02.11.2021
»Medical Informatics Hub in Saxony« als regionaler Knotenpunkt
»MiHUBx« bildet digitales Ökosystem, um die medizinische Forschung, Diagnostik und Therapie in Sachsen zu stärken
Dr. Claudia Silvia Heine
Am 1. September nahm der »Medical Informatics Hub in Saxony – MiHUBx« als einer von sechs regionalen Knotenpunkten digitaler Medizininfrastruktur in Deutschland seine Arbeit auf. Gefördert wird er vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das für diese Leitinitiative seiner Digitalstrategie bis 2025 insgesamt rund 50 Millionen Euro zur Verfügung stellt, von denen 11,2 Millionen auf MiHUBx entfallen.
Aufgabe der Fortschritthubs ist es, die wegbereitende Arbeit der Medizininformatik-Initiative zur Digitalisierung in der Medizin aus den Unikliniken heraus – vorerst in großangelegten Pilotprojekten – in alle Bereiche des Gesundheitssystems zu integrieren: von der ambulanten Versorgung in der örtlichen Hausarztpraxis über den stationären Aufenthalt im regionalen Krankenhaus bis zur Versorgung in angeschlossenen Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen. Eingebunden werden sollen neben Akteuren der medizinischen Forschung und Versorgung auch Krankenkassen, Patientenvertretungen und einschlägige Unternehmen. In Sachsen wirken hierfür die TUD und das Universitätsklinikum Dresden, die TU und das Klinikum Chemnitz sowie die Hochschule Mittweida eng zusammen. Drei konkrete Anwendungsfälle stehen im Fokus: diabetische Augenerkrankungen, das Pandemie-Management und die personalisierte Krebsmedizin.
Im Hinblick auf die Erkennung und Behandlung von diabetischen Augenerkrankungen setzt MiHUBx am Kern des Problems an: Ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierendes, vom jeweiligen Arztpraxisprogramm unabhängiges Entscheidungsunterstützungssystem soll den behandelnden Spezialisten assistieren, damit etwa Arbeits- und Zeitaufwände verringern und somit dem antagonistischen Widerspruch zwischen der steigenden Altersentwicklung und der Zunahme diabetischer Augenerkrankungen einerseits sowie dem Mangel an Fachärzten für Augenheilkunde – namentlich in ländlichen Regionen – andererseits entgegenwirken.
Gut gewappnet sein für künftige Pandemien
Die Versorgungsplanung der Krankenhäuser im Falle von schweren Gesundheitskrisen wie der COVID-19-Pandemie bedarf einer zielgerichteten, zeitaktuellen und überregionalen, ja bundesweiten Vorhersage des Erkrankungsgeschehens, der Bettenauslastung und der Behandlungskapazitäten in Kliniken mit besonderem Augenmerk auf die Intensivmedizin. Das in Sachsen hierfür angewandte Planungs-Unterstützungssystem DISPENSE wird im Rahmen von MiHUBx fortentwickelt und zugleich mit Daten wie Anwendungen aus dem Medizininformatik-Konsortium MIRACUM vernetzt. Angestrebt wird, für die zukünftige Pandemiebekämpfung gut gewappnet zu sein, eine zügigere Patientenzuordnung zu ermöglichen, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu Infektionsverläufen und zur Ausbreitung von Krankheitserregern zu sammeln.
Die personalisierte Krebsmedizin hat sich nicht nur die Unterstützung von Medizinern durch digitale Vernetzung und Datenaustausch, sondern auch die Selbstermächtigung von Patientinnen und Patienten auf die Fahne geschrieben und steht damit ganz im Zeichen des verstärkten Austauschs zwischen allen Beteiligten: den niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten, den Spezialistinnen und Spezialisten am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und den Betroffenen selbst, die etwa mittels einer App aktiv am Behandlungsverlauf partizipieren und als Partner der Fachleute ihren Weg durch die Erkrankung und deren Therapie selbst mitgestalten. Als weiteres Ziel innerhalb des Anwendungsfalls wird die schnelle und umfassende Dokumentation spezieller Patientinnen und Patienten verfolgt, die eine breite molekulare Testung erhalten haben: Im Fokus steht hier die Unterstützung der Entwicklung und Beurteilung neuartiger Biomarker – jener charakteristischen biologischen Merkmale, mit deren Hilfe sich Krebserkrankungen klarer klassifizieren und Therapieansätze noch passgenauer auf den einzelnen Menschen zuschneiden lassen. Somit sollen auch Diagnosestellungen und Behandlungsansätze innerhalb der Onkologie im Zuge des MiHUBx-Projektes weiter professionalisiert und vorangebracht werden.
Möglichkeiten von morgen aus heutigen Erfahrungen
Bei all jenen Vorhaben, dies betont Prof. Martin Sedlmayr, Direktor des Zentrums für Medizinische Informatik der Hochschulmedizin Dresden und Verbundkoordinator des Fortschrittshubs, steht die Kommunikation im Vordergrund: »Möglichkeiten von morgen ergeben sich aus der Diskussion der Erfahrungen von heute. Wir wollen einen digitalen Raum schaffen, der wachstumsfähig ist und es allen Beteiligten ermöglicht, zielgerichtet miteinander zu kommunizieren. Leider wird die Kommunikation – der Datenaustausch – häufig durch technische Hürden und Regularien erschwert. Unser Hub erleichtert diese Kommunikation, in dem er Daten strukturierter, kontinuierlicher und umfassender als bisher zur Verfügung stellt.«
Dementsprechend gilt es, in den nächsten Jahren einen digitalen Raum in Sachsen entstehen zu lassen, der Patientinnen und Patienten von modernen und zielgerichteten Therapien profitieren lässt und einbindet, Forschern namentlich bei komplexen Krankheitsbildern schnellen Zugang zu notwendigen Daten für ihre Studien ermöglicht, Medizinerinnen und Medizinern fundierte Entscheidungshilfen bei komplexen therapeutischen Fragestellungen anbietet und somit essentiell dazu beitragen wird, die Digitalisierung in der Medizin und demgemäß die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Freistaats auf diesem so entscheidenden Sektor voranzutreiben.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 17/2021 vom 2. November 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.