Ein wenig wie das Ende einer intensiven Beziehung
Zum 1. Januar 2019 übergibt Matthias Spaniel die künstlerische Leitung der »Bühne« an Alexandra Wilke
Vivian Herzog
Es ist Herbst. Die Blätter färben sich rot-gelb, und obwohl sich die warmen Tage anfühlen wie Sommer, rücken erste Schauer und Kälte das Ende des Jahres in unser Blickfeld: Zum 1. Januar 2019 übergibt Matthias Spaniel die Künstlerische Leitung des Studententheaters »Die Bühne« an Alexandra Wilke. Er übernahm die Aufgabe vor fünf Jahren von Andreas Mihan und hat seitdem Stücke inszeniert und begleitet, Pläne geschmiedet und Festivals initiiert. Unter Matthias Spaniel hat sich »Die Bühne« verändert. Oder besser: mit ihm.
»Ich sehe ›Die Bühne‹ als Spielraum der Begegnung, der verschiedene Menschen in der Universität zusammenbringt«, erklärt er. So wurden beispielsweise mit dem Projekt »China Tower« 2015 die mehr als 1000 chinesischen Studenten der TU Dresden in den Mittelpunkt gerückt. Auch die Talkshow »(Prof)Session« – in der sich Professoren vor- und den Fragen der Zuschauer stellten – oder die Neukonzeption und Moderation der Immatrikulationsfeier schlugen die Brücke zwischen Hörsaal und Theater.
Auch die Außenwahrnehmung hat sich verändert. »Mit professionellen Theatern können wir nicht konkurrieren, werden aber mittlerweile nicht nur von anderen Uni-Organisationen für Kooperationen angefragt. Diese Entwicklung war mir sehr wichtig«, betont Spaniel. Zudem könne »Die Bühne« flexibler auf aktuelle Ereignisse reagieren als große Theaterinstitutionen mit ihren langen Planungsvorläufen – so verarbeitete zum Beispiel »Prometheus 2.0« (2013) die Snowden-Affäre bereits wenige Monate nach Bekanntwerden.
Unter Matthias Spaniels Leitung ist »Die Bühne« ein Stück erwachsener, professioneller geworden. Bereiche wie Verwaltung, Werbung und Spielplan-Formate wurden neu strukturiert; für die Technische Leitung und die der Presse wurden sogar Midi-Jobs geschaffen, denn »das sind verantwortungsvolle Arbeiten, die man nicht einfach neben dem Studium machen kann, wenn man mal Zeit und Lust hat.« Wertschätzung ist daher ein wichtiger Aspekt für ihn. Dass man etwas gern tut, aber auch bereit ist, Pflichten zu übernehmen – »etwas, dass im professionellen Kontext oft ausschließlich über Vertragsverhältnisse geregelt wird«, erläutert er.
Immer wieder ist Spaniel auch von der Kreativität der Studenten begeistert, so u.a. bei »Burning Walls and Urgent Calls«, das den Deutschen Amateurtheaterpreis 2018 gewonnen hat. »Die unterhaltsame wie tiefsinnige Stückentwicklung mit ihren chorischen Szenen hat mich beeindruckt«, sagt Spaniel lächelnd und seine Augen leuchten.
Die nächsten Wochen werden für ihn stressig – seine Abschieds-Inszenierung »Angriffe auf Anne« nach dem Stück von Martin Crimp feierte am 13. Oktober Premiere. »An dem Stoff fasziniert mich, dass man nach zwölf Szenen noch immer nicht weiß, wer Anne ist. Es lädt ein, über unsere Wahrnehmung und unsere Konstruktionen von Realität zu reflektieren«, erzählt er. Theater solle v.a. Fragen stellen, keine Antworten geben. Theater ist nicht einfach.
Und was bringt die Zukunft? Spaniels Stelle für das Begleitstudium Theater am Institut für Germanistik läuft noch bis 2020, ein Projekt am Theater Erlangen ist in Planung, auch eine Konferenz zum Thema »Haltung(en)« soll es im Herbst 2019 geben. »Man wird mich sicher noch an der ›Bühne‹ sehen, aber ich muss jetzt erstmal für mich Abschied nehmen – es ist ein wenig so wie das Ende einer intensiven Beziehung«, schmunzelt er. »Ich habe ihr die letzten Jahre viel gegeben, aber auch viel für und über mich gelernt«, sagt er mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Mittlerweile wurde der Deutsche Amateurtheaterpreis, den »Die Bühne« im Frühjahr dieses Jahres bekam, übergeben. Er ist mit 2000 Euro dotiert (UJ berichtete in Ausgabe 10, Seite 12).
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 16/2018 vom 16. Oktober 2018 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.