UNESCO World Heritage and the Sustainable Development Goals
Workshop für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler
Nachhaltige Entwicklung braucht Kultur, braucht kulturelles Erbe – unter dieser Prämisse lud der UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen am 4. Februar 2019 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus verschiedensten Disziplinen ein, ihre Forschungsergebnisse zu diskutieren. Wie Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer in ihrer Begrüßung ausführte, ist das von der UNESCO geprägte Narrativ der Kultur as a driver and enabler of sustainable development fest im internationalen Diskurs verankert. Es bedarf allerdings noch einer konkreteren Ausgestaltung um im gesellschaftlichen Transformationsprozess fruchtbar gemacht werden zu können. Dazu beizutragen war Ziel des eintägigen Workshops an der TU Dresden.
„If our future is not pluralistic, it cannot be sustainable.” Nachhaltigkeit – oder besser: nachhaltige Entwicklung – ist nur in einem pluralistischen, offenen und kreativen Miteinander zu erreichen; sie ist kein Zustand, sondern ein Prozess, das machte Dr. Lutz Möller, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission und Leiter der Abteilung Wissenschaft, Nachhaltigkeit in seiner Keynote-Präsentation deutlich. Das Bild eines Donats vor Augen führend, stellten die natürlichen Beschränkungen von Raum und Ressourcen die Grenzen von außen dar. Von innen sei die menschliche Würde die Minimalanforderung, die es bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele stets zu beachten gelte. Kulturerbe spiele gerade bei letzterem eine wichtige Rolle, unter anderem für friedliches Miteinander, für Modelle effektiver Mensch-Natur-Beziehungen sowie für das Sichtbarmachen von „shifting baselines“.
Die anschließenden Vorträge von Verena Röll (Young people’s perspectives on world cultural heritage – a ocntribution to education for sustainable development?) und Dr. Paul Stadelhofer (Environmental innovations and technological development in a social-ecological paradigm) beleuchteten konkrete Aspekte der Welterbebildung für Schülerinnen und Schüler sowie der Rolle von Kulturerbe für Innovationen und technologische Entwicklungen. Der Vortrag von Fraz Arshed Butt beleuchtete die Rolle von Kultur für die Nachhaltige Entwicklung.
Am Nachmittag lag der Fokus auf Parzipitation von lokalen und indigenen Gemeinschaften mit den Vorträge von Jan Küver (Colonial history, local culture and community livelihoods – shared heritage and the SDGs in Iringa, Tansania, Iringa Video), Finn Robin Schufft (The role of non-state actors in the implementation of global indigenous rights) und Robert Rode (Transforming the legacies of non-sustainability of conservation and the role of indigenous peoples: lessons from Kenya).
Die Vorträge und zahlreichen Beiträge in den Diskussionen machten deutlich, dass es für eine erfolgreiche Umsetzung der SDGs nicht nur innovative Ansätze und Ideen braucht, sondern dass diese auf lokaler Ebene in die Praxis umgesetzt werden müssen. Der Respekt der menschlichen Würde bildet dabei das normative Fundament. Wie die wissenschaftliche Koordinatorin des UNESCO-Lehrstuhls, Sylvia Maus, zusammenfasste, hat sich gezeigt, dass obwohl die Kulturübereinkommen der UNESCO nicht innerhalb des Menschenrechtssystems zu verorten sind, gerade die Verbindung von Kulturerbe und nachhaltiger Entwicklung die Wechselbeziehungen zwischen beiden Systemen deutlich macht. Das sich stetig entwickelnde Verständnis des Kulturbegriffs geht Hand in Hand mit einem menschenrechtsbasierten Ansatz des Kulturerbeschutzes, der die Erfordernisse der nachhaltigen Entwicklung unterstützt und begleitet.
Das komplette Programm finden Sie hier: Workshop Programme.pdf
++++
Call for Papers
UNESCO-Kulturerbe im Kontext der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs): Zugang – Partizipation – kulturelle Aneignung
TU Dresden, 4. Februar 2019
***
Die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) ist ein anspruchsvoller gesellschaftlicher Transformationsprozess. Die Rolle der Kultur ist dabei - trotz des holistisch geprägten Ansatzes der SDGs – bislang noch wenig beachtet. Das von der UNESCO maßgeblich vorangebrachte Verständnis von der Kultur als driver and an enabler of sustainable development ist zwar mittlerweile fest im internationalen Diskurs verankert, die konkrete Ausgestaltung ist allerdings noch unscharf. Es gilt daher, wissenschaftliche Impulse zu setzen, um die Umsetzung der SDGs unter Einbeziehung der Kultur insgesamt zu befördern.
Der UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen lädt Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus allen Disziplinen ein, bis zum 1. Dezember 2018 einen Vorschlag (max. 500 Wörter) für einen Vortrag zu Fragen im Themenkomplex Kultur, Kulturerbe und SDGs einzureichen bei Sylvia Maus, wissenschaftliche Koordinatorin des UNESCO-Lehrstuhls,
Reise- und Übernachtungskosten der Referentinnen und Referenten können übernommen werden.
Den ausführlichen Call for Papers lesen Sie hier:
Zugang zu kulturellen Ressourcen /Kulturerbe
Kulturerbe wird zunehmend nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch in seiner menschenrechtlichen Dimension wahrgenommen. Das anerkannte Recht auf Zugang zu Kulturerbe wird aktuell in vielerlei Hinsicht bedroht: durch absichtliche Zerstörung in und außerhalb von Konflikten, aber auch durch klima-, umwelt- und globalisierungsbedingte Entwicklungen.
Im Zusammenhang mit den SDGs ist Zugang zu Ressourcen und Gütern ein zentraler Aspekt für die Umsetzung der Agenda 2030. Hier kann und muss das Recht auf Zugang zu kulturellen Ressourcen/Kulturerbe mitgedacht werden.
- Welche Rolle spielen Kulturerbe und kulturelle Rechte in Bezug auf den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen (SDG 6), zur Beendigung von Hunger (SDG 2).
- Welche kulturellen Faktoren existieren bei der absichtlichen Zerstörung von Kulturerbe und bei der Bekämpfung des Terrorismus (SDG 16)?
- Was bedeutet der Zugang zu Kulturerbe für die nachhaltige Entwicklung von Städten (SDG 11), auch im Hinblick auf vulnerable Gruppen (z.B. Frauen, Kinder, Migranten)?
- Vor welchen Herausforderungen steht das Recht auf Zugang zu Kulturerbe angesichts von Klimawandel (SDG 13) und in Bezug auf sich veränderte Umstände unter Wasser (SDG 14) und an Land (SDG 15)?
Partizipation und cultural governance
Kulturelle Rechte beinhalten das Recht, an der Identifizierung, Interpretation und Weiterentwicklung von Kulturerbe, sowie an der Erstellung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen und -programmen teilzuhaben. Dies betrifft sowohl materielles wie immaterielles Erbe. Die Partizipation betroffener Individuen und Gruppen (einheimische Bevölkerung, indigene Gemeinschaften, Minderheiten) ist darüber hinaus ein wesentliches Merkmal des nachhaltigen UNESCO-(Welt-)Erbe-Managements. Aus städtebaulicher und stadtplanerischer Sicht gilt es, die Rolle von Kultur und kultureller Partizipation für eine nachhaltige Entwicklung in urbanen Räumen zu untersuchen. Ebenso relevant ist eine partizipative Ausgestaltung der nationalen Kulturpolitiken, wie es die Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen der UNESCO (2005) fordert.
- Welche Rolle spielen lokale Bevölkerungen, Gruppen, NGOs für nachhaltiges Welterbemanagement (SDG 11.4) und ?
- Welche Rolle spielen lokale Bevölkerungen, Gruppen, NGOs für eine nachhaltige Entwicklung von Städten und resilience (SDG 11)?
- Wie können kulturelle Aspekte im Kontext nachhaltiger Stadtplanung und -entwicklung berücksichtig werden (SDG 11)?
- Inwiefern ist die Förderung von Kultur- und Kreativwirtschaft und kultureller Bildung notwendig für die Schaffung menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (SDG 8)?
- Welchen Beitrag kann Governance im Kulturbereich für die Schaffung menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (SDG 8) und zur Verringerung von Ungleichheiten in und zwischen Staaten (SDG 10) leisten?
Kulturelle Aneignung
Die Umsetzung der Agenda 2030 kann nur gelingen, wenn sie als gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess verstanden wird. Dazu gehört neben der Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien auch die „kulturelle Aneignung“ von Innovationen. Die Rolle der Kultur muss dabei verstärkt mitgedacht werden, nicht nur im Sinne einer Kultur der Nachhaltigkeit. Technologische Entwicklungen sind abhängig und eingebettet in ein kulturelles Umfeld, sie müssen von Menschen nicht nur geschaffen, sondern auch angenommen und verinnerlicht werden. Die Herausforderung besteht somit nicht nur in der Schaffung von technologischem Fortschritt, sondern insbesondere in der „kulturellen Aneignung“ desselben. Der Prozess der Digitalisierung tritt dabei als neues (kulturelles) Zeitalter in Erscheinung, das es inklusiv und partizipativ zu gestalten gilt.
- Was sind die Formen und Chancen der kulturellen Aneignung neuer Technologien und Innovation (SDG 9)?
- Welche Rolle spielt eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ für Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9)?
- Welchen Beitrag kann ein menschenrechtsbasierten Kulturbegriff zur kulturellen Aneignung neuer Technologien leisten?
- Was sind die künftigen Möglichkeiten für eine kulturell inklusive und partizipative Gestaltung von gesellschaftlichen Transformationsprozessen zur Vermeidung von Ungleichheiten (SDG 10)?