31.03.2022
Digitalisierung der Gesundheitsämter: Forschungsgruppe stellt neues Instrument für den digitalen Ausbau bereit
Infektionszahlen, die per Fax übermittelt werden, unvollständige Daten, Verzögerungen bei der Übermittlung – in der Corona-Pandemie stand die mangelnde Digitalisierung der deutschen Gesundheitsämter im Fokus zahlreicher Diskussionen. Mit der Anschaffung von Geräten und Software ist es aber längst nicht getan, im Gegenteil. Die Digitalisierung im öffentlichen Gesundheitsdienst ist eine hochkomplexe Aufgabe. Forschende der TU Dresden, des Fraunhofer FIT und der FU Berlin haben nun in dem vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekt „ReDiGe - Reifegradmodell für die Digitalisierung von Gesundheitsämtern“ ein Instrument entwickelt, das die lokalen Behörden auf ihrem Weg gezielt unterstützen kann. Das sogenannte Reifegradmodell für die Digitalisierung der Gesundheitsämter beschreibt entlang definierter Reifestufen konkrete Entwicklungspfade, die insbesondere in komplexen technischen Projekten dabei helfen, konkrete Maßnahmen abzuleiten, um die Digitalisierung Schritt für Schritt zu verbessern.
Die knapp 380 Gesundheitsämter in Deutschland sind typischerweise kommunale Einrichtungen oder direkt in Landratsämter eingegliedert, wobei die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Ämter von den Bundesländern festgelegt werden. Das führt dazu, dass einerseits die Digitalisierung unterschiedlich priorisiert und fortgeschritten ist, und andererseits verschiedene technische Systeme und Anwendungen aufeinandertreffen, für die es häufig keine Schnittstellen gibt. Darüber hinaus gehen Gesundheitsämter per se mit sensiblen Daten um, sodass die Anforderungen an Datenschutz und IT-Sicherheit besonders hoch sind. Die Ausgangssituation ist also in jeder Behörde anders, eine Lösung für alle kann es nicht geben.
Für die Entwicklung des Reifegradmodells hat das Projektteam mehr als 50 Akteur:innen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes interviewt. Ziel war es, alle relevanten Aspekte zu erfassen, die bei der Digitalisierung eine Rolle spielen: Wie ist die technische Ausstattung vor Ort? Welche Schnittstellen zu anderen Einrichtungen existieren oder müssen neu geschaffen werden? Wie ist es um die IT-Sicherheit bestellt? Wie sehr orientiert sich das System an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch: Wie motiviert sind die Mitarbeitenden, sich in neue digitale Systeme und Prozesse einzuarbeiten?
Das Reifegradmodell steht den Gesundheitsämtern demnächst als Webtool zur Verfügung. Diese können es dann nutzen, um systematisch ihren individuellen Status Quo zu bestimmen. Ausgehend davon zeigt das Modell ihnen dann konkrete Möglichkeiten und Schritte zur digitalen Modernisierung auf.
Mit dem Projekt „ReDiGe“ hat das Forschungsteam erstmals einen einheitlichen Rahmen geschaffen, nach dem zukünftig Digitalisierungsprojekte im so wichtigen Öffentlichen Gesundheitsdienst ausgerichtet, bewertet und priorisiert werden können. Seit Anfang des Jahres läuft bereits das Folgeprojekt „EvalDiGe – Erfassung und Evaluation der digitalen Reife von Gesundheitsämtern“.
Hier stehen zwei Ziele im Mittelpunkt: Zum einen soll der digitale Reifegrad der Gesundheitsämter jährlich gemessen und der daraus resultierende Stand auf Bundes- und Landesebene systematisch aufbereitet werden. Zum zweiten soll das Reifegradmodell auf Basis der Erfahrungen, die Gesundheitsämter bei der Anwendung des Modells machen, weiterentwickelt werden. Damit Gesundheitsämter bei Ihren Digitalisierungsprojekten auch voneinander lernen können, wird das Instrument zum „lebenden Reifegradmodell“ ausgebaut.
Projekte:
Die Projekte ReDiGe und EvalDiGe werden vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert
Mehr Informationen auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit: https://gesundheitsamt-2025.de/digitalisierung/reifegradmodell
Partner:
Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik
Technische Universität Dresden, Forschungsgruppe Digital Health
Freie Universität Berlin, Department Wirtschaftsinformatik
Projektlaufzeiten:
ReDiGe: Januar 2021 bis Februar 2022
EvalDiGe: 2022 bis 2025
Kontakt:
Dr. Hannes Schlieter
TU Dresden, Forschungsgruppe Digital Health
Tel.: +49 351 463-32173
Prof. Torsten Eymann (Projektleitung)
Fraunhofer FIT, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik
Tel.: +49 921 55–844710
Forschungsgruppe Digital Health an der TU Dresden
Die Forschungsgruppe Digital Health befasst sich in Forschung und Lehre mit der Gestaltung und Optimierung von komplexen Informationssystemen im Gesundheitswesen. Als interdisziplinäre Gruppe forscht und entwickelt sie in den Bereichen der Implementierung von patientenzentrierte Gesundheitsinformationssystemen, der Umsetzung von Systemen zur gesundheitsfördernden Verhaltensänderung (Behavioural Change Support Systemen) sowie den Entwicklungsperspektiven von digitale Gesundheitsökosysteme in Hinblick auf Interoperabilität, Adaptionsbarrieren und plattform-zentrierten Geschäftsmodellen. Die Forschungsgruppe bettet sich in eine Vielzahl nationaler und internationaler Forschungsprojekte, die stets darauf bedacht sind, wissenschaftliche Erkenntnisse und die Lebenswirklichkeit der Praxis in Einklang zu bringen.