Feb 15, 2022
Mit Terahertz das Innere der Zelle ergründen
Gemeinsame Forschungsgruppe des Exzellenzclusters PoL und des HZDR will Biomoleküle entschlüsseln
Kim-Astrid Magister
Dr. Ellen Adams leitet seit Kurzem die DRESDEN-concept-Forschungsgruppe für Physikalische Chemie Biomolekularer Kondensate. Ihre Tenure-Track-Stelle mit Aussicht auf eine Professur wird gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und vom Exzellenzcluster Physics of Life (PoL) an der TU Dresden getragen. Ziel ist es, mittels neuester Terahertz-Technologien biophysikalische Prozesse von Grenzflächen – sogenannten membranlosen Kondensaten – im Zellinnern zu entschlüsseln, die beispielsweise eine Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen spielen.
Um die physikalischen Prozesse, die der Organisation des Lebens in Molekülen, Zellen und Geweben zugrunde liegen, detailliert zu beschreiben, braucht es neben einer hervorragenden Infrastruktur und Interdisziplinarität vor allem auch international ausgewiesene Spitzenforscher. All dies hat Dresden mit der Technischen Universität, dem HZDR und weiteren Partnern im Netzwerk DRESDEN-concept zu bieten.
Mit an Bord ist künftig auch Dr. Ellen Adams, die seit Dezember 2021 mit ihrer neuen gemeinsamen Forschungsgruppe zu biomolekularen Kondensaten am Exzellenzcluster Physics of Life (PoL) der TU Dresden und am HZDR tief in Zellen hineinsehen wird, um zu verstehen, wie diese im Detail aufgebaut sind und sich auf der Ebene von Atomen und Molekülen verhalten. Dr. Adams promovierte 2016 in Physikalischer Chemie an der Ohio State University, USA. Anschließend forschte sie als Postdoc an der KTH Royal Institute of Technology, Stockholm, Schweden, und an der Ruhr- Universität Bochum, wo sie erstmals die Hydratationseigenschaften von biomolekularen Kondensaten mithilfe von Terahertz-Spektroskopie untersuchte. »Die Ergebnisse meiner Forschung haben nicht nur Auswirkungen auf die Biologie, sondern auch auf viele andere Bereiche, in denen Wasser eine wichtige Rolle spielt, darunter viele Bereiche der physikalischen Chemie, Biochemie und Atmosphärenchemie. Um meine Forschungsziele zu erreichen, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen vielen Forschungsbereichen unerlässlich. Das Exzellenzcluster PoL und das HZDR bieten mir eine großartige Möglichkeit, meine Forschung fortzusetzen und gleichzeitig in einer meiner liebsten Städte zu leben. Ich freue mich darauf, Dresden mein neues Zuhause zu nennen«, betont die Wissenschaftlerin.
Konkret wird sich Dr. Ellen Adams mit grundlegenden physikalischen Phänomenen biologischer Grenzflächen befassen. Seit der Erfindung des Mikroskops ist bekannt, dass bestimmte Bereiche in Zellen durch Grenzflächen in Organellen eingeteilt sind und dadurch Bereiche mit verschiedenen Funktionen in Zellen entstehen. Die lange bekannten Organellen, wie beispielsweise der Zellkern, werden dabei durch eine biologische Membran abgetrennt. Umso verblüffender war die in Dresden erfolgte Entdeckung von membranlosen, aber dennoch abgegrenzten Organellen. Letztere entstehen durch eine sogenannte Flüssig-Flüssig-Phasentrennung im Zellinnern, ähnlich wie Öltropfen, die sich ohne eine Membran von der umgebenden Flüssigkeit abgrenzen. Fehler in der Entstehung und Auflösung solcher Entmischungen stehen mit verschiedenen Krankheiten in Zusammenhang und somit ist deren Regulation ein wichtiger Forschungsgegenstand. Genau daran wird die Gruppe von Dr. Ellen Adams arbeiten. Ziel ist es, die physikalischen Eigenschaften der Grenzschichten und die Rolle des Wassers als Strukturbestandteil dieser biologisch reaktiven Tropfen zu verstehen und gezielt zu beeinflussen.
Am HZDR findet die Forscherin die für ihre Vorhaben erforderlichen hochkarätigen experimentellen Voraussetzungen. Hier ist es schon heute möglich, sogenannte Terahertz-Strahlung für die Erforschung von Biomolekülen zu nutzen. Dabei handelt es sich um besonders langwellige Infrarotstrahlung, die speziell von Wassermolekülen aufgenommen wird. Dr. Ellen Adams hat sich intensiv mit der Nutzung dieser Strahlung für die Untersuchung der Wasserhülle um biologische Moleküle befasst und bringt diese Expertise nun in das Dresdner Exzellenzcluster PoL ein. TELBE heißt die bestehende Terahertz- Quelle an der Strahlquelle ELBE (Elektronen Linearbeschleuniger für Strahlen hoher Brillanz und niedriger Emittanz) des HZDR. Doch damit nicht genug – geplant ist für die Zukunft eine grundlegende Erneuerung der Beschleunigeranlagen am HZDR: das Zukunftsprojekt DALI (Dresden Advanced Light Infrastructure). Der Biophysiker Prof. Karim Fahmy, der seit 2002 am HZDR forscht, freut sich bereits auf die enge Zusammenarbeit mit Dr. Adams und unterstreicht die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur am HZDR: »Die Weiterentwicklung von TELBE in Hinblick auf höchste Strahlqualitäten soll unter anderem Nutzern aus der Biophysik neue Experimentiermöglichkeiten schaffen. Hier sind die Anforderungen der Gruppen aus DRESDEN-concept direkt für technische Entwicklungen relevant, um biologische Proben unter Experimentierbedingungen funktionsfähig zu halten. Damit wird der Wissenschaftsstandort Dresden einmal mehr seine Leistungsfähigkeit untermauern.«
Ideale Voraussetzungen also für einen guten Start und neue Forschungsergebnisse aus dem tiefsten Innern der Zelle.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 3/2022 vom 15. Februar 2022 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.