Jun 03, 2021
Hochmoderne Labore auf dem Onkologischen Campus der Dresdner Hochschulmedizin
Im Neubau des Molekularbiologischen Forschungslabors (MFL) wird an zukunftsweisenden Themen der patientennahen Krebstherapie geforscht. Deutschlandweit einmalig bündeln hier die Pathologie und die Klinische Genetik ihre Kompetenzen, um für Tumorpatienten die modernsten Analysen für die Auswahl einer individuellen Therapie auszuloten.
Der Neubau von Haus 137 – dem Molekularbiologischen Forschungslabor– verleiht der Hochschulmedizin Dresden einen dringend benötigten Wachstumsschub an Forschungs- und Forschungsverfügungsflächen. „Exzellente Forscherinnen und Forscher brauchen eine exzellente Infrastruktur. Dieser Anspruch ist für die Hochschulmedizin Dresden besonders bedeutsam. Denn hier spielt die patientennahe Forschung eine Schlüsselrolle, sodass Sicherheit und Qualität der Arbeit einen besonders hohen Stellenwert einnehmen. Mit dem Neubau gewinnt die Medizinische Fakultät nicht nur zusätzliche, dringend benötigte Forschungsflächen, sondern erfüllt auch alle Voraussetzungen, die für eine Akkreditierung der Labore notwendig sind“, sagt Professor Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden. Für den Neubau des in anderthalb Jahren fertiggestellten Gebäudes wurden von der Hochschulmedizin Dresden rund 12,7 Millionen Euro investiert. Es entstanden auf 1500 Quadratmetern neue Laborflächen.
Allein die Lage des Hauses hat Symbolkraft. Das Molekularbiologische Forschungslabor (MFL) ist zwischen dem Forschungsgebäude der Universitäts Protonentherapie Dresden und dem im vergangenen Jahr in Betrieb genommenen Neubau des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) entstanden. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich zudem mit der Medizinischen Klinik I sowie der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie einige der wichtigsten Kliniken zur Versorgung von Krebspatienten. Die räumliche spiegelt die inhaltliche Nähe der Fachdisziplinen wieder. In dem neu entstandenen und vor einigen Wochen in Betrieb genommenen Molekularbiologischen Forschungslabor werden Experten aus Pathologie und Klinischer Genetik gemeinsam mit der Onkologie intensive Forschung im Bereich der Krebsmedizin betreiben. Im Mittelpunkt steht dabei die genetische und molekularpathologische Analytik.
Mit seiner ausgeklügelten und äußerst effizienten Raumplanung wurden in dem Neubau Synergien für die innovative genetische und die molekularpathologische Analytik, für die Erforschung von Krebserkrankungen und für die zukünftige Versorgung von Krebspatienten geschaffen. Im ersten Stockwerk des Gebäudes ist die Core Unit für Molekulare Tumordiagnostik (CMTD) untergebracht. Als zentrale wissenschaftliche Plattform des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) steht die CMTD allen onkologischen Forschungsgruppen des von der Hochschulmedizin Dresden, dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und dem Deutschen Krebsforschungszentrum gemeinsam getragenen Zentrums zur Verfügung. Das NCT/UCC hat hier Gelder in hochspezialisierte Labor- und IT-Ausstattung investiert, dazu zählen auch drei Next-Generation-Sequenzer (NGS).
Maßgeschneiderte Therapie für Krebspatienten
In der Core Unit für Molekulare Tumordiagnostik CMTD werden derzeit modernste Sequenzierungen für 32 translationale Forschungsprojekte verschiedenster Gruppen auf dem Campus bearbeitet. Für diese Projekte konnten bisher über 1.500 Next-Generation-Sequenzier-Analysen inklusive Datenverarbeitung und Dateninterpretation erfolgreich durchgeführt werden. Eines der Projekte des NCT trägt den Namen MASTERsg. Es ist ein gemeinschaftliches Projekt der Translationalen Medizinischen Onkologie (Leiter: Prof. Dr. med. Hanno Glimm) des NCT, dem CMTD, der Klinischen Genetik und der Pathologie. Im Rahmen dieses Projektes werden DNA und RNA aus Tumor und Blut von Patienten mit Tumorerkrankungen mithilfe einer breiten Panelsequenzierung von 500 tumorrelevanten Genen untersucht mit dem Ziel, einer größeren Anzahl an Patienten eine individualisierte Krebsmedizin anbieten zu können. Nach umfangreicher bioinformatischer Auswertung der erhobenen Daten werden genetische Veränderungen im Tumor und Blut auf ihre klinische Relevanz interpretiert. Dies dient dazu, molekular gezielte Therapieoptionen zu identifizieren, die eine maßgeschneiderte onkologische Therapie für Krebspatienten erlauben und im besten Fall weniger Nebenwirkungen haben. Zusätzlich können mit diesem Vorgehen Keimbahnmutationen identifiziert werden, die mit einem erhöhten und erblichen Risiko für Tumorerkrankungen einhergehen. Diese Keimbahnmutationen können sowohl für die erkrankten Patientinnen und Patienten als auch für deren Angehörige in Bezug auf die Krebsvorsorge, vorsorgliche Eingriffe oder gezielte Therapieoptionen relevant sein. Die Beurteilungen sowie mögliche Therapie- und Behandlungsoptionen werden im Molekularen Tumorboard durch alle Partneren im NCT/UCC diskutiert.
Dresden als internationale Top-Standort der Krebsmedizin
„Die enormen Innovationsschübe auf den Gebieten der Genomanalytik und der Molekularpathologie haben das Tor zur individualisierten Medizin weit aufgestoßen. Viele der Ansätze sind heute noch experimentell, doch sie werden bereits in wenigen Jahren die Diagnostik und Therapie von Tumorerkrankungen revolutionieren. Dank des engen Zusammenspiels von Ärzten und Wissenschaftlern gehört Dresden nicht nur bundesweit zu den Top-Standorten der Krebsmedizin. Dies ist ein Kurs, den wir nun in dem Molekularbiologische Forschungslabor weiter zielgerichtet verfolgen können“, sagt Professor Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums.
Grundlage dieser hochindividualisierten Diagnostik ist eine leitliniengerechte Aufarbeitung und Aufbewahrung der Gewebeproben. Diese ist im Erd- und Untergeschoss des neuen Gebäudes verortet. Dort befindet sich das Eingangslabor des Instituts für Pathologie inklusive des Schnellschnittlabors; das Untergeschoss beherbergt das immunhistologische Labor des Instituts für Pathologie. Die Räumlichkeiten wurden in enger Absprache zwischen Nutzern und Bauherrenteam geplant; damit wurde sozusagen ein Haus um die Prozesse herum gebaut. Im Institut für Pathologie werden pro Jahr ca. 55.000 histologische und zytologische Einsendungen (insg. ca. 240.000 Gewebeblöcke) und knapp 9000 intraoperative Schnellschnitte bearbeitet.
Das Institut für Pathologie fungiert als eines der Netzwerkzentren des nationalen Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM), welches sich eine flächendeckend optimierte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs zum Ziel gesetzt hat. Als Teil des Netzwerks bietet das Institut für Pathologie des Universitätsklinikums den stationären und ambulanten Netzwerkpartnern eine umfassende molekulare Multiplex-Diagnostik, welche derzeit die Grundlage für die weitere Therapieplanung der betroffenen Patientinnen und Patienten bildet. Die detaillierten molekularpathologischen Gutachten umfassen darüber hinaus Informationen zu möglichen innovativen Therapien inklusive klinischer Studien, welche in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Klinik und Poliklinik I erarbeitet werden. Das nNGM wird von der Deutschen Krebshilfe und den führenden gesetzlichen Krankenkassen unterstützt. Aus der lokalen nNGM-Struktur heraus hat sich eine Arbeitsgruppe bestehend aus Ärztinnen und Ärzten der Pathologie sowie der Medizinischen Klinik I etabliert, welche durch präklinische Analysen und eine breite in-vitro-Testung verschiedenster onkologischer Therapien im 3D-Zellmodell, den sogenannten Organoiden, die Tumorbiologie von Lungenkrebs untersucht. In einem durch das Else-Kröner-Kolleg gefördertem Projekt wird eine Lungentumor-Organoid-Biobank etabliert, welche zukünftig parallel zu den molekularen Analysen Hinweise auf das Therapieansprechen von Lungentumoren liefern soll, um somit neue innovative Therapieansätze zu erforschen.
Im Rahmen der Probenbearbeitung des Instituts für Pathologie finden auch die Gewebeasservierungen für die Biobank Dresden statt, die dann für verschiedene Forschungsfragestellungen verwendet werden können. So liegt unter anderem der Fokus der MALDI-Forschungsgruppe am Institut für Pathologie auf dem Tumorproteom als vielversprechendes Ziel zur Definition neuartiger Biomarker. Die Forschungsprojekte stellen durch ihre Nähe zur diagnostischen Routine einen engen klinischen Bezug her. Das sogenannte Matrix-assisted laser-based desorption and ionization (MALDI)-Imaging ist eine Technik zur Darstellung von Proteinen und Peptiden in ihren räumlichen Zusammenhängen. Neben der Untersuchung von Tumorgewebe wird derzeit im Rahmen des DEFEAT PANDEMICS-Projekts, in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover Lungengewebe von COVID-19-Patient untersucht, um zum Verständnis der Pathogenese dieser neuartigen Erkrankung beizutragen.
Testung von KI-Assistenzsystemen an Brustkrebsproben
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung am Institut für Pathologie ist die Integration von Assistenzsystemen basierend auf Künstlicher Intelligenz (KI) in die feingewebliche und immunhistologische Diagnostik. Das Institut für Pathologie agiert als Referenzzentrum im KI-Leuchtturmprojekt EMPAIA des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. EMPAIA wird die Zukunft der deutschen und europäischen KI-Landschaft in der Pathologie nachhaltig prägen und vereint derzeit zahlreiche Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft, pathologischen Instituten und der Patientenversorgung. Zudem erforscht und entwickelt das Institut für Pathologie hochmoderne KI-Assistenzsysteme in Eigenregie und translatiert diese direkt in die pathologische Routine. Beispielsweise wurde in Zusammenarbeit mit einem Firmenpartner eine KI-Assistenz für die molekularpathologische Analyse bei Brustkrebsproben entwickelt, die aktuell am Institut für Pathologie validiert und anschließend in der Routine eingesetzt wird.
Im zweiten Stock des Molekularbiologischen Forschungslabors ist das Institut für Klinische Genetik untergebracht. Unter Nutzung eines breiten und hochmodernen Spektrums an Verfahren und Methoden der Molekulargenetik und Zytogenetik werden dort in den (nach DIN EN ISO 15189:2014) akkreditierten Laboren jährlich ca. 1.600 humangenetische Analysen durchgeführt. Neben der Routineanalytik konzentriert sich hier die Forschung auf genetische Tumorrisikosyndrome sowie auf genetisch bedingte Hirnfehlbildungen und Entwicklungsstörungen. Eine Gruppe seltener Erkrankungen steht hierbei im besonderen Fokus: die sogenannten nicht-muskulären Aktinopathien. Auf diesem Themengebiet leitet Frau PD Dr. med. Nataliya Di Donato das europäische Konsortium PredACTINg, in dem sich fünf Forschungsgruppen mit der Entschlüsselung des Pathomechanismus dieser Erkrankungsgruppe, die vor allem das zentrale Nervensystem, aber auch viele andere Organe betrifft, befassen. Die Erkrankung basiert auf genetischen Veränderungen in den Genen ACTB und ACTG1, die für die beta- und gamma-Isoformen des zytoskelettalen Aktins kodieren und somit essentiell für alle humanen Zellen sind. Das Ziel ist es, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen genetischen Störungen und den daraus resultierenden Krankheitsbildern zu verstehen und aufzuklären. Ab Juli 2021 kann die Humangenetikerin PD Dr. med. Nataliya Di Donato im Rahmen eines zusätzlich eingeworbenen Else Kröner-Exzellenzstipendiums von ihren klinischen Aufgaben freigestellt werden und sich dann vollumfassend um den Fortschritt der Projekte kümmern.
Die NCT-Forschungsgruppe „Genetische Tumorrisikosyndrome“ wird von Dr. med. Arne Jahn geleitet. Hier liegt der Fokus auf neuen Strategien für die Aufdeckung und Charakterisierung erblicher Tumorerkrankungen unter Nutzung von DNA-, RNA- und Proteinanalysen. Patientinnen und Patienten mit einer genetischen Veranlagung für eine solche Erkrankung haben ein sehr hohes Risiko von oft mehr als 50 Prozent, jedoch mitunter auch bis zu 100 Prozent, im Verlauf ihres Lebens an einem oder mehreren Tumoren zu erkranken. Mit zellbiologischen Methoden werden Signalwege und deren Veränderungen charakterisiert, um den Einfluss auf die Tumorentstehung und das Tumorwachstum zu untersuchen und zu beeinflussen. „Wir freuen uns, dass der Neubau den an der TU Dresden auszubildenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern sowie angehenden Fachärztinnen und Fachärzten optimale Forschungsbedingungen bietet. Über fachliche Grenzen hinweg können hier exzellente Köpfe sowohl an der Entwicklung und Nutzung von Diagnostiktools für die Genommedizin und die Krebsmedizin von morgen aber auch an der Erforschung seltener Erkrankungen arbeiten“, sagt Frau Professorin Dr. Evelin Schröck, Direktorin des Instituts für Klinische Genetik. Und sie ergänzt: „Der Neubau erlaubt es uns, die Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen vom NCT/UCC und der Pathologie zu intensivieren und unsere Forschung mit unseren Partnern an der TU Dresden und den in der nahen Umgebung liegenden unabhängigen Forschungsinstituten sowie am Universitätsklinikum unter den exzellenten infrastrukturellen Rahmenbedingungen weiter voranzutreiben.“
Informationen für Journalisten:
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden
Institut für Klinische Genetik
Direktorin: Prof. Dr. med. Evelin Schröck
Tel.: 0351 458-51 36
https://tu-dresden.de/med/mf/kge
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Institut für Pathologie
Direktor: Prof. Dr. med. Gustavo Baretton
Tel.: 0351 458-30 00
www.uniklinikum-dresden.de/pat