Aug 05, 2021
Gendersensible Sprache an der TUD?
Susann Mayer
„Wir sind als Universität eine diverse Gemeinschaft. Dem versuchen wir Ausdruck zu verleihen. Ob und welche sprachliche Form sich für den Ausdruck dieser Haltung gesellschaftlich durchsetzen wird, wird sich in wenigen Jahren gezeigt haben. Wir orientieren uns an sprachwissenschaftlichen Positionen, die hier zur Sensibilität gegenüber gesellschaftlichen Debatten und Geduld raten."
So beantwortet Prof. Alexander Lasch Fragen oder Kritiken zum Thema. Er ist Sprachwissenschaftler der TU Dresden und maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des Leitfadens für gendersensible Sprache an der TU Dresden.
Die Redaktion des Absolventenmagazins „Kontakt-online" stellte ihm die kritischen Fragen, die sie selbst erhält.
Umfragen ergaben, dass mehr als 50 % der Bevölkerung der gendersensiblen Sprache kritisch gegenüberstehen. Woher kommt daher überhaupt der Wunsch danach?
Ohne die Umfragen oder Zahlen zu kennen: Vielleicht von den anderen 50%, die Menschen diversitätssensibel adressieren wollen?
„Sprache ist Veränderung und im Fluss“ steht versus zu „die Genderung ist unnatürlich und eine Verstümmelung der Sprache“ – was sagt der Sprachwissenschaftler dazu?
Sprache ist immer im Wandel, solange ihre Sprecher:innen leben. Man könnte also den Diskurs auch als Indiz für die Vitalität unserer Sprachgemeinschaft sehen.
Oft wird gefragt, ob diejenigen, die mit dem „:“ oder „*“ gemeint sein sollen, gefragt wurden, ob sie sich damit gemeint fühlen. Was wissen Sie darüber?
Ja, durchaus – die Forderungen zur Markierung von Diversität werden ja seit Jahrzehnten ganz maßgeblich von denen vorangetrieben, die sich im generischen Maskulinum nicht mitgemeint fühlen oder nicht länger mitgemeint fühlen wollen. Die unterschiedlichen Formen der Markierung (in Ihrer Frage der Asterisk und der Doppelpunkt zur Markierung des Gaps) haben sich aus der Diskussion in den letzten Jahrzehnten entwickelt und es ist anzunehmen, dass die Konventionalisierung, also die Verfestigung einer bestimmten Form, auch noch eine Weile auf sich warten lässt. Hier sollte man sich aber gedulden, denn aktivistische Sprachpolitik (einer brennenden Befürwortung bzw. der entschiedenen Ablehnung) führt zwar zu einer Aufheizung des Diskurses, aber selten zu einer Veränderung des Sprachgebrauchs. Das kann man sich ganz leicht an ‚älteren‘ Markierungen vor Augen halten: Die Binnengroßschreibung des I (SprecherInnen) oder die Schreibung mit Schrägstrich (Sprecher/-innen), die über lange Jahre nicht unüblich war, wird heute kaum noch verwendet.
Wie steht es um die Verwendung der gendersensiblen Sprache in den deutschen Medien?
Zwei Aspekte werden hier wichtig. Zum einen kann man am Gebrauch geschlechtergerechter Sprache in den Massenmedien beobachten, dass der Umgang mit der Markierung von Diversität unterschiedlich gehandhabt wird. Das ist gut, denn so wird man augenscheinlich darauf aufmerksam gemacht, dass hier ein Konventionalisierungsprozess abläuft. Zum anderen kann man beobachten, wie Medien den Gebrauch als Diskursthema entwickeln – und wie bei anderen Themen auch ist hier die Logik, nach der Medien bisweilen geneigt sind, maximale Empörung zu erzeugen, für die Sache nicht förderlich, im Gegenteil. Vielleicht muss man nicht allen ein Mikrofon vor die Nase halten: Wer etwa von „unnatürlicher Genderung“ spricht oder einer „Verstümmelung von Sprache“ hat ein Verständnis derselben, das ich wissenschaftlich nicht teilen kann und persönlich nicht teilen will. Man verdeckt damit auch, dass es eigentlich nicht um Sprache, sondern um eine Behauptung von Macht- und Geltungsansprüchen geht.
Oft wird behauptet, dass in anderen Ländern/Sprachen die Verwendung der gendersensiblen Sprache in Medien/Behörden aus Gründen der Verständlichkeit untersagt wird – was wissen Sie darüber?
Mir ist keine Studie bekannt, in der belegt worden ist, dass die Verständlichkeit durch geschlechtergerechte Formulierungen herabgesetzt würde. Selbst im Falle barrierefreier Kommunikation gibt es Möglichkeiten, seine Adressat:innen adäquat anzusprechen. Bezüglich der Frage nach ‚anderen Ländern‘ oder ‚Sprachen‘ sei Frankreich erwähnt, wo im öffentlichen Sprachgebrauch auf diversitätssensible Sprache verzichtet wird. Dies sollte man aber aus verschiedenen Gründen nicht als Beispiel heranziehen, da man dann auch einen Blick auf alle anderen Aspekte der französischen Sprach- und Kulturpolitik werfen sollte, die hierzulande als sehr restriktiv wahrgenommen würden.
Wer in der TUD hat veranlasst, die gendersensible Sprache zu verwenden? Ist dies überhaupt bindend?
In der Stabsstelle Diversity wurden unter Einbindung aller Statusgruppen Empfehlungen für geschlechtergerechte Sprache erarbeitet und ans Rektorat gegeben. Meines Wissens ist eine Empfehlung für die Universität in Vorbereitung. Das fällt aber nicht in meinen Verantwortungsbereich, sondern ist beim Prorektorat Universitätskultur zu erfragen.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung NICHT empfohlen. Argumente dafür sind u.a., das Sprache: sachlich korrekt sein soll, verständlich und lesbar sein soll und vorlesbar sein soll. Was sagen Sie dazu?
Solange Sie „intuitiv“ korrekt aussprechen können, beherrschen Sie auch den Gendergap in Sprecher*innen oder Sprecher:innen. Ich wüsste nicht, was daran nicht les- oder vorlesbar sein sollte. Und wie Sie schon sagen: Der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt und in amtliche Regelwerke werden Normen aufgenommen. Dafür fehlt im Moment noch die Grundlage, da man von einer Konventionalisierung im Gebrauch noch nicht reden kann.
Zusatz zur Frage 6 von der Prorektorin Universitätskultur:
Zur Strategie des Rektorats gehört die Wertschätzung von Diversität, und damit eine geschlechtersensible Kommunikation in Sprache und Bild. Dazu hat an der TU Dresden die AG Sprache, in der u.a. alle Statusgruppen, alle Dezernate sowie sprachwissenschaftliche Expertise vertreten sind, einen entsprechenden Leitfaden entwickelt. Dieser orientiert sich u.a. an den Kriterien geschlechtersensibler Schreibweise, die der Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben hat und empfiehlt, etablierte Formen geschlechtergerechter Schreibung nach stilistischen und grammatisch-syntaktischen Strategien weiterhin differenziert zu praktizieren. Der Leitfaden geht dann an einer Stelle in der Tat über die (momentan) favorisierten Lösungen hinaus, setzt damit aber letztlich um, was rat für deutsche Rechtschreibung selbst empfiehlt: „Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll.“
Nach der Änderung des Personenstandsgesetzes reagieren wir mit unserem Vorschlag, den Doppelpunkt zu nutzen, also zum einen auf gesetzliche Entscheidungen und setzen zum anderen unseren Anspruch um, inklusiv und geschlechtergerecht zu formulieren.
Kontakt:
TU Dresden
Sachgebiet 9.3 Diversity Management
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