28.06.2022
Ein Gefühl dafür bekommen, wie das Arbeitsleben läuft
Freiwilliges Ökologisches Jahr kann jungen Menschen genauere berufliche Orientierung geben
Beate Diederichs
Seit rund zehn Jahren bietet der Lehrstuhl für Biodiversität und Naturschutz der TUD, der sich auf dem Tharandter Campus befindet, Stellen für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) an. Er kooperiert mit weiteren Tharandter Lehrstühlen, um den Freiwilligen vielfältigeres Arbeiten zu ermöglichen. Diese möchten in dem Jahr Orientierung für ihr zukünftiges Studium erhalten, in die Arbeitswelt hineinschnuppern oder einfach Zeit bis zum nächsten beruflichen Schritt überbrücken.
Eine ungefähre Idee ist schon da, aber die Feinjustierung fehlt. Der Wunsch nach genauerer beruflicher Orientierung ist es, der viele junge Leute antreibt, sich für einen Freiwilligendienst, also vor allem ein Freiwilliges Soziales oder Freiwilliges Ökologisches Jahr, zu interessieren. Diejenigen unter ihnen, die sich für das Freiwillige Ökologische Jahr der TUD in Tharandt bewerben, sind da keine Ausnahme. Cornelius Pretzsch, der vor einigen Wochen das Vorstellungsgespräch am betreffenden Lehrstuhl absolviert hat und im Sommer sein Abitur machen wird, berichtet: »Mein Lieblingsfach in der Oberstufe ist Biologie. Auch in der Freizeit gehe ich meinem Interesse für die Natur nach. So ist es eigentlich klar, dass ich etwas in dieser Fachrichtung studieren werde. Allerdings habe ich noch keine klare Vorstellung davon, wie man in einem solchen Forschungsfeld überhaupt arbeitet, wie sich das Verhältnis von Theorie und Praxis gestaltet und besonders, ob dieses potenzielle Arbeitsumfeld meinen Vorstellungen entspricht.« Der 18-Jährige hatte das Glück, dass ihn sein Biologielehrer darauf hinwies, dass es neben dem bekannteren Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) noch die ökologische Variante gibt, wo man sich mit Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz, Biodiversität und ähnlichen Themen beschäftigen kann. Bei seiner weiteren Recherche fand Cornelius Pretzsch die Seite »foej.de« und dort die Beschreibung der Einsatzstelle am Lehrstuhl für Biodiversität und Naturschutz der TUD. »Beim Lesen bemerkte ich, dass ich hier sehr wahrscheinlich auf meine Fragen Antworten bekommen werde. Mich erwartet in dem FÖJ in Tharandt ein Mix aus Unterstützung bei allgemeinen Büroarbeiten des Lehrstuhls und Hilfe bei Geländearbeiten und verschiedenen Labortätigkeiten, von denen ich mir ab September viele aufschlussreiche Eindrücke verspreche«, betont der Schüler. Mittlerweile weiß er, dass die Stelle in Tharandt an eine andere Bewerberin vergeben wurde. Doch der Träger des FÖJ hat ihm ein Alternativangebot gemacht, auf das er jetzt hofft.
Inga Frehse hat die Vorstellungsgespräche mit Cornelius und weiteren Interessenten geführt. Sie arbeitet seit 1996 als Technische Angestellte am Lehrstuhl für Biodiversität und Naturschutz und ist dort unter anderem die Ansprechpartnerin für das FÖJ. In rund zehn Jahren hat sie so zahlreiche junge Leute dabei begleitet, erste Erfahrungen im Berufsalltag zu machen. »Unser Institut bestand früher aus zwei Lehrstühlen, die sich gewissermaßen einen FÖJler geteilt haben. Nachdem einer der beiden Lehrstühle geschlossen wurde, suchten wir die Kooperation mit anderen Lehrstühlen, um den FÖJlern vielfältigere Tätigkeiten zu ermöglichen und keine Leerlaufzeiten für sie entstehen zu lassen. Der FÖJler wird dann nach Bedarf an den entsprechenden Lehrstühlen eingesetzt«, schildert die Koordinatorin den Hintergrund. Insgesamt waren seit 2012 acht junge Menschen im FÖJ am Lehrstuhl beschäftigt. Die Freiwilligen erledigen – wie gesagt – eine große Bandbreite an Aufgaben: bereiten Pflanzenmaterial mechanisch auf, dokumentieren Daten zu Pflanzen und Tieren und werten sie aus, arbeiten an der frischen Luft, unter anderem beim Buchenwaldprojekt und auf dem immisionsökologischen Prüffeld, bearbeiten Bodenproben im Labor, analysieren Jahresringe bei Nadelbäumen, recherchieren … . »Sie sind vor allem dort eine große Unterstützung für den Lehrstuhl, wo Tätigkeiten anfallen, die man auch als Fleißarbeiten bezeichnen kann: So haben sie zum Beispiel tatkräftig mit ein- und ausgeräumt, als unser Lehrstuhl neu möbliert wurde. Auch wenn es ums Befüllen von Tabellen oder die Arbeit im Freiland geht, leisten sie wertvolle Unterstützung«, sagt Inga Frehse. Jeder FÖJler und jede FÖJlerin übernehmen zudem eigene Projekte, wie Auswertung von Bodenproben, Ordnen der Kartensammlung am Lehrstuhl, Mitarbeit beim Aufbau einer Literaturdatenbank oder Volumenberechnung von Bäumen. Auch fachtheoretisch profitieren sie, denn sie dürfen an Exkursionen, Verteidigungen von Abschlussarbeiten oder einzelnen Lehrveranstaltungen teilnehmen. Das, was sich Cornelius Pretzsch von dem FÖJ verspricht, hält dieses in der Regel, meint Inga Frehse. Egal ob die jungen Leute sich dazu orientieren wollen, welche Studienrichtung geeignet für sie ist, Einblick in den beruflichen Alltag an einer Forschungseinrichtung wünschen oder einfach ein Jahr überbrücken wollen – die rund zwölf Monate sind auf jeden Fall lehrreich: »Das Arbeiten im Team und die teils eigenverantwortliche Bearbeitung von Aufgaben geben den FÖJlern ein Gefühl dafür, wie das Arbeitsleben so läuft. Zudem können sie sich bei uns mit jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern austauschen, die an den Projekten mitarbeiten. Diese haben oft selbst erst ihr Studium beendet und können den Studieninteressierten aus erster Hand darüber berichten«, erläutert Inga Frehse.
Auch der Austausch mit anderen FÖJlern kommt nicht zu kurz. Dies ermöglicht der Träger, die Grüne Aktion Sachsen. Dort müssen sich Interessierte zunächst erkundigen, ob für das gewünschte Einsatzjahr überhaupt Dienst-Kontingente vorhanden sind. Erst danach können sie ihre Bewerbung für die entsprechende Einsatzstelle einreichen und einen Probearbeitstag absolvieren. Danach begleitet die Grüne Aktion die jungen Erwachsenen vom ersten Tag des Dienstes an. Sie organisiert 25 Seminartage für sie, die übers Jahr verteilt sind. »Von dort kommen die Freiwilligen immer beglückt zurück, weil sie gemeinsame Zeit mit ihresgleichen in einer Jugendherberge oder auf einem Zeltplatz verbringen konnten und auch gefordert werden, was fachliches Wissen und Selbstorganisation angeht – sie müssen die Seminare teilweise selber moderieren oder Vorträge zu bestimmten Themen halten«, sagt Inga Frehse. Zweimal jährlich besucht jemand von der Grünen Aktion die Einsatzstelle, in dem Fall den Lehrstuhl, schaut, was die FÖJler dort zu tun haben und ob sie sich wohlfühlen. Auch diejenigen, die wie Inga Frehse für die Freiwilligen verantwortlich sind, werden mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen: In jedem Frühjahr gibt es eine Weiterbildung, bei der sie lernen, wie man die Motivation der jungen Leute fördert, welche Versicherungsfragen zu beachten sind oder was man beim Gesundheitsschutz berücksichtigen sollte. »Diese Treffen empfinde ich stets als sehr bereichernd – nicht nur wegen der interessanten Themen, sondern weil man sich da mit anderen Verantwortlichen vernetzen kann und es einem immer wieder klar wird: Wir als Anbieter des FÖJ haben einen Bildungsauftrag, dem wir gerecht werden müssen. Diese Veranstaltungen helfen uns dabei«, lobt Inga Frehse.
Diese Artikel sind im Dresdner Universitätsjournal 12/2022 vom 28. Juni 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.