Carbonbeton soll »Eisenbetonbrücke« retten
Wie die Ideen von Dresdner Bauingenieuren einem Baudenkmal neues Leben bescheren
André Terpe
Als im Jahr 1893 eine Brücke an der Naumburger Thainburg gebaut wurde, war dies aus heutiger Sicht wegweisend für die zukünftige Bauindustrie. Errichtet durch die »Actiengesellschaft für Monierbauten« gilt sie als eine der ersten Brücken aus »Eisenbeton« in Deutschland und der Franzose Joseph Monier, Namensgeber für diese Bauart, gilt als Erfinder des Stahlbetons. Noch über viele Jahre wurden die Bewehrungsstäbe im Stahlbeton nach ihm auch Moniereisen genannt. Moniers Bauweise setzte sich damals schnell durch, vor allem hierzulande hatten seine Ideen großen Einfluss auf die Bauwirtschaft und wurden rasch in die Praxis eingeführt und weiterentwickelt.
Heute, fast 130 Jahre später, ist die Brücke baufällig. Im Jahr 2017 war sie bereits zum Abriss und anschließendem Neubau ausgeschrieben. Wer die Brücke einmal gesehen hat, den wundert es allerdings nicht, dass im Naumburger Stadtrat doch noch die Bedeutung der Thainburgbrücke als Denkmal erkannt wurde. Nach ausführlichen Überlegungen um eine sinnvolle und zweckdienliche Sanierung der denkmalgeschützten Brücke wurde klar, dass nur Carbonbeton hier zum Ziel führen kann, da die Bauteilproportionen mit einer Stahlbetonverstärkung entstellt worden wären. Saniert werden soll nun mit einer gerade einmal 12 mm starken Schicht Carbonbeton, die zwei tragende Bewehrungslagen Carbongitter (Carbonbewehrung) aufnehmen soll. Die Vertreter des Denkmalschutzes kamen mit der Stadt zu der Überzeugung, dass es gerechtfertigt ist, die seinerzeit extrem innovative Brücke auch heute mit einer innovativen Technik zu sanieren. Schreibt die Naumburger Brücke auf diese Weise vielleicht ein zweites Mal ein kleines Stück Baugeschichte?
Seit zirka einem Jahr beschäftigt sich Dr. Harald Michler vom Institut für Massivbau der TU Dresden mit den Gegebenheiten an der Thainburgbrücke. Die Einbeziehung des Wissenschaftlers war notwendig, da es für den Einsatz von Carbonbeton derzeit lediglich für den Innenbereich eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung gibt. »Vor allem eine Erwärmung auf über 40 Grad und eine dauerhafte Durchfeuchtung der Carbonbetonteile ist im Innenbereich natürlich ausgeschlossen«, erklärt Dr. Michler. Nach eingehenden Untersuchungen der Gegebenheiten vor Ort ist er überzeugt, dass sich die Bedingungen für eine Auslegung der geltenden Bestimmungen in diesem speziellen Fall auch im Außenbereich schaffen lassen. Damit sind die Zulassungsbestimmungen auf die Thainburgbrücke übertragbar. Dank der zukunftsweisenden Carbonbeton-Technologie könnte die Brücke bis zu 100 weitere Jahre über den Naumburger Stadtgraben führen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 16/2018 vom 16. Oktober 2018 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.