20.09.2022
Die Information aus Molekülen messen
Der mit einem Best Student Paper Award ausgezeichnete TUD-Promovend Pit Hofmann erklärt die molekulare Kommunikation
Telefone kommunizieren über elektromagnetische Wellen. In sensiblen Umgebungen wie etwa Chemiewerken kann das allerdings zu Explosionen führen. Unter Wasser wird elektromagnetische Informationsübertragung besonders fehleranfällig oder fällt aus. Für den Datentransfer in solchen Räumen erforscht der Deutsche Telekom Lehrstuhl für Kommunikationsnetze an der TUD die molekulare Kommunikation. Teammitglied Pit Hofmann wurde für sein Paper »Testbed-based Receiver Optimization for SISO Molecular Communication Channels« aus diesem Forschungszweig auf der Konferenz BalkanCom 2022 mit dem Best Student Paper Award ausgezeichnet. Das UJ sprach mit ihm zu seiner wissenschaftlichen Arbeit.
UJ: Pit Hofmann, wie funktioniert die molekulare Kommunikation und wo wird sie eingesetzt?
Hofmann: Hier begeben wir uns in den Bereich des »Internet of Bio-Nano Things« – ein Nachfolger des Internet of Things, bei dem die Kommunikation im Nanomaßstab mithilfe von Molekülen oder kleinsten Teilchen stattfindet. Nahezu jedes Molekül kann auf Grundlage verschiedener Modulationstechniken Informationen von A nach B schicken. In unserem Paper haben wir auf Alkohol beziehungsweise Ethanol zurückgegriffen, denn es lässt sich beispielsweise verwässern. Stellen Sie sich ein Boot vor, das über einem U-Boot schwimmt: Manche Moleküle sinken nach unten zum U-Boot und andere sind leichter als Wasser – die steigen zum Boot auf. Diese Form der Kommunikation ist langsamer als elektromagnetische Kommunikation, aber die Lösung für Umgebungen, in denen Übertragungen sonst unmöglich wären – beispielsweise in Organismen oder beim Umweltmonitoring. Vorteile der molekularen Kommunikation sind unter anderem die Biokompatibilität oder der geringere Energiebedarf durch das Fehlen von ressourcenfordernden Antennen. Wir forschen am Lehrstuhl zusammen mit dem TUD-Exzellenzcluster CeTI an den Kommunikationssystemen. Dabei stellen wir uns auch der Frage, wie wir Kommunikationssysteme der Zukunft so effizient, zuverlässig und fehlerfrei wie möglich gestalten können.
Welche Neuerung an der molekularen Kommunikation haben Sie mit Ihrem Paper zutage gebracht, für das Sie ausgezeichnet wurden?
Simulationen zeigten, dass es einen optimalen Grenzwert für die Detektion gibt, bei der die wenigsten Übertragungsfehler entstehen – die niedrigste Bit-Error-Rate. Je nach Modulationstechnik und Kommunikationssystem haben die Moleküle ein anderes Optimum. Im Paper konnten wir anhand eines realen Prüfstands nachweisen, dass dieses Optimum in der Praxis funktioniert. Zusätzlich entwickelten wir einen selbstoptimierenden Algorithmus. Erinnern Sie sich an die Funktion-(x²), die wie ein Berg aussieht? Nutzen wir zu wenig Moleküle, erreichen wir den Gipfel nicht, aber mit zu vielen Molekülen gelingt es auch nicht. Unser Algorithmus errechnet den Grenzwert und passt das Testfeld so lange an, bis die wenigsten Fehler bei der Übertragung entstehen. Als Kanal für die Testumgebung wählten wir Luft, also den freien Raum. Unser Sender (Aktuator) ist eine Art feine Spraydose. Durch einen Minicomputer aktiviert der Algorithmus die Sprühvorrichtung und Alkoholmoleküle strömen aus. Gegenüber misst er via Sensor die empfangenen Alkoholmoleküle bis zur optimalen Konzentration. So können wir mit geringsten Informationsverlusten durch Moleküle kommunizieren.
Wie kamen Sie zu Ihrem Forschungsfeld und was fasziniert Sie daran?
Mein Studium war ursprünglich nicht die Elektro- und Informationstechnik. Dort gab es aber die Vorlesung »ComNets-3« zu neuen Forschungsrichtungen, bei der die molekulare Kommunikation vorgestellt wurde. Am Deutsche Telekom Lehrstuhl für Kommunikationsnetze hatte ich die Möglichkeit, mich weiter damit zu befassen und arbeite nun auch eng mit dem Exzellenzcluster CeTI zusammen. Das Zusammenspiel von molekularer und Quantenkommunikation hat großes Potenzial und ist ein entscheidender wie auch nachhaltiger Schritt in die schnelle und zuverlässige Kommunikation der Zukunft.
Die Fragen stellte Magdalena Selbig
Die fünfte BalkanCom-Konferenz fand vom 22. bis 24. August in Sarajevo statt. Unter dem Thema »Era of Machine Intelligence in Communiation« brachte der IEEE-Ableger die weltweite Forschung und Industrie in der Region zusammen.
In der Kategorie Best Student Paper Award setzte sich Pit Hofmann mit seinem Paper durch.
Weitere Informationen unter: https://www.balkancom.info/2022/
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 14/2022 vom 20. September 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.