14.04.2020
34 Jahre Tschernobyl – Energietechnik heute
34 Jahre ist die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl mittlerweile her – sie gilt als der schwerste Unfall in der zivilen Nutzung der Atomenergie. Nur die Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 hat sich ähnlich in das Gedächtnis eingebrannt. Deutschland beschloss nach dem zweiten nuklearen GAU den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie. Das hat Folgen: Zum Beispiel gibt es hierzulande keine Förderung mehr für die Weiterentwicklung von Reaktoren. Das trifft insbesondere die wissenschaftliche Forschung und Ausbildung.
Doch an der TUD-Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik im Walther-Pauer-Bau gehen deshalb noch lange nicht die Lichter aus. Denn die dort vorhandenen Versuchsanlagen samt Ausbildungsreaktor eignen sich hervorragend für eine derzeit deutlich angesagtere Forschung, die von der Bundesregierung großzügig gefördert wird: den Einsatz von Wasserstoff.
„Wer Wasserstoff als Energiespeicher beziehungsweise im Auto in Brennstoffzellen einsetzen will, muss seine Eigenschaften und Problemstellen genau kennen. Schließlich explodiert er mit Luft“, sagt Prof. Wolfgang Lippmann Lehrstuhlvertreter an der Professur. „Da müssen viele essenzielle Fragen geklärt werden: Versprödet Wasserstoff Stahl? Schließen Ventile bei Wasserstoff genauso dicht wie bei anderen Stoffen oder lassen sie ihn entweichen? All diese Fragen haben wir im nuklearen Bereich schon einmal analysiert. Jetzt können wir die entsprechenden Computerprogramme und Testserien für Wasserstoff nutzen.“
Ob Wasserstoff allerdings in großem Umfang einsetzbar und als Energiespeicher für erneuerbare Energien nutzbar ist? Daran hat Wolfgang Lippmann angesichts der bisherigen Entwicklungen Zweifel. „Die erneuerbaren Energien haben zwar am Strom einen Anteil von 38 Prozent. Betrachtet man jedoch die Gesamtenergie mit Heizung und Straßenverkehr sinkt ihr Anteil auf drei Prozent. Allein für den Straßenverkehr, der zirka 30 Prozent der Energie braucht, müsste ihr Anteil verzehnfacht werden“, rechnet er vor. „Nicht zuletzt gehen bei der Speicherung mit Hilfe von Wasserstoff nach jetzigem Forschungsstand 70 Prozent der Energie nach einer erneuten Umwandlung verloren“, gibt Lippmann zu bedenken. Nach Adam Ries reicht das für eine sichere Energieversorgung aus erneuerbaren Energien – ob mit oder ohne Hilfe von Wasserstoff – seiner Meinung nach nicht aus. „Wenn Deutschland dann noch Energie einkaufen muss, wird das sehr teuer“, sagt er.
Zumindest in diesem Punkt liegt er damit auf einer Linie mit der Denkfabrik Agora Energiewende. Die Agora-Experten hatten erst im März Berechnungen veröffentlicht, nach denen die Bundesregierung ihre Ausbauziele bei erneuerbaren Energien bis 2030 deutlich verfehlen wird und eine gewaltige Ökostromlücke droht. Allerdings sind die Lösungsansätze sehr verschieden. Für Prof. Wolfgang Lippmann steht fest: „Ich hätte einen langsamen und systematischen Umstieg mit Hilfe sicherer Kernenergie sinnvoll gefunden. Während sie weltweit weiter zur Energieerzeugung genutzt wird, ist Deutschland aus dieser Hochtechnologie ausgestiegen.“
Über EU-Projekte versucht man an der Professur für Kernenergietechnik dennoch den Anschluss an die Spitzenforschung zu behalten und den Studierenden zu zeigen, wo die Entwicklung hingeht. „Im Rahmen eines Moduls, das sich mit Energie beschäftigt, erhalten sie eine Grundausbildung“, erklärt Wolfgang Lippmann. Das Diplom in Kernenergietechnik legt allerdings weniger als eine Handvoll Studierende pro Jahrgang ab – obwohl sie dringend gebraucht werden. Denn auch in Deutschland müssen Experten in Verwaltungen und Aufsichtsbehörden über Kernenergie Bescheid wissen und Kernkraftwerke in puncto Sicherheit bewerten können.
Der strahlungstechnisch unbedenkliche Ausbildungsreaktor im Walther-Pauer-Bau bietet nicht nur den Studierenden die Möglichkeit, Kerntechnik und die Abläufe in Kraftwerken realitätsnah zu begreifen. Regelmäßiger Gast ist auch die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA, die am Ausbildungsreaktor ihr Personal schult. „Die Experten der IAEA müssen mit Hilfe von Messungen erkennen können, ob in Reaktoren waffenfähiges Uran hergestellt wird oder nicht. Das trainieren sie hier in Dresden.“
Information für Journalisten:
Prof. Wolfgang Lippmann, Lehrstuhlvertreter
Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik (WKET)
Tel.: 0351-463-34472/ -34793