19.01.2021
Das Urheberrecht auf den neuesten Stand bringen
6. binationales Seminar zwischen der TU Dresden und der Karls-Universität Prag beschäftigt sich mit der sogenannten DSM-Richtlinie
David Linke (IRGET)
Mit »Draft« ist hier nicht die übliche Einberufung von Profisportler:innen in ihre Mannschaft wie in der NHL, der MLB oder der NBA gemeint, sondern es ist von den Umsetzungsentwürfen für die Digital Single Market-Richtlinie (EU) 2019/790, kurz DSM-Richtline, die Rede.
Ziel der Richtlinie sei es einerseits die bestehenden Urheberrechtsbestimmungen auf den neuesten Stand der technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zu bringen und andererseits das Urheberrecht in diesem Bereich zu harmonisieren, leitete Prof. Lauber-Rönsberg das Seminar ein. Trotz dieser positiven Zielsetzung hatte die Richtlinie bereits im Vorfeld für negative mediale Aufregung gesorgt, da »Upload-Filter«, »Value Gaps«, »Overblocking« und »Chilling Effects « zu vielen Protesten in Deutschland und in der EU geführt haben. Trotz aller Gegenwehr muss die DSM-Richtlinie bis Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden, so dass der Ball – um in der Sportmetapher zu bleiben – nunmehr bei den nationalen Gesetzgebern liegt. Nur einige Mitgliedsstaaten haben bislang Entwürfe veröffentlicht und glücklicherweise gehören Deutschland und die Tschechische Republik dazu. Welche Regelungen final in die jeweiligen Urheberrechtsgesetze aufgenommen werden und ob diese sich bewähren werden, bleibt abzuwarten, die Ausgangslage zeigt aber eine durchaus unsichere Rechtslage. Deshalb haben das Institut für Internationales Recht, Geistiges Eigentum und Technikrecht (IRGET) der TU Dresden und die Karls-Universität Prag diese Situation am 1. Dezember 2020 zum Anlass genommen, die Umsetzungsentwürfe Deutschlands und der Tschechischen Republik im Rahmen des 6. binationalen Seminars rechtsvergleichend online zu diskutieren.
In dem ersten Vortrag ging Helena Kowalewska Jahromi aus deutscher Perspektive in ihrem Vortrag: »Avoiding ›Upload-Filters‹ – Implementation of Art. 17 DSM Directive in Germany« der Frage nach, wie Upload-Filter effektiv verhindert werden können. Hierfür stellte sie mehrere Lösungsansätze aus dem aktuellen Referentenentwurf des BMJV vor. Dieser sieht Ausnahmen für automatisch überprüfbare kleine Teile von Werken oder Werken geringen Umfangs, erweiterte kollektive Lizenzierung sowie ein sogenanntes »Preflagging « zur Kennzeichnung erlaubter Nutzungen vor. Die tschechische Sichtweise wurde von Dr. Matej Myska und Ondřej Woznica in ihrem Vortrag: »Implementation of the Art. 17 DSM Directive – the Czech solution« vorgestellt. Anders als der deutsche Ansatz verfolgt die tschechische Lösung eine wortlautgetreue Umsetzung des Richtlinientextes in das tschechische Urheberrecht. Vergleichbare Schwierigkeiten ergeben sich dennoch in der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Interessen von Plattformen, den Nutzern und den Rechteinhabern. Neben der Frage, wie die Richtlinie in das jeweilige nationale Recht implementiert werden kann, ist zudem fraglich, wie etwaige Rechte durchgesetzt werden können.
Das zweite Panel wurde von Kristina Ditte zu dem Thema »Reproductions of Works of Visual Art in the Public Domain in German Copyright Law« eröffnet. Vor dem Hintergrund der Schutzfähigkeit von Fotografien von gemeinfreien Werken ging sie zunächst auf die kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Dezember 2018 zu Museumsfotos ein (Az. I ZR 104/17). Der Gerichtshof urteilte, dass Fotografien von gemeinfreien Kunstwerken oder anderen zweidimensionalen Werken als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt sein können, da jedenfalls ein Mindestmaß an persönlicher Leistung für solche Reproduktionsfotos erforderlich sei. Die Entscheidung des Gerichtshofs steht indes im Widerspruch zu Art. 14 DSM-Richtlinie, welcher den Schutz von Vervielfältigungen von gemeinfreien visuellen Werken ausschließt. Für die Umsetzung von Art. 14 DSM-Richtlinie in das deutsche Recht ergeben sich ferner eine Reihe von Unsicherheiten hinsichtlich des sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs der Norm. Unklar ist vor allem das Schicksal von bereits entstandenen Schutzrechten, welche mit dem Inkrafttreten der DSM-Richtlinie oder dem Eintritt der Gemeinfreiheit des reproduzierten Werks nun erlöschen müssten. Den Abschluss bildete der Vortrag von Petra Žikovská zu dem Thema: »Artists provisions – Intentions and Result«. Den Schwerpunkt bildeten die Art. 18 ff. DSM-Richtlinie zur fairen Vergütung von Urhebern und ausübenden Künstlern. Hintergrund ist die Rolle der Künstler in der digitalen Welt, die zunehmend schwächer wird. Es hat sich gezeigt, dass auch diese Regelungen Raum für Unsicherheiten lassen, denn was mit einer dort geforderten »angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung « gemeint ist, bleibt unklar.
Im Anschluss an die jeweiligen Panels gab es angeregte Diskussionen unter den über 50 Teilnehmer:innen über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Umsetzungsmaßnahmen. Es hat sich gezeigt, dass Deutschland und die Tschechische Republik teilweise sehr unterschiedliche Wege in der Umsetzung gehen und dass das Ziel der Harmonisierung nur schwer umgesetzt werden kann. Wie umstritten die neue Richtlinie wirklich ist, zeigt schließlich ein Blick nach Polen, wo die polnische Regierung im Mai 2019 Klage gegen die DSM-Richtline, insb. gegen Art. 17, erhoben hat. Eine Stellungnahme des Generalanwalts wird für Ende April 2021 erwartet, so dass nur knapp sechs Wochen bis zur Umsetzung der Richtlinie verbleiben. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes wird höchstwahrscheinlich erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist ergehen.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 01/2021 vom 19. Januar 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.