02.02.2021
Geglückter Countdown für die Wissenschaft
Jacqueline Duwe/UJ
Am 24. Januar 2021, 16 Uhr mitteleuropäischer Zeit, startete in Cape Canaveral eine amerikanische SpaceX-Falcon-9-Rakete. Mit an Bord waren mehrere wissenschaftliche Experimente des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden auf dem eigens dafür entwickelten Nanosatelliten SOMP2b. Mit ihm werden neue Nanomaterialien unter den extremen Bedingungen des Weltraumes untersucht, Systeme zur Umwandlung der Sonnenwärme in elektrischen Strom getestet und die Restatmosphäre um den Satelliten exakt vermessen. Etwas mehr als eine Stunde nach dem Start wurde SOMP2b in rund 530 Kilometer Höhe ausgeschossen. In einem speziellen polaren, sonnensynchronen Orbit umkreist er die Erde, überfliegt immer zur ungefähr gleichen Tageszeit die Bodenstation der TU Dresden und sendet Messdaten.
SOMP2b ist ein Folgesatellit von SOMP2, einem Nano-Satelliten, den Studierende, Doktoranden und Wissenschaftler der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden gemeinsam entwickelten. »SOMP2b« steht dabei für »Student On-Orbit Measurement Project Number 2b«. Er ist 20 x 10 x 10 Zentimeter groß und wiegt etwas weniger als zwei Kilogramm. SOMP2b umrundet die Erde so schnell, dass er 16-mal am Tag einen Sonnenauf- und Sonnenuntergang sieht. Dies wird begleitet von extremen Temperaturwechseln und ist besonders herausfordernd für Material und Elektronik. Die Teilchenstrahlung aus dem Weltraum, niedrige Drücke sowie die restlichen Partikel in der Atmosphäre, die SOMP2b mit hohen Geschwindigkeiten umgeben, beanspruchen den Nanosatelliten zusätzlich.
Hier setzt die Wissenschaft an: »Wir wollen unter diesen extremen Bedingungen im Weltall neue Nanomaterialien testen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden uns helfen, die Materialeigenschaften besser zu verstehen und sollen zukünftig in neue Anwendungen fließen. Wir entwickeln neuartige Schutzfolien gegen elektromagnetische Strahlung in Kraftfahrzeugen oder der Medizintechnik«, erläutert Dr. Tino Schmiel, der das Forschungsfeld Satellitensysteme und Weltraumwissenschaften am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik leitet. Weiterhin versuchen die Wissenschaftler, mehr elektrische Energie im Nanosatelliten bereitzustellen. Der ständige Temperaturwechsel soll genutzt werden, um mittels thermoelektrischer Materialien auch in der Schattenphase ohne Sonne elektrische Energie zu erzeugen. »Solche thermoelektrischen Materialien sind auch für irdische Anwendungen interessant: prinzipiell überall dort, wo Abwärme ungenutzt verloren geht«, so Schmiel weiter.
Wie bei mehreren Vorgängermissionen des Instituts ist der neue Satellit wieder mit dem kleinen Sensorsystem FIPEXnano ausgestattet, welches bei mindestens 600°C die restlichen Sauerstoffmoleküle im Weltraum in der sogenannten Thermosphäre misst. In dieser Zone, die sich in 80 bis 600 Kilometer Höhe befindet, treten Gastemperaturen von 1000 Grad auf. Bisher ist zu wenig über die Dynamik der Zusammensetzung dieser Atmosphärenschicht bekannt. FIPEXnano leistet somit einen wichtigen Beitrag für die Atmosphären- und Klimamodellierung.
Das Risiko ist hoch, denn SOMP2b ist auch ein Experimentalsatellit. »Wir testen eine völlig neuartige Bauweise«, erklärt Tino Schmiel, »Wir haben nahezu alle Funktionen eines Satelliten so miniaturisiert, dass diese in nur einer Seitenwand Platz finden. Dies schafft Platz für mehr wissenschaftliche Experimente.« Das Besondere dabei: Die Seitenwände sind baugleich und können sich im Fehlerfall in ihren Funktionen gegenseitig ergänzen. Das ist ein neuer Weg. Die Wissenschaftler erhöhen damit die Funktionssicherheit durch eine Art miniaturisierte Redundanz, welche im Orbit getestet werden muss.
SOMP2b ist auch ein vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) finanziertes Ausbildungsprojekt. In die Entwicklung des Satelliten und der wissenschaftlichen Experimente wurden viele Studierende eingespannt. »Sie standen dabei vor großen Herausforderungen. Die Systeme müssen im sehr rauen Weltraum funktionieren und den Start überleben. Man kann nicht hinterherfliegen und nachjustieren. Nur so können wir praxisnah Studierende ausbilden«, schwärmt Prof. Martin Tajmar, Direktor des Institutes für Luft- und Raumfahrttechnik.
Die damit verbundenen Forschungsprojekte wurden durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), die Europäische Weltraumorganisation (ESA), die EU und die Industrie finanziert.