16.07.2014
Nachhaltige Zukunftsmusik: Rotbuche als klangvoller Ersatz für Tropenholz
Dresdner Wissenschaftler haben es geschafft und einheimische Holzarten durch spezielle Modifikationsverfahren als „Tonholz“ im Musikinstrumentenbau salonfähig gemacht.
Hals, Griff, Boden, Decke und Seitenteile von hochwertigen Streich- und Zupfinstrumenten werden überwiegend aus tropischen Holzarten und Importholzarten aus Übersee gefertigt. Dieses Holz ist sehr steif und hart, quillt und schwindet nur wenig. Es lassen sich damit nicht nur wunderbare Klänge erzeugen, auch farblich sieht es sehr gut aus. All das sind Gründe, dass im Instrumentenbau eher zu Tropenholz statt zum einheimischen Holz gegriffen wird. Bevor das Holz jedoch diese Eigenschaften zeigt, muss es „natürlich altern“. Die „Tonhölzer“ werden dazu mitunter über Jahrzehnte gelagert. Während dieser langen Zeit finden an der Zellwand des Holzes natürliche Umwandlungs- und Abbauprozesse statt. Diese verändern die ursprüngliche Beschaffenheit des Holzes und lassen es zu einem perfekten Ausgangsmaterial für Geigen, Bass-Gitarren, Harfen und vielen anderen Holzinstrumenten werden.
Tropen- sowie Importhölzer sind aber im Vergleich zu einheimischen Holzarten um ein Vielfaches teurer. Viele Hölzer, die momentan im Instrumentenbau verwendet werden, stehen aufgrund anhaltender Ausbeutung bereits als gefährdet auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN. Wer mit dem gefährdeten Tropenholz handeln will, muss sich laut Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) an bestimmte Restriktionen halten. Dass dies nicht ganz einfach ist, zeigt die Entwicklung der letzten Zeit. Rio Palisander beispielsweise wird, wie auch Elfenbein, in der höchsten Schutzstufe gelistet. Das heißt, es ist strikt untersagt mit diesen Hölzern zu handeln. Es wird für Musikinstrumentenbauer immer schwieriger hochwertige Holzsortimente für ihre Produktion zu beziehen. Die Branche muss umdenken. Es steht außer Frage: Zukünftig werden Materialien am Markt gebraucht, die tropische „Tonhölzer“ ersetzen können. Das können natürlich nur Holzarten sein, die genau diese Eigenschaften des Tropenholzes aufweisen. Welcher Musiker will schon auf einer Geige spielen, die nicht perfekt klingt oder die er, um lange zu halten, speziell pflegen und lagern muss.
Wissenschaftler der Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik der Technischen Universität Dresden um Prof. André Wagenführ entwickelten für diese Problematik Verfahren, mit denen es möglich ist, die Eigenschaften von einheimischen Holzarten so zu verändern, dass sie danach bestens für den Bau von Instrumenten geeignet sind.
„Die Musikinstrumentenbauer stehen zukünftig vor einem großen Problem. Das Thema Nachhaltigkeit spielt in unserer Gesellschaft eine immer größere Rolle. Auf Tropenholz und Importholz will und kann man in naher Zeit nicht mehr zurückgreifen. Um trotzdem weiterhin qualitativ hochwertige und klangvolle Musikinstrumente herstellen zu können, braucht es neue veränderte Materialien, die den Anforderungen im Instrumentenbau gerecht werden. Am besten sind da natürlich Hölzer geeignet, die genauso fest, stabil und klangvoll wie Tropenholz sind, aber aus einem nachhaltigen Anbau stammen, wie unsere einheimische Rotbuche.“, so Dr. Mario Zauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur.
Um das Holz zu veredeln, wurden zwei spezielle Verfahrensweisen entwickelt und angepasst: Die thermische und die chemisch-mechanische Modifikation. Ursprünglich dienen diese Verfahren dazu, die Hölzer dimensionsstabiler und witterungsbeständiger zu machen. Vorrangig werden die veränderten Holzarten in Bauteilen für Außenanwendungen, wie Terrassendielen, Verschalungen oder Schiffsböden eingesetzt. Die Untersuchungen an der Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik zeigten jedoch, dass, wenn man Temperatur, Druck und Zeit verändert, sich auch die Eigenschaften des Holzes zur Eignung im Musikinstrumentenbau verbessern. Es wird sehr steif, fest und hart und bekommt zusätzlich einen harmonischen Klang. Bei der einheimischen Rotbuche erreichten die Wissenschaftler sogar dieselben positiven Eigenschaften wie bei Tropen- und Importholz.
Im Urzustand ist die Rotbuche zunächst ein schlechtes „Tonholz“. Sie quillt und schwindet sehr stark. Gegenüber üblich gelagerten Tonhölzern dämpft Rotbuche den Schall extrem. Trotzdem nimmt das Holz zurzeit in der Waldwirtschaft eine bedeutende Rolle ein. Für die Holzindustrie stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten und Perspektiven bei der stofflichen Nutzung der Rotbuche bestehen. Zurzeit liegt der Preis je Kubikmeter Holz bei ca. 650 Euro. Steigt das Angebot, sinken die Preise und dies wiederum ist die Chance für das einheimische Holz, denn einige Tropenhölzer sind um das Zehnfache teurer.
Zusammen mit der Firma Mastri GmbH aus Erlbach/Vogtland wurde mithilfe eines chemisch-mechanischen Modifikationsverfahrens ein Material entwickelt, dass ähnlich wie Ebenholz als Griffbrett im Streichinstrumentenbau eingesetzt werden kann. Dabei wurde u.a. die Rotbuche in einer Kombination aus einer chemischen Modifikation, mithilfe eines Biopolymers und einem thermomechanischen Verdichtungsprozesses behandelt. Diese Verfahrensweise brachte vergleichbare Eigenschaften zum üblicherweise eingesetzten Ebenholz hervor. Die Griffbretter von Geigen könnten somit jetzt auch aus behandelter Rotbuche hergestellt werden (Abbildung 1). Gemeinsam mit der Firma Sandberg Guitars aus Braunschweig entwickelten die Wissenschaftler durch eine „milde“ thermische Behandlung der Rotbuche ein Substitutionsmaterial zum Kanadischen Zuckerahorn und Mahagoni für den Instrumentenhals (Abbildung 2). Zusätzlich kann das veredelte Holz auch für den Korpus verwendet werden. Durch die spezielle „milde“ Behandlung und die entsprechenden atmosphärischen Bedingungen in der Behandlungskammer wird das Holz der Rotbuche fester, steifer und klangvoller. Auch optisch kann sich die Rotbuche jetzt sehen lassen und nimmt ähnlich wie Tropenholz dunklere Farbtöne an. Musikinstrumentenbau mit einheimischen, modifizierten Holzarten könnte so bald Zukunftsmusik sein, nachhaltig und in hervorragender Klangqualität.
Jacqueline Duwe, Dr.-Ing. Mario Zauer, Prof. Dr.-Ing. André Wagenführ