30.08.2024
Risiko erhitzter Lebensmittel häufig überschätzt: Übersichtsstudie findet keine ausreichenden Belege für nachteilige Einflüsse auf die Gesundheit
Die DFG-Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM), der auch Prof. Michael Hellwig und Prof. Thomas Henle aus dem Fachgebiet Lebensmittelchemie der TU Dresden angehören, hat anhand einer systematischen Übersichtstudie die Auswirkungen von Glykierungsverbindungen (auch AGEs, Advanced Glycation Endproducts) in erhitzter Nahrung auf die menschliche Gesundheit untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass keine wissenschaftlich belegbaren Zusammenhänge zwischen der Aufnahme von Glykierungsprodukten und negativen Einflüssen auf die Gesundheit bestehen. Die Arbeit wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Critical Reviews in Toxicology“ veröffentlicht.
Faltige Haut, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und vieles mehr – diesen gesundheitlichen Risiken ist man laut verschiedenen Ratgeberplattformen durch den übermäßigen Verzehr von erhitzten beziehungsweise auch hochprozessierten Lebensmitteln ausgesetzt. Die Wissenschaftlichkeit dieser Aussagen ist jedoch umstritten.
Nun hat sich das Expertenteam der SKLM mit dieser Frage in einer systematischen Übersichtsarbeit beschäftigt. Auch Prof. Michael Hellwig und Prof. Thomas Henle von der TU Dresden waren an der Untersuchung beteiligt. Konkret konzentrierten sich die Forschenden dabei auf den Zusammenhang zwischen der Aufnahme sogenannter Glykierungsprodukte und negativen Einflüssen auf die Gesundheit. Glykierung (auch Maillard-Reaktion oder nicht-enzymatische Bräunung genannt) ist eine chemische Reaktion insbesondere von Proteinen mit Kohlenhydraten. Sie läuft unter anderem beim Erhitzen von Lebensmitteln ab, wo sie maßgeblich die Farbe und das Aroma von Lebensmitteln beeinflusst, zum Beispiel die braune Kruste beim Brot oder beim Grillen von Fleisch. Es gibt auch die endogene Glykierung, die im menschlichen Körper stattfindet und beispielsweise durch den erhöhten Blutzuckerspiegel bei Diabetes verstärkt wird.
Die bei der Glykierung entstehenden Stoffe nennt man Glykierungsprodukte oder auch AGEs (Advanced Glycation Endproducts). In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Tier- und auch Humanstudien versucht, Zusammenhänge zwischen der Aufnahme von Glykierungsprodukten und nachteiligen Gesundheitseinflüssen, etwa bei Entzündungsprozessen, bei Herz- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes aufzuzeigen. Grundlage für diese Studien war die Annahme, dass endogen gebildete Glykierungsverbindungen zu einer Reihe von Krankheiten beitragen. Dies hat zu der Hypothese geführt, dass in Lebensmitteln enthaltene Glykierungsverbindungen ebenfalls schädliche Auswirkungen haben und somit ein ernährungsbedingtes Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen können.
Wie sich herausgestellt hat, wurden in diesen Studien oftmals schlecht oder gar nicht validierte lebensmittelanalytische Daten als Grundlage für die Risikodiskussion verwendet. Das Expertenteam fasste in seiner Arbeit Daten über die Bildung, das Vorkommen, die Exposition und die Toxizität von Glykierungsverbindungen zusammen und bewertete systematisch mögliche Zusammenhänge zwischen der Aufnahme bestimmter Glykierungsverbindungen über die Nahrung und Krankheiten, einschließlich Allergien, Diabetes, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, Darm-/Gastrotoxizität, Gehirn-/Kognitionsstörungen und Krebs. Auf der Grundlage dieser systematischen Überprüfung kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass es derzeit keine überzeugenden Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glykierungsverbindungen über die Nahrung und nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen gibt.
„Problematisch ist in der Regel die Verwendung mangelhafter analytischer Methoden als Grundlage für die Abschätzung der Zufuhr individueller Glykierungsprodukte sowie die Überinterpretation toxikologischer Studien, in denen Glykierungsprodukte in teils extrem hohen Dosen eingesetzt werden, die mit üblichen Zubereitungsmethoden nicht erreicht werden können. Bislang konnten wir keine überzeugenden Struktur-Wirkungsbeziehungen zur Ableitung definierter toxikologischer Effekte einzelner Verbindungen ausfindig machen. Künftige Studien müssen auf fundierten analytischen Methoden, wie sie im Fachgebiet Lebensmittelchemie etabliert sind und stetig weiterentwickelt werden, beruhen“, erläutert Michael Hellwig, Professor für Spezielle Lebensmittelchemie an der TU Dresden.
Originalpublikation:
Hellwig, M., Diel, P., Eisenbrand, G., Grune, T., Guth, S., Henle, T., […] Mally, A. (2024). Dietary glycation compounds – implications for human health. Critical Reviews in Toxicology, 54(8), 485–617. https://doi.org/10.1080/10408444.2024.2362985
Kontakt:
Prof. Michael Hellwig
Professur für Spezielle Lebensmittelchemie
Tel. +49 351 463-32006
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