"Tiefe und Fläche. Im Dialog: Wissenschaftliche Tableaus und Olaf Holzapfel"
Mit Werken von Olaf Holzapfel und Karl-Heinz Adler, Veronika Beckh sowie Franz Erhard Walther
Ein Projekt der Kustodie der Technischen Universität Dresden in Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste Dresden
27. September bis 1. Dezember 2024
Oktogon. Kunsthalle der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden
Georg-Treu-Platz 1, 01067 Dresden
Öffnungszeiten: Di – So, 11 – 18 Uhr
Eröffnung: 26. September 2024, 19 Uhr, im Lichthof des Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Ausgangspunkt der Ausstellung „TIEFE UND FLÄCHE“ sind die über 40 universitären Lehr- und Forschungssammlungen der Technischen Universität Dresden und der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Diese Sammlungen enthalten Modelle, Lehrtafeln, Moulagen, Präparate und Objekte weiterer Gattungen, die über die letzten 200 Jahre hinweg mit speziellen didaktischen oder wissenschaftlichen Absichten für die Lehre und Forschung angefertigt oder zusammengetragen wurden. Die Ausstellung setzt den Fokus auf die bisher wenig beleuchtete Gattung des Tableaus: Schautafeln oder -kästen mit Arrangements von Exponaten.
Im Zusammenspiel mit diesen „Objekt-Tableaus“ sind eigens für das Projekt geschaffene und arrangierte Werke des Künstlers Olaf Holzapfel (*1967 in Dresden, lebt in Berlin) zu sehen. Er zeigt neben Skulpturen, Gemälden, Werken mit Naturmaterialien wie den „Heubildern“ und Modellen der vergangenen 20 Jahre auch eine neue Fachwerk-Arbeit. Die Ausstellung beleuchtet aus mehreren Blickwinkeln das Tableau als Ordnungs- und Zeigeform sowie Holzapfels künstlerische Bezugnahme darauf. Diese Begegnung mit den historischen „Objekt-Tableaus“ eröffnet neue Perspektiven auf zeitgenössische Lebensräume und ihre Geschichte, auf jenes „Dazwischen“ (Olaf Holzapfel) im Verhältnis von Mensch, Natur, Ding und Zeit.
Die „Objekt-Tableaus“ aus den universitären Sammlungen
Im Oktogon, der Kunsthalle der Hochschule für Bildende Künste Dresden, wird die große Bandbreite der einzigartigen und bislang noch nie gemeinsam ausgestellten „Objekt-Tableaus“ aus mehr als 15 verschiedenen wissenschaftliche Disziplinen und den dazugehörigen Lehr- und Forschungssammlungen ausgebreitet. Sie reicht vom Herbarium Dresdense und den umweltwissenschaftlichen Fächern wie der Forstzoologie oder der Forstbotanik über die Lebensmittelchemie, Farbstoffsammlung, Zoologie und Anatomie bis hin zur Elektrotechnik und den Ingenieurwissenschaften der Dresdner Universität sowie der Kunstakademie. Rund 110 „Objekt-Tableaus“, die zum überwiegenden Teil erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden, zeigen eindrucksvoll die Fülle und Vielfalt der sächsischen Universitätssammlungen zwischen Handwerk, Technik, Wissenschaft, Forschung und Bildender Kunst. Geordnet nach Kategorien wie Material oder Stil (als ästhetischer Instanz) beziehungsweise Zerlegung und Verfahren oder der Frage nach den Herstellern (Handwerkern, Professoren, Lehrmittelfirmen), werden in 12 Kapiteln die Zeige-Modi der „Objekt-Tableaus“ untersucht.
Kennt man sonst vor allem Präsentationen von einzelnen Exponaten aus universitären Sammlungen, die sich einer Fachdisziplin, einem Thema oder einem Zugriff widmen, macht die Ausstellung „TIEFE UND FLÄCHE“ anschaulich, dass diese besonderen Lehr- und Forschungssammlungen jenseits von disziplinären Unterschieden miteinander verwoben sind. Anders als etwa beim botanischen Blütenmodell, der dreidimensionalen Funktionsdarstellung eines Getriebes oder einem Skalpell aus der Medizin, steht beim wissenschaftlichen „Objekt-Tableau“ nicht ein einzelnes Ding im Fokus. In den mehrteiligen Tableaus geht es vielmehr um die Nachvollziehbarkeit und Veranschaulichung von Entstehungs- und Herstellungsprozessen, von Logiken und Kausalitäten in einem geschichtlichen sowie pädagogischen Zusammenhang. Die formale Gleichwertigkeit der einzelnen Exponate, angeordnet auf einer definierten Fläche, die keinen Vorder-, Mittel- oder Hintergrund kennt, sondern Simultaneität erzeugen möchte, gestattet es, komplexe Inhalte zeitlich und räumlich in eins zu setzen.
So finden sich in dem Kapitel „Zerlegung“ in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander ein fragmentiertes Motorventil und das demontierte Mundwerkzeug einer Languste. Auf den ersten Blick könnten beide nicht gegensätzlicher sein. Der einzige, hier entscheidende Aspekt, der das Exponat aus dem Maschinenbau mit demjenigen aus der Forstzoologie verbindet, ist ihre Darstellung nach dem Prinzip der seit dem Mittelalter bekannten Explosionszeichnung. Dabei wird ein Gegenstand bis in seine kleinsten Einzelteile zerlegt, sodass Laien und Lernende mit der Komplexität eines Organismus’, einer Apparatur oder eines Werkzeugs unmittelbar vertraut gemacht werden.
Olaf Holzapfel und das Tableau
Der Bildhauer und Konzeptkünstler Olaf Holzapfel, der seine Ausbildung an der Technischen Universität Dresden und der Dresdner Hochschule für Bildende Künste absolvierte, wurde von der Kustodie der Technischen Universität Dresden eingeladen, für die Ausstellung eine zeitgenössische Fassung des Tableaus zu entwickeln. Er erlangte internationale Bekanntheit mit Fachwerkskonstruktionen sowie Heu- und Strohbildern, die dezidiert auf Handwerkstechniken Bezug nehmen. Wie kein anderer Künstler seiner Generation steht Holzapfel damit für die dringliche Auseinandersetzung mit kulturellen Praktiken und sozialen Räumen sowie ihrer sich wandelnden Bedeutung zwischen gestern, jetzt und morgen.
Für das Pentagon-West hat Holzapfel eine Präsentation konzipiert, die Acrylglas-Faltungen, Digital-, Heu- und Strohbilder, Gemälde sowie eine fotografische Serie zu einem Japan-Aufenthalt zusammenbringt. Unter Einbeziehung von Modellen aus der Mathematischen Sammlung und Herbarbelegen aus der Sammlung des Botanischen Garten der Technischen Universität Dresden sowie Werken des Installations- und Konzeptkünstlers Franz Erhard Walther (*1939 in Fulda, lebt und arbeitet in Fulda) und der Glaskünstlerin Veronika Beckh (*1969 Forchheim, lebt in Berlin) sind drei künstlerische Tableaus entstanden. Unter den Überschriften „Pflanzen“, „Geometrische-Mathematische Formen beziehungsweise Formen mit Gravitation“ sowie „Information und Raumzeichnung“ setzen diese sich mit elementaren Aspekten von Weltbildung auseinander. Zu den behandelten Themen gehören die Herausbildung der ‚digitalen Welt‘ und die gleichzeitige Infragestellung von Produktions- und Lebenspraxen vor dem Hintergrund der Klimakrise und gesellschaftspolitischer Neuordnungen.
Im Herzstück der Ausstellungshalle schließlich begegnen sich die wissenschaftlichen und künstlerischen Exponate und werden in einem raumgreifenden Fachwerk von Olaf Holzapfel als begehbares Tableau gefasst. Hier sind unter anderem auch eine dreiteilige Arbeit von Karl-Heinz Adler (1927–2018) sowie das Modell eines Wassergöpels aus der TU Bergakademie Freiberg zu sehen.
Olaf Holzapfel interessiert sich dabei insbesondere für die Verschränkung von künstlerischen und wissenschaftlichen Sujets, die er durchaus historisch betrachtet, aber gleichzeitig unter den mehrschichtigen Herausforderungen der Gegenwart neu ordnet und kontextualisiert. Als Betrachter:innen werden wir Teil seines Tableaus. Die schauende Außenperspektive weicht einer physischen Unmittelbarkeit, die uns zu einem aktiven Part im Gefüge des Environments macht. Gattungsgrenzen zwischen Wissenschaft und Kunst werden nicht aufgehoben, aber es entstehen assoziative Verbindungslinien, die Material, Form, Komposition und Funktion neu lesbar machen.
Olaf Holzapfel (*1967 in Dresden, lebt in Berlin) begann zunächst ein Architekturstudium an der Technischen Universität Dresden, bevor er von 1996 bis 2001 Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studierte. Von 2001 bis 2003 war er Meisterschüler bei Ralf Kerbach. Der Konzeptkünstler wurde mit renommierten Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2023 mit dem Zurich Art Prize. Holzapfel kann auf zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen zurückblicken. Solopräsentationen hatte er unter anderem 2024 im Museum Haus Konstruktiv in Zürich, Schweiz, 2021 im Museo de Arte Contemporáneo in Salta, Argentinien, sowie im Bündner Kunstmuseum in Chur, 2019 im Museo Nacional de Arte Decorativo in Buenos Aires, 2018 im Skulpturenpark Kloster Schönthal, Langenbruck, und 2015 in Israel im Museum of Art, En Charod. Permanente Installationen sind an öffentlichen Orten zu besichtigen, etwa „Harfen“ (2022) auf der Nassfeldalm Bad Gastein oder „Der Geflochtene Garten“ (2022-2026) im Museum Europäischer Kulturen MEK Berlin Dahlem. Holzapfel war zudem 2017 auf der documenta 14 mit einer viel beachteten Einzelpräsentation und 2011 auf der 54. Biennale di Venezia vertreten.
Die Ausstellung wird großzügig gefördert von:
Ostdeutsche Sparkassenstiftung
Amt für Kultur und Denkmalschutz, Landeshauptstadt Dresden
Stiftung Kunst und Musik für Dresden