Schokoladenspezifisches Simulationsmodell von Spülprozessen geschlossener Systeme – SchokoSIM
Die deutsche Schokoladenindustrie blickt auf eine erfolgreiche Tradition zurück. Entscheidend für diesen Erfolg ist vor allem die hohe Qualität der hergestellten Produkte. Um aktuelle Markttrends auch weiterhin bedienen zu können, ist es notwendig verschiedene Schokoladenprodukte auf einer Anlage zu produzieren. Dadurch besteht ein erhöhtes Risiko für qualitätsmindernde Kreuzkontaminationen wie die Verschleppung von Aromen, Farben und anderen Zutatenbestandteilen, was eine gründliche Reinigung zwingend erforderlich macht. Spülprozesse zum Ausschub der Vorgängerschokoladenmasse rücken daher zunehmend in den Fokus angestrebter Prozessverbesserungen, sind jedoch noch nicht vollständig verstanden. Durch die hohe Komplexität der Maschinen und Anlagen sowie der schlechten Möglichkeiten zur Beobachtung und Beurteilung des Spülprozesses lassen sich Verbesserungsprozesse bisher nur mit hohem experimentellem Aufwand durchführen.
Zusammenfassung
Ziel des Projektes war die Entwicklung eines Werkzeuges zur Auslegung und Untersuchung industrieller Spülprozesse in der Schokoladenindustrie. Als geeignetes Werkzeug wurde die numerische Strömungssimulation identifiziert, da sie einen detaillierten Einblick in die beim Spülprozess ablaufenden Mechanismen ermöglicht.
Für die Strömungssimulation wurde ein Simulationsmodell erstellt, das in der Lage ist, die Variation der schokoladenspezifischen Eigenschaften zu berücksichtigen, die sich aus der breiten Produktpalette der Schokoladenhersteller ergibt. Gleichzeitig wurde in Experimenten untersucht wie die vielfältigen Produkteigenschaften, die Eingangsgrößen der Simulation sind, bestimmt und modelliert werden können. Außerdem wurde durch den Aufbau eines Versuchsstands die Möglichkeit geschaffen den Spülprozess experimentell zu untersuchen. Dadurch wurde zum einen eine Validierung des Simulationsmodells ermöglicht, zum anderen konnten so Herausforderungen bei der Planung, Durchführung und Überwachung von industriellen Spülprozessen identifiziert werden.
Untersuchung der Stoffeigenschaften
Das Projekt untergliederte sich in mehrere Phasen. In der ersten Projektphase wurde der Fokus auf die experimentelle Untersuchung und Modellierung der Stoffeigenschaften der vollständig aufgeschmolzenen Schokolade gelegt. Das Vermessen einer breiten Anzahl von Schokoladenproben ergab, dass sämtliche Proben stark nicht-Newtonsches Fließverhalten aufweisen. Weiterhin zeigten die Untersuchungen, dass die Schokolade unterhalb einer bestimmten Schubspannung, der sogenannten Fließgrenze, nicht fließt. Diese Eigenschaften wurden in der Modellierung entsprechend berücksichtigt. Die Bestimmung der Parameter des verwendeten rheologischen Modells erfolgte durch weitere Experimente mit industrieüblicher Technik (z.B. Rheometer). Mithilfe ausgewählter Messmethoden wurde neben den rheologischen Eigenschaften auch die Dichte der Schokoladen bestimmt. Diese wies im Gegensatz zu den Fließeigenschaften keine nennenswerte Temperaturabhängigkeit auf. Die thermischen Eigenschaften wurden mit Labormethoden bestimmt und entsprechend modelliert.
Spülversuchsstand und Simulationsmodell
Die zweite Projektphase bestand auf Seiten der ersten Forschungseinrichtung aus der Konzeption, der Konstruktion, dem Aufbau sowie der Inbetriebnahme des Spülversuchsstands. Hierbei wurden verschiedene Detektionsmöglichkeiten für die Spülfront und den Spülfortschritt erprobt. Insbesondere die im Rahmen des Projekts entwickelten Messstreckensegmente, die transparent gestaltet, durch eine doppelwandige Ausführung kühl- und heizbar und aus dem Versuchsaufbau entnehmbar sind, konnten im Projektverlauf gewinnbringend eingesetzt werden. Auch andere Detektionsmöglichkeiten, wie zum Beispiel ein kapazitives Messsystem, wurden im Rahmen des Projekts erprobt.
Durch die zweite Forschungseinrichtung wurde in dieser Phase das Simulationsmodell entwickelt. Dieses wurde mit der Software OpenFOAM erstellt, da deren Quellcode frei zugänglich ist und sie ohne Lizenzgebühr genutzt werden kann. Innerhalb von OpenFOAM wurden die in der ersten Projektphase identifizierten Stoffmodelle implementiert und ein Ausschnitt des Versuchsstandes abgebildet, um in der folgenden dritten Projektphase eine Validierung der Simulationsergebnisse zu ermöglichen.
Spüluntersuchungen
Die dritte Projektphase bestand maßgeblich darin, experimentelle und numerische Spüluntersuchungen durchzuführen und daraus Schlussfolgerungen für die industrielle Praxis zu ziehen. In den Spülexperimenten wurde der Spülprozess nach einer definierten Spülzeit gestoppt. Der Spülfortschritt konnte dann in Messstreckensegmenten eingefroren werden. Dafür wurde die in den Segmenten enthaltene Schokolade abgekühlt und anschließend aus diesen entnommen und vermessen. Die Ergebnisse der Spülsimulation wurden analog ermittelt, so dass ein direkter Vergleich der Ergebnisse möglich war. Das Simulationsmodell traf die experimentellen Daten sehr gut, die Validierung war damit erfolgreich.
Ergebnisse
Hinsichtlich des Spülprozesses konnten durch die Spüluntersuchungen verschiedene Erkenntnisse gewonnen werden. Der gesamte Prozess wurde in zwei aufeinander folgende Phasen eingeteilt. In der ersten, sogenannten „core removal“ Phase findet ein Ausschieben der Masse im Rohrinneren statt. Hierfür ist eine hohe Fließgrenze der Spülschokolade sinnvoll. Diese sorgt dafür, dass im Rohrinneren ein größerer Bereich auftritt, in dem die lokal auftretende Schubspannung die Fließgrenze nicht übersteigt. Es bildet sich ein fester Pfropfen aus, der die Vorgängerschokolade ausschiebt. Eine höhere Fließgrenze führt gleichzeitig zu einer deutlich höheren benötigten Pumpenleistung. In der zweiten, sogenannten „layer removal“ Phase wird die auf der Rohrwand verbleibende Schicht an Vorgängermasse abgetragen. Hierbei ist eine geringe Viskosität der Vorgängermasse hilfreich, da diese bei einem vorgegebenen Massestrom von Spülschokolade zu einer höheren Geschwindigkeit in der Restschicht und damit einem schnelleren Abtrag führt.
Basierend auf diesen Beobachtungen und weiteren Untersuchungen konnten im Projekt Spülempfehlungen abgeleitet werden. Die Temperaturerhöhung, aus der eine Verringerung der Viskosität folgt, hat beispielsweise eine positive Auswirkung auf die „layer removal“ Phase, jedoch eine negative auf die „core removal“ Phase. Gleichzeitig verringert sich die benötigte Pumpenleistung, während die benötigte Energie für das Erwärmen steigt. Wenn sowohl Spül- als auch Vorgängermasse erwärmt werden, zeigen sich in den Ergebnissen aus Experiment und Simulation nahezu keine Unterschiede beim Spülfortschritt. Dementsprechend kann auch bei niedrigen Temperaturen unter Einsatz von verhältnismäßig wenig Energie ein ähnlich gutes Spülergebnis erreicht werden wie bei hohen Temperaturen. Beim vorherigen Entleeren der Produktionsstrecke kann Vorgängermasse zurückgewonnen und weitergenutzt werden. Jedoch ist durch das vorherige Entleeren kein verbessertes Spülergebnis zu beobachten. Der Massestrom hat einen geringen Einfluss auf die „core removal“ Phase. Mit sinkendem Massestrom sinkt auch die in der Rohrmitte auftretende Schubspannung. Dadurch ergibt sich ein größerer Pfropfenbereich als bei hohem Massestrom. Beim Einsatz gleicher Mengen an Spülmasse kann bei geringem Massestrom so ein etwas größerer gereinigter Bereich erzielt werden. Gleichzeitig steigt mit geringem Massestrom die Spülzeit.
Den größten Einfluss auf den Spülprozess hat die Wahl und Kombination von Vorgänger- und Spülmasse. Entsprechend der zuvor genannten Beobachtungen kann bei jedem Hersteller eine zielgerichtete Auswahl der Massen basierend auf den Stoffeigenschaften erfolgen. Alternativ kann bei vorgegebenen Massen mit Hilfe der Spülsimulation die erforderliche Spüldauer berechnet werden.
Die Zielstellungen von Spülprozessen sind stark unternehmens- und produktionsabhängig. So können Ziele beispielsweise eine hohe Energieeffizienz, ein geringer Verbrauch von Spülmasse, ein hoher Rückgewinn von Vorgängermasse oder eine kurze Spülzeit sein. Entsprechend der Zielstellung wurden im Rahmen des Projekts unterschiedliche Strategien vorgestellt. Das Simulationsmodell steht für Spülsimulationen beliebiger Schokoladenmassen zur Verfügung. Des Weiteren wurde im Projekt ein vereinfachtes Modell entwickelt, welches für isotherme Prozesse Ergebnisse binnen weniger Minuten liefert.
Ausblick
Die Auslegung von Spülprozessen in der Schokoladenindustrie basierte vor dem Projekt oftmals auf empirischen Daten und musste daher mit großen Sicherheitsfaktoren versehen werden. Mit Abschluss des Projekts stehen nun drei neue Werkzeuge zur Verfügung: ein Versuchsaufbau für Spülversuche im Labormaßstab, ein numerisches Modell für die CFD-basierte Spülsimulation und ein vereinfachtes Modell. Damit kann in Zukunft eine detailliertere Untersuchung und Auslegung schokoladenspezifischer Spülprozesse erfolgen.
Projektfinanzierung:
Das IGF-Vorhaben 20672 BR der Forschungsvereinigung Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Projektlaufzeit: 01.05.2019 – 30.06.2023
Projektbearbeitung und Kontakt:
Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Jens-Peter Majschak
Projektmitarbeiter: Dipl.-Ing. Matti Heide
Reinigungstechnologien
NameDipl.-Ing. Matti Heide
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Kooperationspartner: Technische Universität Dresden, Institut für Strömungsmechanik, Professur für Strömungsmechanik