Feb 01, 2022
Biodrucker ebnen den Weg zum Mars
TU Dresden europaweit führend bei Anwendungen des 3-D-Bioprintings im Weltraum
S. W.
In den letzten Jahren hat eine ganze Reihe von spektakulären Weltraummissionen wie Landungen von Robotern auf dem Mars und auf der erdabgewandten Seite des Mondes stattgefunden, die eindrucksvoll demonstrieren, welche technischen Möglichkeiten inzwischen zur Verfügung stehen. Dies eröffnet neue Perspektiven für bemannte Missionen zunächst zum Mond (auf dem zuletzt 1972 Astronauten gelandet sind), später aber auch zum Mars. Um das Risiko für die Astronautinnen und Astronauten bei solchen sehr lange dauernden Expeditionen möglichst gering zu halten, forschen die internationalen Raumfahrtagenturen intensiv daran, von der Erde unabhängige Systeme zu entwickeln, die bei technischen, aber auch gesundheitlichen Problemen eingesetzt werden können. Während Crewmitglieder auf der Internationalen Raumstation ISS bei Eintreten eines Notfalls immer sehr kurzfristig auf die Erde zurückkehren können, ist dies bei einer Marsmission aus verschiedenen Gründen, wie der Bahnmechanik oder den verfügbaren Ressourcen, ausgeschlossen.
Eine zentrale Rolle bei solchen Notfallsystemen spielen die additiven Herstellungsverfahren, oft vereinfachend als 3-D-Druck bezeichnet. Im technischen Bereich lassen sich damit einerseits große Strukturen unter Nutzung der vorgefundenen Ressourcen erzeugen und andererseits schnell und flexibel Ersatzteile für Raumschiff oder Bodenfahrzeuge herstellen. Aber auch beim Auftreten ernsthafter gesundheitlicher Probleme, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Verletzung, kann der 3-D-Druck helfen. Hier kommt das sogenannte »Bioprinting« ins Spiel, welches das dreidimensionale Drucken lebender Zellen zu gewebeartigen Konstrukten beschreibt. Das Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung – eine Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung von Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät der TU Dresden unter der Leitung von Prof. Michael Gelinsky – gehört zu den deutschlandweit führenden und auch international erfolgreichen Laboren auf dem Gebiet des Bioprintings.
Beauftragt und finanziert durch die Europäische Weltraumagentur ESA und zusammen mit dem Bremer Weltraumtechnologie-Konzern OHB hat das Zentrum 2018 begonnen, den möglichen Einsatz des Bioprintings bei Weltraummissionen zu untersuchen – ein damals völlig neues Thema. Neben der Herstellung von Ersatzgeweben, beispielsweise zur Behandlung von schweren Verletzungen der Haut oder komplexen Knochenbrüchen, können mit dem Bioprinting auch sehr definierte Gewebemodelle erzeugt werden, an denen beispielsweise auf der ISS der Einfluss der Weltraumbedingungen wie Schwerelosigkeit und kosmische Strahlung auf Zellen und Gewebe untersucht werden können. Um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diese Möglichkeit der lebenswissenschaftlichen Grundlagenforschung zu eröffnen und den Einsatz des Bioprintings in der Weltraummedizin weiter zu erforschen, hat die ESA inzwischen beschlossen, einen 3-D-Bioprinter für das Biolab im Columbusmodul der ISS zu bauen. Dieser soll dort ab 2025 für Experimente zu Verfügung stehen. Derweil hat die ESA das Bioprinting- Labor von Prof. Gelinsky und Dr. Anja Lode in Dresden zu einer »ESA Ground- Based Facility« erklärt, was europäischen Forschern die Möglichkeit gibt, unterstützt durch die ESA in Dresden vorbereitende Untersuchungen mit der dort vorhandenen, hervorragenden Ausstattung und beraten durch die Dresdner Experten durchzuführen.
Um diese Entwicklungen und Möglichkeiten auch international weiter bekanntzumachen, werden die ESA, die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die TU Dresden am 15. und 16. März 2022 in Dresden einen Workshop zum Thema »Bioprinting im Weltraum« veranstalten. Dieser soll dem Austausch zwischen Astronauten, Bioprinting-Experten und Fachleuten auf dem Gebiet lebenswissenschaftlicher Forschung im Weltraum dienen und Experimente anregen, welche zur Vorbereitung des Einsatzes der Bioprinting-Technologie auf der ISS notwendig sind.
Ein »In-situ-Hautdrucker« hat derweil schon den Weg auf die ISS gefunden: Ein vom DLR beauftragtes und von OHB gebautes Gerät, mit dem ein zellhaltiges Hydrogel zur Beschleunigung der Heilung direkt auf eine Wunde aufgebracht werden kann, wird von Matthias Maurer im Rahmen seines aktuellen, sechsmonatigen Aufenthalts auf der ISS mit Modellmaterialien getestet. Die zugehörige ESA-Weltraummission trägt den schönen Namen »Cosmic Kiss«. Prof. Gelinsky von der TUD ist als wissenschaftlicher Berater von der Erde aus mit dabei.
Weitere Informationen unter: tu-dresden.de/med/tfo/wbisdd22
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 2/2022 vom 1. Februar 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.