. Tab.2).
Tab. 2 Betriebsbedingungen der seq. PKA
Beschickungs-volumen [l/d] |
Aufenthaltszeit je Zyklus [h] |
Zyklenzahl |
Gesamtauf-enthaltszeit [h] |
|
---|---|---|---|---|
Phase I |
350 |
6 |
2 |
24 h |
Phase II |
350 |
3 |
4 |
24 h |
Phase III |
175 |
3 |
8 |
48 h |
Phase IV |
700 |
3 |
2 |
12 h |
Ergebnisse
Beispielhaft sind in Abb. 5 die Konzentrationen an Carbamazepin im Zu- und Ablauf der Anlage 1 (seqenziell, beimpft) dargestellt.
Da reale gereinigte Abwässer als Zulauf für die Versuchsanlagen genutzt wurden, unterlagen die Zulauf-Konzentrationen der Pharmazeutika starken Schwankungen (s. Abb.5). Um unter Realbedingungen zu arbeiten wurde auf einen Konzentrationsasgleich bewußt verzichtet. In Abb.5 ist auch erkennbar, dass in den Testphasen 1, 3 und 4 ein Elimination des Carbamazepins aus dem Wasser erfolgte, während in Testphase 2 eine teilweise Rücklösung erfolgte. Um den Rückhalt bzw. die Rücklösung der Wirkstoffe zu quantifizieren wurden die Massenströme berechnet. Die entsprechenden Ergebnisse für Carbamazepin sind in Abb.6 (konventionelle Anlagen) und 7 (sequenzielle Anlagen) dargestellt.
Aus den Abbildungen 6 und 7 ist erkennbar, dass Carbamazepin nie vollständig aus dem Wasser eliminiert wurde, dass die sequenziellen Anlagen eine stärke Rückhaltung bewirken und, das die mit Pilzbiomasse beimpften Anlagen höhere Eliminationsgrade erzielen als die unbeimpften Anlagen gleicher Technologie. In Tab. 3 sind diese Ergebnisse zusammengefasst.
Tab.3 Durchschnittlicher Eliminationsgrad für Carbamazepin (%)
Testphase |
A1, seq + |
A2, kon + |
A3, seq - |
A4, kon - |
1: 4*6h |
29 |
19 |
20 |
8 |
2: 8*3h |
-33 |
-39 |
-62 |
-49 |
3: 16*3h |
18 |
1 |
- |
5 |
4: 4*3h |
1 |
-2 |
2 |
-4 |
Durchschnitt |
10 |
1 |
-3 |
-5 |
Bei Carbamazepin handelt es sich um eine vergleichsweise schwer abbaubare Verbindung, entsprechend niedrig sind die erzielten Eliminationsgrade. Eigene Untersuchungen zur Umsetzung von Carbamazepin mit pilzlichen Peroxygenase ergaben eine (mehrfache) Hydroxilierung, was für die höhere Elimination in den beimpften Anlagen eine Metabolisierung durch die Pilze vermuten läßt.
In Tabelle 4 sind die Ergebnisse zur durchschnittlichen Elimination der im Zulauf der Versuchsanlagen nachweisbaren Testsubstanzen zusammengestellt.
Tab.4 Durchschnittliche Elimination aller Testsubstanzen, die im Zulauf nachweisbar waren, (%)
Testphase |
A1, seq + |
A2, kon + |
A3, seq - |
A4, kon - |
|
---|---|---|---|---|---|
Carbamazepin |
4*6h |
29 |
19 |
20 |
8 |
8*3h |
-33 |
-39 |
-62 |
-49 |
|
16*3h |
18 |
1 |
- |
5 |
|
4*3h |
1 |
-2 |
2 |
-4 |
|
Diclofenac |
4*6h |
15 |
15 |
31 |
9 |
8*3h |
13 |
-15 |
10 |
-23 |
|
16*3h |
60 |
28 |
- |
27 |
|
4*3h |
38 |
34 |
22 |
29 |
|
Gabapentin |
4*6h |
1 |
3 |
-4 |
-7 |
8*3h |
22 |
-4 |
8 |
8 |
|
16*3h |
40 |
-2 |
- |
8 |
|
4*3h |
25 |
36 |
18 |
29 |
|
Metformin |
4*6h |
-1 |
6 |
15 |
26 |
8*3h |
15 |
13 |
17 |
19 |
|
16*3h |
22 |
2 |
- |
10 |
|
4*3h |
11 |
6 |
-1 |
-7 |
|
Propranolol |
4*6h |
67 |
73 |
62 |
62 |
8*3h |
54 |
65 |
52 |
61 |
|
16*3h |
39 |
40 |
- |
63 |
|
4*3h |
69 |
67 |
63 |
46 |
|
Sulfamethoxazol |
4*6h |
60 |
28 |
50 |
4 |
8*3h |
40 |
-5 |
38 |
-8 |
|
16*3h |
66 |
23 |
- |
22 |
|
4*3h |
40 |
19 |
36 |
27 |
Abhängig von der Abbaubarkeit und den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Wirkstoffe können aus den Ergebnissen folgende Mechnismen zur Elimination der Pharmazeutika aus den Wässern abgeleitet werden:
- Physikalisch-chemischer Rückhalt (Ad- und/oder Absorption) mit möglicher Rücklösung
- bakterieller Abbau - zum Teil nach Adaptation der Mikrobiozönose
- pilzlicher Abbau - immer nur in den ersten Testphasen, da die Pilze in dem angebotenen Milieu nicht kultiviert werden konnten.
Eine Überprüfung der Eliminationsmechanismen durch Analyse möglicher Restgehalte in den Filtern sowie durch Analyse möglicher Metaboliten ist für zukünftige Untersuchungen vorgesehen.
Herzlichen Dank an unsere Projektpartner und die Förderinstitution
Projektpartner
Standort und Zulaufwasser der Versuchsanlagen
http://unserwasser.org/index.html
Filtermaterialen
Pflanzen
Förderung
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (Aktenzeichen AZ 32028)