Dec 01, 2020
CeTI – Maschinen schaffen Kreativräume
Menschen in intelligenter Kleidung zeigen Robotern, was sie tun sollen
Magdalena Selbig
"Der Grundgedanke von CeTI besteht darin, einer Maschine etwas beizubringen statt sie zu programmieren. Roboter sollen lernen, indem sie adaptieren, was ihnen mittels intelligenter Kleidung gezeigt wird. Mensch und Maschine unterstützen sich gegenseitig! Diese Kooperation entlastet den Menschen bei repetitiven Aufgaben und eröffnet ihm innovative Denkräume. Für eine optimale Anwendung ist es dabei wichtig, die Latenz – also die Verzögerung von Reiz und Reaktion – der Echtzeit weitestgehend anzunähern." - Prof. Frank Fitzek.
Das Exzellenzcluster »CeTI – Centre for Tactile Internet with Human-inthe- Loop« ist Weiterentwicklung und Dach mehrerer Forschungsprojekte. Sprecher Prof. Frank Fitzek erklärt den Ursprung: »CeTI vereint die 5G-Forschung – bei der wir einen weltweiten Einfluss auf die 5G-Entwicklung im Bereich des Sprechens von Maschinen miteinander geschaffen haben – mit dem Bau humanoider Roboter, der 2017 für den Mobile World Congress startete und das Start-up ›Wandelbots‹ zur Folge hatte, wo inzwischen über 100 Leute arbeiten. Bei CeTI sollen Maschinen mit Menschen interagieren.« Als Kommunikationsschnittstelle dient intelligente Kleidung – Jacken, Hosen, Handschuhe. Mehr als 30 Roboter von CeTI lassen sich so steuern. Zum Feedback an den Menschen ist das Taktile Internet entscheidend, also das Spüren von digital übertragenen Berührungen. »Kollegen aus Psychologie und Neurowissenschaft erklären uns die Systematik haptischer Signale, die für den Menschen eine Rolle spielen. Mediziner verdeutlichen die Bewegungsabläufe, die ein Roboter imitieren muss. Für die Informatiker und Kommunikationstechniker geht es um Robotik und Netzabdeckung.« Übrig bleiben Fitzeks eigene Bereiche – Elektrotechnik und Maschinenbau: »Wir bauen Demonstratoren, die wir gemeinsam optimieren.« Der Eindruck authentischer Kommunikation wird von Latenzen gestört: Bildverzögerungen erscheinen noch tolerierbar, aber ein um drei Millisekunden verschobenes akustisches Signal ist bereits auffällig. Latenzen der Haptik machen sich in unter einer Millisekunde bemerkbar. In dieser Zeit legt das Licht nur 300 Kilometer zurück. Um Impulse über größere Entfernungen zu übertragen, nutzt das Cluster automatisierte Systeme in realen und virtuellen Welten: »Wir wollen das Taktile Internet global nutzen, aber reale Systeme funktionieren nicht für haptische Echtzeitkommunikation. Daher setzen wir virtuelle Räume oder Augmented Reality ein: Der Roboter steht so quasi vor Ihnen und Sie können ohne Verzögerung interagieren. Diese Daten lassen sich dann in Ruhe übertragen – etwa zu unseren Forschungspartnern von der TU München oder den Instituten von Fraunhofer, Leibniz und Max Planck aus dem DRESDEN-concept- Verbund.«
Dennoch klingt es wie Science-Fiction: »Stellen Sie sich vor, ein Schweißer zeigt einem Roboter, wo und wie er schweißen soll. Das ist schon Realität! Wandelbots setzt dafür Trace Pens ein«, berichtet Fitzek. »Wir werden zeitiger und schneller lernen, indem Aufgaben in kleinere Einheiten zerlegt und durch maschinelle Zuarbeit erleichtert werden. Intelligente Kleidung kann uns nicht sofort das Zehnfingerspiel am Klavier vermitteln, aber unsere Arme erst heftig und später schwächer führen, während sie zunehmend weniger Finger beim Spiel unterstützt.« Dieses »Internet der Fähigkeiten« ist einer von drei Forschungsbereichen des Clusters. Ein zweiter ist die Medizin: Intelligente Kleidung kann der Rehabilitation oder der Mobilität älterer Menschen dienen. Roboter können Operateure unterstützen und Hilfskräfte ersetzen, wodurch potenzielle Keime reduziert werden. Schließlich bleibt die Industrie 4.0: »Robotergefertigte Produkte unterscheiden sich nicht grundlegend, weil das Umprogrammieren eines Roboters sein Sechsfaches kosten kann.« Fitzek betont, dass Roboter für kleine Losgrößen kostengünstig und schnell lernen müssen. Statt des Umwegs über Programmierer soll die Maschine durch künstliche Intelligenz das Vorgehen erlernen. Die Kommunikation erfolgt auf der Grundlage des Taktilen Internets. Fitzek tilgt die Sorge um Arbeitsplätze: »Im Wiederholen sind Maschinen uns ohnehin überlegen. Die Aufgabe des Menschen ist es, mit Innovationen die Arbeit zu verbessern.« Laut Fitzek braucht es dafür ein Umdenken in der schulischen Bildung: »Schüler müssen mit kreativen Fächern und problembasiertem Lernen wieder freies Denken entwickeln. CeTI stellt mit seinen Robotern solche Lernerfahrung an Schulen vor und vereint Maschinen mit Gemeinwohl. «
Auch im CeTI-Team liegt das Hauptaugenmerk auf Kreativität und Interaktion. »Der Austausch der Fachbereiche über ihre hochspezifischen Inhalte ist Fundament des Clusters. Dadurch sind bereits fünf Start-ups entstanden. Ideen für neuartige Technologien folgen auf so hohem Niveau dann automatisch. Das jetzige Internet schafft nicht das, was wir uns ausdenken. Deshalb entwickeln wir neue informationstheoretische Ansätze für zukünftige Kommunikationsnetze «, fasst Fitzek zusammen. Um den Austausch zu forcieren, hat CeTI ein Buch über das Taktile Internet verfasst, das alle zwei Jahre aktualisiert werden soll und ab Januar 2021 erhältlich ist. Der Ausblick ist vielversprechend: »Vier von sechs Professuren starten im Januar. Drei weitere hat uns das Rektorat hinzugestellt. Die Universität unterstützt uns gut.« Die Ziele für den zweiten Antrag 2026 beinhalten laut Fitzek eine Professur in Materialforschung, um die intelligente Kleidung weiterzuentwickeln, Forschung in der Quantenkommunikation, um die Latenzen besser zu steuern, und das Feld »social effective touch«, das weitere Erkenntnisse unserer Reaktion auf Berührungen liefern soll. Fitzek schließt: »Wenn wir am Ende zehn Start-ups haben, geben wir der Gesellschaft etwas wieder. Wir investieren so in moderne Anwendungen in unserer Region.«
Weitere Informationen: https://ceti.one/
An der TU Dresden werden drei Exzellenzcluster gefördert – eine erste Zwischenbilanz
Es war Anfang November 2019, als an der TU Dresden zum dritten Mal die Exzellenzförderung des Bundes startete, nachdem sie im Juli zum zweiten Mal Exzellenzuniversität geworden war. Bis 2026 erhält die TUD nun Gelder, um über 40 Maßnahmen umzusetzen, die die Weiterentwicklung der gesamten Universität gewährleisten. Um diesen Status der Exzellenzuniversität zu erlangen, mussten die Bewerber mehrere Bedingungen erfüllen: zum einen ein dezidiertes Konzept für besagte Weiterentwicklung vorlegen, zum anderen den Zuschlag für die Förderung von mindestens zwei Exzellenzclustern erhalten. Von den sechs Forschungsclustern, die sich 2018 dafür bewarben, gewannen im Januar 2019 ganze drei! Sie erhalten jährliche Ausschüttungen für ihre Forschung und sind die Voraussetzung dafür, dass die TUD bei Vorhaben zur Optimierung ihrer Infrastruktur, Lehrangeboten und Service-Leistungen gefördert wird. Spitzenforschung findet seitdem in interdisziplinären Projekten der Elektrotechnik (CeTI), der Physik (ct.qmat) und der Biologie (PoL) statt. Ein Jahr nach Beginn der Exzellenzförderung für die TUD und fast zwei Jahre nach Förderungsbeginn der Exzellenzcluster ziehen deren Sprecher – die Professoren Frank Fitzek, Matthias Vojta und Stephan Grill – ein Resümee und erläutern ihre Forschung.
Magdalena Selbig
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 19/2020 vom 1. Dezember 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.