Generische thermohydraulische und physikochemische Analysen zur Implementierung eines ATHLET-Moduls für die Simulation thermohydraulischer Folgen von Zinkborat-Ablagerungen im DWR-Kern (AZora / Verbundprojekt)
Teilprojekt:
Laborexperimente zur Modellierung des Kristallisations- und Ablagerungsverhaltens sowie der Wärmetransporteigenschaften von Zinkboraten
Hintergrund:
Im Fall eines Kühlmittelverluststörfalles im Druckwasserreaktor ist mit einer Korrosion feuerverzinkten Inventars wie Laufgitterroste oder Stützgitter von Sumpfsieben in borsäurehaltigen Kühlmittellösungen zu rechnen. Dies kann später zu Abscheidungen schwerlöslicher Korrosionsprodukte, speziell Zinkborate, in heißen Zonen des Reaktorkerns führen.
Zielstellung:
Im Vorhaben wurden auf Basis generischer experimenteller Untersuchungen im Labormaßstab Daten und Korrelationen zu folgenden Sachverhalten erarbeitet:
- Löslichkeit und Kristallisationsverhalten entstandener Zinkborate im Kühlmittel
- Temperatur-, konzentrations- und strömungsabhängige Abscheideraten von Zinkboraten an Hüllrohroberflächen als Schicht oder im erhitzten Kühlmittel als mobile Partikel
- Abhängigkeiten der Wärmeleitfähigkeit und der Oberflächenstruktur entstandener Zinkborat-Schichten auf Hüllrohroberflächen von den Bildungsbedingungen wie Temperaturen und Zinkkonzentrationen
- Strategien zur Entfernung von Zink-Ionen aus dem Kühlmittel mittels Ionenaustauschern im Rahmen der Störfallfolgenbehandlung
Diese Daten und Korrelationen dienten als Basis für die Modellierung und computergestützte Simulation der Effekte von Zinkborat-Abscheidungen im Reaktorkern durch den Projektpartner GRS. Auf diesem Wege soll es in Zukunft möglich werden, genauere und zuverlässigere Analysen thermohydraulischer Folgen von Zinkborat-Abscheidungen im DWR-Kern für verschiedenste Störfallszenarien zu erstellen. Somit können diese Szenarien vergleichend sicherheitstechnisch bewertet werden.
Methoden und Ergebnisse:
Links: Prinzipieller Aufbau der Strömungsmesszelle (SMZ) mit beheiztem Zircaloy-Block zur Bestimmung von parameterabhängigen ZnB-Abscheideraten und Wärmeleitfähigkeiten aufgewachsener Zinkborat-Schichten auf heißen Hüllrohr-Oberflächen.
Rechts: Oberfläche des Zr4-Blocks vor (oben) und nach (unten) einem Zinkborat-Abscheideexperiment mit beheizter Zr4-Oberfläche.
Die Ergebnisse der Experimente zum zeitabhängigen Wachstum von ZnB-Schichten zeigten über weite Bereiche konstante Schichtwachstumsgeschwindigkeiten im Bereich 2…7 μm/h. Diese hängen in erster Line von der über die Zirkaloy-Oberfläche eingetragenen Wärmeleistung, der KM-Temperatur und der ZnB-Konzentration im KM ab. Folglich konnten für diese Parameter entsprechende empirische Korrelationen aufgestellt werden. Dagegen übte die Strömungsgeschwindigkeit des KM im untersuchten Bereich keinen klar erkennbaren Einfluss auf die Schichtwachstumsgeschwindigkeit aus. Der arithmetische Mittenrauwert der ZnB-Schichten lag im Bereich 0,13…0,34 mm.
Die experimentell ermittelten Wärmeleitkoeffizienten der ZnB-Schichten lagen im Bereich 3,7…5,7 W/(m K) und damit, bedingt durch die poröse Struktur der ZnB-Schichten, weit unterhalb der in der Literatur angegebenen Wärmeleitfähigkeit von Zinkborat von 26 W/(m K). Dies unterstreicht die Bedeutung der experimentellen Untersuchungen, zumal die Wärmeleitfähigkeit der ZnB-Schichten damit auch unterhalb der Wärmeleitfähigkeit von Zirkaloy-4 liegt und die ZnB-Schichten somit eine signifikante Barriere für den Transport der Nachzerfallswärme vom Brennstab in das KM darstellen können.
Im Rahmen der experimentellen Studie zur Zink-Entfernung aus dem KM mittels in DWR-Anlagen vorhandenen KM-Reinigungssystemen konnte gezeigt werden, dass typische in KM-Reinigungssystemen eingesetzte Kationenaustauscher-Harze zur Entfernung von Zn2+-Ionen aus dem KM geeignet sind. Die Ionenaustausch-Kapazität liegt bei 0,1 kg Zink pro kg Harz. Die Experimente unter Nutzung von skalierten Ionenaustauscher-Säulen zeigten darüber hinaus, dass mit einem Durchlauf des KM durch die Säule, die Zink-Konzentration im KM um mindestens 90 % reduziert werden kann. Ein Demonstrationsexperiment mit simultaner Zink-Freisetzung, -Abscheidung und -Entfernung zeigte, dass eine effiziente Entfernung der Zink-Ionen aus dem KM auch unter den Bedingungen eines konkreten KMV-Störfallszenarios gegeben ist und ZnB-Ablagerungen in Kernkanälen bei Einsatz des KM-Reinigungssystems wirksam verhindert werden können.
Somit ist im Ergebnis dieser Studie eine effiziente Methode zur Verhinderung der thermohydraulischen Folgen von ZnB-Ablagerungen in DWR-Kernstrukturen unter Nutzung der vorhandenen DWR-Anlagentechnik entwickelt und validiert worden.
Publikationen:
U. Harm, M. Wiezorek, H. Kryk, U. Hampel
LOCA Scenario-Related Zinc Borate Precipitation Studies at Lab Scale
Proceedings of the Annual Meeting on Nuclear Technology (AMNT 2019), Berlin 2019
W. Kästner, S. Alt, A. Seeliger, F. Zacharias, U. Harm, R. Illgen, U. Hampel, H. Kryk
Modelling thermal-hydraulic effects of zinc borate deposits in the PWR core after LOCA - Experimental strategies and test facilities
International Journal for Nuclear Power, Vol. 65 , Issue 6/7 (2020): 341-345
U. Harm, H. Kryk, U. Hampel
Electrochemical corrosion studies on zinc in boric acid containing electrolytes
EUROCORR 2020 (EFC Working Party 4, Session: Nuclear Corrosion), 07.-11.09.2020, Virtual Congress
U. Harm, H. Kryk, U. Hampel, A. Seeliger, S. Alt, W. Kästner
Lab Scale Experimental Studies for Modeling Possible Zinc Removal Efforts in LOCA Situations
The 19th International Topical Meeting on Nuclear Reactor Thermal Hydraulics (NURETH-19), 06.-11.03.2022, Brussels, Belgium
U. Harm, H. Kryk, U. Hampel
Flow-dependent zinc corrosion in boric acid containing electrolytes
Materials and Corrosion, Vol. 74, Issue 2 (2023): 277-284